Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Allgemeine Naturgeschichte
des durch die ganze Natur herrschenden Gesetzes der
ersten Bildung, ein neues noch grösseres System
ausmachen, das durch die Anziehung eines Kör-
pers von ungleich mächtigerer Attraction, als alle
die vorige, waren, aus dem Mittelpunkte ihrer re-
gelmäßigen Stellungen regieret wird. Die Anzie-
hung, welche die Ursache der systematischen Verfas-
sung unter den Fixsternen der Milchstrasse ist, wir-
ket auch noch in der Entfernung eben dieser Welt-
ordnungen, um sie aus ihren Stellungen zu brin-
gen, und die Welt in einem unvermeidlich bevor-
stehenden Chaos zu begraben, wenn nicht regel-
mäßig ausgetheilte Schwungskräfte der Attraction
das Gegengewicht leisten, und beyderseits in Ver-
bindung diejenige Beziehung hervorbringen, die
der Grund der systematischen Verfassung ist. Die
Anziehung ist ohne Zweifel eine eben so weit ausge-
dehnte Eigenschaft der Materie, als die Coexistenz,
welche den Raum macht, indem sie die Substanzen
durch gegenseitige Abhängigkeiten verbindet, oder,
eigentlicher zu reden, die Anziehung ist eben diese
allgemeine Beziehung, welche die Theile der Natur
in einem Raume vereinigt: sie erstrecket sich also
auf die ganze Ausdehnung desselben, bis in alle Wei-
ten ihrer Unendlichkeit. Wenn das Licht von die-
sen entfernten Systemen zu uns gelanget, das
Licht, welches nur eine eingedrückte Bewegung ist,
muß nicht vielmehr die Anziehung, diese ursprüng-
liche Bewegungsqvelle, welche eher, wie alle Be-
wegung ist: die keiner fremden Ursachen bedarf,
auch durch keine Hinderniß kan aufgehalten werden,

weil

Allgemeine Naturgeſchichte
des durch die ganze Natur herrſchenden Geſetzes der
erſten Bildung, ein neues noch groͤſſeres Syſtem
ausmachen, das durch die Anziehung eines Koͤr-
pers von ungleich maͤchtigerer Attraction, als alle
die vorige, waren, aus dem Mittelpunkte ihrer re-
gelmaͤßigen Stellungen regieret wird. Die Anzie-
hung, welche die Urſache der ſyſtematiſchen Verfaſ-
ſung unter den Fixſternen der Milchſtraſſe iſt, wir-
ket auch noch in der Entfernung eben dieſer Welt-
ordnungen, um ſie aus ihren Stellungen zu brin-
gen, und die Welt in einem unvermeidlich bevor-
ſtehenden Chaos zu begraben, wenn nicht regel-
maͤßig ausgetheilte Schwungskraͤfte der Attraction
das Gegengewicht leiſten, und beyderſeits in Ver-
bindung diejenige Beziehung hervorbringen, die
der Grund der ſyſtematiſchen Verfaſſung iſt. Die
Anziehung iſt ohne Zweifel eine eben ſo weit ausge-
dehnte Eigenſchaft der Materie, als die Coexiſtenz,
welche den Raum macht, indem ſie die Subſtanzen
durch gegenſeitige Abhaͤngigkeiten verbindet, oder,
eigentlicher zu reden, die Anziehung iſt eben dieſe
allgemeine Beziehung, welche die Theile der Natur
in einem Raume vereinigt: ſie erſtrecket ſich alſo
auf die ganze Ausdehnung deſſelben, bis in alle Wei-
ten ihrer Unendlichkeit. Wenn das Licht von die-
ſen entfernten Syſtemen zu uns gelanget, das
Licht, welches nur eine eingedruͤckte Bewegung iſt,
muß nicht vielmehr die Anziehung, dieſe urſpruͤng-
liche Bewegungsqvelle, welche eher, wie alle Be-
wegung iſt: die keiner fremden Urſachen bedarf,
auch durch keine Hinderniß kan aufgehalten werden,

weil
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0172" n="104"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Allgemeine Naturge&#x017F;chichte</hi></fw><lb/>
des durch die ganze Natur herr&#x017F;chenden Ge&#x017F;etzes der<lb/>
er&#x017F;ten Bildung, ein neues noch gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eres Sy&#x017F;tem<lb/>
ausmachen, das durch die Anziehung eines Ko&#x0364;r-<lb/>
pers von ungleich ma&#x0364;chtigerer Attraction, als alle<lb/>
die vorige, waren, aus dem Mittelpunkte ihrer re-<lb/>
gelma&#x0364;ßigen Stellungen regieret wird. Die Anzie-<lb/>
hung, welche die Ur&#x017F;ache der &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;chen Verfa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung unter den Fix&#x017F;ternen der Milch&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;e i&#x017F;t, wir-<lb/>
ket auch noch in der Entfernung eben die&#x017F;er Welt-<lb/>
ordnungen, um &#x017F;ie aus ihren Stellungen zu brin-<lb/>
gen, und die Welt in einem unvermeidlich bevor-<lb/>
&#x017F;tehenden Chaos zu begraben, wenn nicht regel-<lb/>
ma&#x0364;ßig ausgetheilte Schwungskra&#x0364;fte der Attraction<lb/>
das Gegengewicht lei&#x017F;ten, und beyder&#x017F;eits in Ver-<lb/>
bindung diejenige Beziehung hervorbringen, die<lb/>
der Grund der &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;chen Verfa&#x017F;&#x017F;ung i&#x017F;t. Die<lb/>
Anziehung i&#x017F;t ohne Zweifel eine eben &#x017F;o weit ausge-<lb/>
dehnte Eigen&#x017F;chaft der Materie, als die Coexi&#x017F;tenz,<lb/>
welche den Raum macht, indem &#x017F;ie die Sub&#x017F;tanzen<lb/>
durch gegen&#x017F;eitige Abha&#x0364;ngigkeiten verbindet, oder,<lb/>
eigentlicher zu reden, die Anziehung i&#x017F;t eben die&#x017F;e<lb/>
allgemeine Beziehung, welche die Theile der Natur<lb/>
in einem Raume vereinigt: &#x017F;ie er&#x017F;trecket &#x017F;ich al&#x017F;o<lb/>
auf die ganze Ausdehnung de&#x017F;&#x017F;elben, bis in alle Wei-<lb/>
ten ihrer Unendlichkeit. Wenn das Licht von die-<lb/>
&#x017F;en entfernten Sy&#x017F;temen zu uns gelanget, das<lb/>
Licht, welches nur eine eingedru&#x0364;ckte Bewegung i&#x017F;t,<lb/>
muß nicht vielmehr die Anziehung, die&#x017F;e ur&#x017F;pru&#x0364;ng-<lb/>
liche Bewegungsqvelle, welche eher, wie alle Be-<lb/>
wegung i&#x017F;t: die keiner fremden Ur&#x017F;achen bedarf,<lb/>
auch durch keine Hinderniß kan aufgehalten werden,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">weil</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0172] Allgemeine Naturgeſchichte des durch die ganze Natur herrſchenden Geſetzes der erſten Bildung, ein neues noch groͤſſeres Syſtem ausmachen, das durch die Anziehung eines Koͤr- pers von ungleich maͤchtigerer Attraction, als alle die vorige, waren, aus dem Mittelpunkte ihrer re- gelmaͤßigen Stellungen regieret wird. Die Anzie- hung, welche die Urſache der ſyſtematiſchen Verfaſ- ſung unter den Fixſternen der Milchſtraſſe iſt, wir- ket auch noch in der Entfernung eben dieſer Welt- ordnungen, um ſie aus ihren Stellungen zu brin- gen, und die Welt in einem unvermeidlich bevor- ſtehenden Chaos zu begraben, wenn nicht regel- maͤßig ausgetheilte Schwungskraͤfte der Attraction das Gegengewicht leiſten, und beyderſeits in Ver- bindung diejenige Beziehung hervorbringen, die der Grund der ſyſtematiſchen Verfaſſung iſt. Die Anziehung iſt ohne Zweifel eine eben ſo weit ausge- dehnte Eigenſchaft der Materie, als die Coexiſtenz, welche den Raum macht, indem ſie die Subſtanzen durch gegenſeitige Abhaͤngigkeiten verbindet, oder, eigentlicher zu reden, die Anziehung iſt eben dieſe allgemeine Beziehung, welche die Theile der Natur in einem Raume vereinigt: ſie erſtrecket ſich alſo auf die ganze Ausdehnung deſſelben, bis in alle Wei- ten ihrer Unendlichkeit. Wenn das Licht von die- ſen entfernten Syſtemen zu uns gelanget, das Licht, welches nur eine eingedruͤckte Bewegung iſt, muß nicht vielmehr die Anziehung, dieſe urſpruͤng- liche Bewegungsqvelle, welche eher, wie alle Be- wegung iſt: die keiner fremden Urſachen bedarf, auch durch keine Hinderniß kan aufgehalten werden, weil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/172
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/172>, abgerufen am 22.11.2024.