Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Allgemeine Naturgeschichte
stigen; so werde in gegenwärtigem Versuche keine
anderen Sätze anführen, als solche, die zur Erwei-
terung unseres Erkenntnisses wirklich beytragen kön-
nen, und beren Wahrscheinlichkeit zugleich so wohl
gegründet ist, daß man sich kaum entbrechen kan,
sie gelten zu lassen.

Obgleich es scheinen möchte, daß in dieser Art des
Vorwurfes, die Freyheit zu erdichten, keine eigentliche
Schranken habe, und daß man in dem Urtheil von der
Beschaffenheit der Einwohner entlegener Welten,
mit weit grösserer Ungebundenheit, der Phantasey
könne den Zügel schiessen lassen, als ein Mahler in
der Abbildung der Gewächse oder Thiere unentdeck-
ter Länder, und daß dergleichen Gedanken weder
recht erwiesen, noch widerleget werden könten; so
muß man doch gestehen, daß die Entfernungen der
Himmelskörper von der Sonne gewisse Verhältnisse
mit sich führen, welche einen wesentlichen Einfluß,
in die verschiedenen Eigenschaften der denkenden Na-
turen, nach sich ziehen, die auf denenselben befind-
lich sind, als deren Art zu wirken und zu leiden,
an die Beschaffenheit der Materie, mit der sie ver-
knüpfet seyn, gebunden ist, und von dem Maaß der
Eindrücke abhänget, die die Welt, nach den Ei-
genschaften der Beziehung ihres Wohnplatzes, zu
dem Mittelpunkte der Attraction und der Wärme,
in ihnen erwecket.

Jch bin der Meinung, daß es eben nicht noth-
wendig sey, zu behaupten, alle Planeten müßten
bewohnt seyn, ob es gleich eine Ungereimtheit wä-

re,

Allgemeine Naturgeſchichte
ſtigen; ſo werde in gegenwaͤrtigem Verſuche keine
anderen Saͤtze anfuͤhren, als ſolche, die zur Erwei-
terung unſeres Erkenntniſſes wirklich beytragen koͤn-
nen, und beren Wahrſcheinlichkeit zugleich ſo wohl
gegruͤndet iſt, daß man ſich kaum entbrechen kan,
ſie gelten zu laſſen.

Obgleich es ſcheinen moͤchte, daß in dieſer Art des
Vorwurfes, die Freyheit zu erdichten, keine eigentliche
Schranken habe, und daß man in dem Urtheil von der
Beſchaffenheit der Einwohner entlegener Welten,
mit weit groͤſſerer Ungebundenheit, der Phantaſey
koͤnne den Zuͤgel ſchieſſen laſſen, als ein Mahler in
der Abbildung der Gewaͤchſe oder Thiere unentdeck-
ter Laͤnder, und daß dergleichen Gedanken weder
recht erwieſen, noch widerleget werden koͤnten; ſo
muß man doch geſtehen, daß die Entfernungen der
Himmelskoͤrper von der Sonne gewiſſe Verhaͤltniſſe
mit ſich fuͤhren, welche einen weſentlichen Einfluß,
in die verſchiedenen Eigenſchaften der denkenden Na-
turen, nach ſich ziehen, die auf denenſelben befind-
lich ſind, als deren Art zu wirken und zu leiden,
an die Beſchaffenheit der Materie, mit der ſie ver-
knuͤpfet ſeyn, gebunden iſt, und von dem Maaß der
Eindruͤcke abhaͤnget, die die Welt, nach den Ei-
genſchaften der Beziehung ihres Wohnplatzes, zu
dem Mittelpunkte der Attraction und der Waͤrme,
in ihnen erwecket.

Jch bin der Meinung, daß es eben nicht noth-
wendig ſey, zu behaupten, alle Planeten muͤßten
bewohnt ſeyn, ob es gleich eine Ungereimtheit waͤ-

re,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0242" n="174"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Allgemeine Naturge&#x017F;chichte</hi></fw><lb/>
&#x017F;tigen; &#x017F;o werde in gegenwa&#x0364;rtigem Ver&#x017F;uche keine<lb/>
anderen Sa&#x0364;tze anfu&#x0364;hren, als &#x017F;olche, die zur Erwei-<lb/>
terung un&#x017F;eres Erkenntni&#x017F;&#x017F;es wirklich beytragen ko&#x0364;n-<lb/>
nen, und beren Wahr&#x017F;cheinlichkeit zugleich &#x017F;o wohl<lb/>
gegru&#x0364;ndet i&#x017F;t, daß man &#x017F;ich kaum entbrechen kan,<lb/>
&#x017F;ie gelten zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Obgleich es &#x017F;cheinen mo&#x0364;chte, daß in die&#x017F;er Art des<lb/>
Vorwurfes, die Freyheit zu erdichten, keine eigentliche<lb/>
Schranken habe, und daß man in dem Urtheil von der<lb/>
Be&#x017F;chaffenheit der Einwohner entlegener Welten,<lb/>
mit weit gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erer Ungebundenheit, der Phanta&#x017F;ey<lb/>
ko&#x0364;nne den Zu&#x0364;gel &#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en, als ein Mahler in<lb/>
der Abbildung der Gewa&#x0364;ch&#x017F;e oder Thiere unentdeck-<lb/>
ter La&#x0364;nder, und daß dergleichen Gedanken weder<lb/>
recht erwie&#x017F;en, noch widerleget werden ko&#x0364;nten; &#x017F;o<lb/>
muß man doch ge&#x017F;tehen, daß die Entfernungen der<lb/>
Himmelsko&#x0364;rper von der Sonne gewi&#x017F;&#x017F;e Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
mit &#x017F;ich fu&#x0364;hren, welche einen we&#x017F;entlichen Einfluß,<lb/>
in die ver&#x017F;chiedenen Eigen&#x017F;chaften der denkenden Na-<lb/>
turen, nach &#x017F;ich ziehen, die auf denen&#x017F;elben befind-<lb/>
lich &#x017F;ind, als deren Art zu wirken und zu leiden,<lb/>
an die Be&#x017F;chaffenheit der Materie, mit der &#x017F;ie ver-<lb/>
knu&#x0364;pfet &#x017F;eyn, gebunden i&#x017F;t, und von dem Maaß der<lb/>
Eindru&#x0364;cke abha&#x0364;nget, die die Welt, nach den Ei-<lb/>
gen&#x017F;chaften der Beziehung ihres Wohnplatzes, zu<lb/>
dem Mittelpunkte der Attraction und der Wa&#x0364;rme,<lb/>
in ihnen erwecket.</p><lb/>
          <p>Jch bin der Meinung, daß es eben nicht noth-<lb/>
wendig &#x017F;ey, zu behaupten, alle Planeten mu&#x0364;ßten<lb/>
bewohnt &#x017F;eyn, ob es gleich eine Ungereimtheit wa&#x0364;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">re,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0242] Allgemeine Naturgeſchichte ſtigen; ſo werde in gegenwaͤrtigem Verſuche keine anderen Saͤtze anfuͤhren, als ſolche, die zur Erwei- terung unſeres Erkenntniſſes wirklich beytragen koͤn- nen, und beren Wahrſcheinlichkeit zugleich ſo wohl gegruͤndet iſt, daß man ſich kaum entbrechen kan, ſie gelten zu laſſen. Obgleich es ſcheinen moͤchte, daß in dieſer Art des Vorwurfes, die Freyheit zu erdichten, keine eigentliche Schranken habe, und daß man in dem Urtheil von der Beſchaffenheit der Einwohner entlegener Welten, mit weit groͤſſerer Ungebundenheit, der Phantaſey koͤnne den Zuͤgel ſchieſſen laſſen, als ein Mahler in der Abbildung der Gewaͤchſe oder Thiere unentdeck- ter Laͤnder, und daß dergleichen Gedanken weder recht erwieſen, noch widerleget werden koͤnten; ſo muß man doch geſtehen, daß die Entfernungen der Himmelskoͤrper von der Sonne gewiſſe Verhaͤltniſſe mit ſich fuͤhren, welche einen weſentlichen Einfluß, in die verſchiedenen Eigenſchaften der denkenden Na- turen, nach ſich ziehen, die auf denenſelben befind- lich ſind, als deren Art zu wirken und zu leiden, an die Beſchaffenheit der Materie, mit der ſie ver- knuͤpfet ſeyn, gebunden iſt, und von dem Maaß der Eindruͤcke abhaͤnget, die die Welt, nach den Ei- genſchaften der Beziehung ihres Wohnplatzes, zu dem Mittelpunkte der Attraction und der Waͤrme, in ihnen erwecket. Jch bin der Meinung, daß es eben nicht noth- wendig ſey, zu behaupten, alle Planeten muͤßten bewohnt ſeyn, ob es gleich eine Ungereimtheit waͤ- re,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/242
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/242>, abgerufen am 23.11.2024.