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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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Augenbrauen drängten sich buschig, schwarz und groß über seinen Augen.

Die linke Saalhälfte war aber noch immer still, die Leute standen dort in Reihen, hatten ihre Gesichter dem Podium zugewendet und hörten die Worte, die oben gewechselt wurden, ebenso ruhig an wie dem Lärm der andern Partei, sie duldeten sogar, daß einzelne aus ihren Reihen mit der andern Partei hie und da gemeinsam vorgingen. Die Leute der linken Partei, die übrigens weniger zahlreich war, mochten im Grunde ebenso unbedeutend sein wie die der rechten Partei, aber die Ruhe ihres Verhaltens ließ sie bedeutungsvoller erscheinen. Als K. jetzt zu reden begann, war er überzeugt, in ihrem Sinne zu sprechen.

"Ihre Frage, Herr Untersuchungsrichter, ob ich Zimmermaler bin - vielmehr Sie haben gar nicht gefragt, sondern es mir auf den Kopf zugesagt - ist bezeichnend für die ganze Art des Verfahrens, das gegen mich geführt wird. Sie können einwenden, daß es ja überhaupt kein Verfahren ist, Sie haben sehr Recht, denn es ist ja nur ein Verfahren, wenn ich es als solches anerkenne. Aber ich erkenne es also für den Augenblick jetzt an,

Augenbrauen drängten sich buschig, schwarz und groß über seinen Augen.

Die linke Saalhälfte war aber noch immer still, die Leute standen dort in Reihen, hatten ihre Gesichter dem Podium zugewendet und hörten die Worte, die oben gewechselt wurden, ebenso ruhig an wie dem Lärm der andern Partei, sie duldeten sogar, daß einzelne aus ihren Reihen mit der andern Partei hie und da gemeinsam vorgingen. Die Leute der linken Partei, die übrigens weniger zahlreich war, mochten im Grunde ebenso unbedeutend sein wie die der rechten Partei, aber die Ruhe ihres Verhaltens ließ sie bedeutungsvoller erscheinen. Als K. jetzt zu reden begann, war er überzeugt, in ihrem Sinne zu sprechen.

„Ihre Frage, Herr Untersuchungsrichter, ob ich Zimmermaler bin – vielmehr Sie haben gar nicht gefragt, sondern es mir auf den Kopf zugesagt – ist bezeichnend für die ganze Art des Verfahrens, das gegen mich geführt wird. Sie können einwenden, daß es ja überhaupt kein Verfahren ist, Sie haben sehr Recht, denn es ist ja nur ein Verfahren, wenn ich es als solches anerkenne. Aber ich erkenne es also für den Augenblick jetzt an,

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[70/0072] Augenbrauen drängten sich buschig, schwarz und groß über seinen Augen. Die linke Saalhälfte war aber noch immer still, die Leute standen dort in Reihen, hatten ihre Gesichter dem Podium zugewendet und hörten die Worte, die oben gewechselt wurden, ebenso ruhig an wie dem Lärm der andern Partei, sie duldeten sogar, daß einzelne aus ihren Reihen mit der andern Partei hie und da gemeinsam vorgingen. Die Leute der linken Partei, die übrigens weniger zahlreich war, mochten im Grunde ebenso unbedeutend sein wie die der rechten Partei, aber die Ruhe ihres Verhaltens ließ sie bedeutungsvoller erscheinen. Als K. jetzt zu reden begann, war er überzeugt, in ihrem Sinne zu sprechen. „Ihre Frage, Herr Untersuchungsrichter, ob ich Zimmermaler bin – vielmehr Sie haben gar nicht gefragt, sondern es mir auf den Kopf zugesagt – ist bezeichnend für die ganze Art des Verfahrens, das gegen mich geführt wird. Sie können einwenden, daß es ja überhaupt kein Verfahren ist, Sie haben sehr Recht, denn es ist ja nur ein Verfahren, wenn ich es als solches anerkenne. Aber ich erkenne es also für den Augenblick jetzt an,

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/72>, abgerufen am 23.04.2024.