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Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

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und Theorie des Himmels.
heben, und diese Verwirrung durch das Licht der
Urtheilskraft zu vertreiben, sind wie die Sonnen-
blicke, wenn dicke Wolken ihre Heiterkeit unabläs-
sig unterbrechen und verdunkeln.

Diese Grobheit des Stoffes und des Gewebes
in dem Baue der menschlichen Natur ist die Ursa-
che derjenigen Trägheit, welche die Fähigkeiten der
Seele in einer beständigen Mattigkeit und Kraft-
losigkeit erhält. Die Handlung des Nachdenkens,
und der durch die Vernunft aufgeklärten Vorstel-
lungen ist ein mühsamer Zustand, darein die Seele
sich nicht ohne Wiederstand setzen kan, und aus
welchem sie, durch einen natürlichen Hang der kör-
perlichen Maschine, alsbald in den leidenden Zustand
zurückfällt, da die sämtlichen Reizungen alle ihre
Handlungen bestimmen und regieren.

Diese Trägheit seiner Denkungskraft, welche
eine Folge der Abhängigkeit von einer groben und
ungelenksamen Materie ist, ist nicht allein die
Quelle des Lasters, fondern auch des Jrrthums.
Durch die Schwierigkeit, welche mit der Bemü-
hung verbunden ist, den Nebel der verwirrten Be-
griffe zu zerstreuen, und das durch verglichene
Jdeen entspringende allgemeine Erkenntniß von den
sinnlichen Eindrücken abzusondern, abgehalten,
giebt sie lieber einem übereilten Beyfalle Platz, und
beruhigt sich in dem Besitze einer Einsicht, welche
ihr die Trägheit ihrer Natur und der Wiederstand
der Materie kaum von der Seite erblicken lassen.

Jn dieser Abhängigkeit schwinden die geistigen
Fähigkeiten zugleich mit der Lebhaftigkeit des Leibes:
wenn das hohe Alter durch den geschwächten Um-

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und Theorie des Himmels.
heben, und dieſe Verwirrung durch das Licht der
Urtheilskraft zu vertreiben, ſind wie die Sonnen-
blicke, wenn dicke Wolken ihre Heiterkeit unablaͤſ-
ſig unterbrechen und verdunkeln.

Dieſe Grobheit des Stoffes und des Gewebes
in dem Baue der menſchlichen Natur iſt die Urſa-
che derjenigen Traͤgheit, welche die Faͤhigkeiten der
Seele in einer beſtaͤndigen Mattigkeit und Kraft-
loſigkeit erhaͤlt. Die Handlung des Nachdenkens,
und der durch die Vernunft aufgeklaͤrten Vorſtel-
lungen iſt ein muͤhſamer Zuſtand, darein die Seele
ſich nicht ohne Wiederſtand ſetzen kan, und aus
welchem ſie, durch einen natuͤrlichen Hang der koͤr-
perlichen Maſchine, alsbald in den leidenden Zuſtand
zuruͤckfaͤllt, da die ſaͤmtlichen Reizungen alle ihre
Handlungen beſtimmen und regieren.

Dieſe Traͤgheit ſeiner Denkungskraft, welche
eine Folge der Abhaͤngigkeit von einer groben und
ungelenkſamen Materie iſt, iſt nicht allein die
Quelle des Laſters, fondern auch des Jrrthums.
Durch die Schwierigkeit, welche mit der Bemuͤ-
hung verbunden iſt, den Nebel der verwirrten Be-
griffe zu zerſtreuen, und das durch verglichene
Jdeen entſpringende allgemeine Erkenntniß von den
ſinnlichen Eindruͤcken abzuſondern, abgehalten,
giebt ſie lieber einem uͤbereilten Beyfalle Platz, und
beruhigt ſich in dem Beſitze einer Einſicht, welche
ihr die Traͤgheit ihrer Natur und der Wiederſtand
der Materie kaum von der Seite erblicken laſſen.

Jn dieſer Abhaͤngigkeit ſchwinden die geiſtigen
Faͤhigkeiten zugleich mit der Lebhaftigkeit des Leibes:
wenn das hohe Alter durch den geſchwaͤchten Um-

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[183/0251] und Theorie des Himmels. heben, und dieſe Verwirrung durch das Licht der Urtheilskraft zu vertreiben, ſind wie die Sonnen- blicke, wenn dicke Wolken ihre Heiterkeit unablaͤſ- ſig unterbrechen und verdunkeln. Dieſe Grobheit des Stoffes und des Gewebes in dem Baue der menſchlichen Natur iſt die Urſa- che derjenigen Traͤgheit, welche die Faͤhigkeiten der Seele in einer beſtaͤndigen Mattigkeit und Kraft- loſigkeit erhaͤlt. Die Handlung des Nachdenkens, und der durch die Vernunft aufgeklaͤrten Vorſtel- lungen iſt ein muͤhſamer Zuſtand, darein die Seele ſich nicht ohne Wiederſtand ſetzen kan, und aus welchem ſie, durch einen natuͤrlichen Hang der koͤr- perlichen Maſchine, alsbald in den leidenden Zuſtand zuruͤckfaͤllt, da die ſaͤmtlichen Reizungen alle ihre Handlungen beſtimmen und regieren. Dieſe Traͤgheit ſeiner Denkungskraft, welche eine Folge der Abhaͤngigkeit von einer groben und ungelenkſamen Materie iſt, iſt nicht allein die Quelle des Laſters, fondern auch des Jrrthums. Durch die Schwierigkeit, welche mit der Bemuͤ- hung verbunden iſt, den Nebel der verwirrten Be- griffe zu zerſtreuen, und das durch verglichene Jdeen entſpringende allgemeine Erkenntniß von den ſinnlichen Eindruͤcken abzuſondern, abgehalten, giebt ſie lieber einem uͤbereilten Beyfalle Platz, und beruhigt ſich in dem Beſitze einer Einſicht, welche ihr die Traͤgheit ihrer Natur und der Wiederſtand der Materie kaum von der Seite erblicken laſſen. Jn dieſer Abhaͤngigkeit ſchwinden die geiſtigen Faͤhigkeiten zugleich mit der Lebhaftigkeit des Leibes: wenn das hohe Alter durch den geſchwaͤchten Um- lauf M 4

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/251>, abgerufen am 25.11.2024.