die Frau. "Warum sollte keine Sitzung sein?" fragte er und wollte es nicht glauben. Aber die Frau überzeugte ihn, indem sie die Tür des Nebenzimmers öffnete. Es war wirklich leer und sah in seiner Leere noch kläglicher aus, als am letzten Sonntag. Auf dem Tisch, der unverändert auf dem Podium stand, lagen einige Bücher. "Kann ich mir die Bücher anschauen," fragte K., nicht aus besonderer Neugierde, sondern nur um nicht vollständig nutzlos hier gewesen zu sein. "Nein," sagte die Frau und schloß wieder die Tür, "das ist nicht erlaubt. Die Bücher gehören dem Untersuchungsrichter." "Ach so," sagte K. und nickte, "die Bücher sind wohl Gesetzbücher und es gehört zu der Art dieses Gerichtswesens, daß man nicht nur unschuldig, sondern auch unwissend verurteilt wird." "Es wird so sein," sagte die Frau, die ihn nicht genau verstanden hatte. "Nun, dann gehe ich wieder," sagte K. "Soll ich dem Untersuchungsrichter etwas melden?" fragte die Frau. "Sie kennen ihn?" fragte K. "Natürlich," sagte die Frau, "mein Mann ist ja Gerichtsdiener." Erst jetzt merkte K., daß das Zimmer, in dem letzthin nur ein Waschbottich gestanden war, jetzt ein
die Frau. „Warum sollte keine Sitzung sein?“ fragte er und wollte es nicht glauben. Aber die Frau überzeugte ihn, indem sie die Tür des Nebenzimmers öffnete. Es war wirklich leer und sah in seiner Leere noch kläglicher aus, als am letzten Sonntag. Auf dem Tisch, der unverändert auf dem Podium stand, lagen einige Bücher. „Kann ich mir die Bücher anschauen,“ fragte K., nicht aus besonderer Neugierde, sondern nur um nicht vollständig nutzlos hier gewesen zu sein. „Nein,“ sagte die Frau und schloß wieder die Tür, „das ist nicht erlaubt. Die Bücher gehören dem Untersuchungsrichter.“ „Ach so,“ sagte K. und nickte, „die Bücher sind wohl Gesetzbücher und es gehört zu der Art dieses Gerichtswesens, daß man nicht nur unschuldig, sondern auch unwissend verurteilt wird.“ „Es wird so sein,“ sagte die Frau, die ihn nicht genau verstanden hatte. „Nun, dann gehe ich wieder,“ sagte K. „Soll ich dem Untersuchungsrichter etwas melden?“ fragte die Frau. „Sie kennen ihn?“ fragte K. „Natürlich,“ sagte die Frau, „mein Mann ist ja Gerichtsdiener.“ Erst jetzt merkte K., daß das Zimmer, in dem letzthin nur ein Waschbottich gestanden war, jetzt ein
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0087"n="85"/>
die Frau. „Warum sollte keine Sitzung sein?“ fragte er und wollte es nicht glauben. Aber die Frau überzeugte ihn, indem sie die Tür des Nebenzimmers öffnete. Es war wirklich leer und sah in seiner Leere noch kläglicher aus, als am letzten Sonntag. Auf dem Tisch, der unverändert auf dem Podium stand, lagen einige Bücher. „Kann ich mir die Bücher anschauen,“ fragte K., nicht aus besonderer Neugierde, sondern nur um nicht vollständig nutzlos hier gewesen zu sein. „Nein,“ sagte die Frau und schloß wieder die Tür, „das ist nicht erlaubt. Die Bücher gehören dem Untersuchungsrichter.“„Ach so,“ sagte K. und nickte, „die Bücher sind wohl Gesetzbücher und es gehört zu der Art dieses Gerichtswesens, daß man nicht nur unschuldig, sondern auch unwissend verurteilt wird.“„Es wird so sein,“ sagte die Frau, die ihn nicht genau verstanden hatte. „Nun, dann gehe ich wieder,“ sagte K. „Soll ich dem Untersuchungsrichter etwas melden?“ fragte die Frau. „Sie kennen ihn?“ fragte K. „Natürlich,“ sagte die Frau, „mein Mann ist ja Gerichtsdiener.“ Erst jetzt merkte K., daß das Zimmer, in dem letzthin nur ein Waschbottich gestanden war, jetzt ein
</p></div></body></text></TEI>
[85/0087]
die Frau. „Warum sollte keine Sitzung sein?“ fragte er und wollte es nicht glauben. Aber die Frau überzeugte ihn, indem sie die Tür des Nebenzimmers öffnete. Es war wirklich leer und sah in seiner Leere noch kläglicher aus, als am letzten Sonntag. Auf dem Tisch, der unverändert auf dem Podium stand, lagen einige Bücher. „Kann ich mir die Bücher anschauen,“ fragte K., nicht aus besonderer Neugierde, sondern nur um nicht vollständig nutzlos hier gewesen zu sein. „Nein,“ sagte die Frau und schloß wieder die Tür, „das ist nicht erlaubt. Die Bücher gehören dem Untersuchungsrichter.“ „Ach so,“ sagte K. und nickte, „die Bücher sind wohl Gesetzbücher und es gehört zu der Art dieses Gerichtswesens, daß man nicht nur unschuldig, sondern auch unwissend verurteilt wird.“ „Es wird so sein,“ sagte die Frau, die ihn nicht genau verstanden hatte. „Nun, dann gehe ich wieder,“ sagte K. „Soll ich dem Untersuchungsrichter etwas melden?“ fragte die Frau. „Sie kennen ihn?“ fragte K. „Natürlich,“ sagte die Frau, „mein Mann ist ja Gerichtsdiener.“ Erst jetzt merkte K., daß das Zimmer, in dem letzthin nur ein Waschbottich gestanden war, jetzt ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-28T19:24:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat
(2012-11-28T19:24:31Z)
Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/87>, abgerufen am 03.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.