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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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Aber K. mußte eine zweite Demütigung folgen lassen, er sagte: "Vielen Dank! Aber ich habe leider Sonntag keine Zeit, ich habe schon eine Verpflichtung." "Schade," sagte der Direktor-Stellvertreter und wandte sich dem telephonischen Gespräch zu, daß gerade hergestellt worden war. Es war kein kurzes Gespräch, aber K. blieb in seiner Zerstreutheit die ganze Zeit über neben dem Apparat stehn. Erst als der Direktor-Stellvertreter abläutete, erschrak er und sagte, um sein unnützes Dastehn nur ein wenig zu entschuldigen: "Ich bin jetzt antelephoniert worden, ich möchte irgendwo hinkommen, aber man hat vergessen, mir zu sagen, zu welcher Stunde." "Fragen Sie doch noch einmal nach," sagte der Direktor-Stellvertreter. "Es ist nicht so wichtig," sagte K., trotzdem dadurch seine frühere schon an sich mangelhafte Entschuldigung noch weiter verfiel. Der Direktor-Stellvertreter sprach noch im Weggehn über andere Dinge. K. zwang sich auch zu antworten, dachte aber hauptsächlich daran, daß es am besten sein werde, Sonntag um 9 Uhr vormittag hinzukommen, da zu dieser Stunde an Werktagen alle Gerichte zu arbeiten anfangen.

Aber K. mußte eine zweite Demütigung folgen lassen, er sagte: „Vielen Dank! Aber ich habe leider Sonntag keine Zeit, ich habe schon eine Verpflichtung.“ „Schade,“ sagte der Direktor-Stellvertreter und wandte sich dem telephonischen Gespräch zu, daß gerade hergestellt worden war. Es war kein kurzes Gespräch, aber K. blieb in seiner Zerstreutheit die ganze Zeit über neben dem Apparat stehn. Erst als der Direktor-Stellvertreter abläutete, erschrak er und sagte, um sein unnützes Dastehn nur ein wenig zu entschuldigen: „Ich bin jetzt antelephoniert worden, ich möchte irgendwo hinkommen, aber man hat vergessen, mir zu sagen, zu welcher Stunde.“ „Fragen Sie doch noch einmal nach,“ sagte der Direktor-Stellvertreter. „Es ist nicht so wichtig,“ sagte K., trotzdem dadurch seine frühere schon an sich mangelhafte Entschuldigung noch weiter verfiel. Der Direktor-Stellvertreter sprach noch im Weggehn über andere Dinge. K. zwang sich auch zu antworten, dachte aber hauptsächlich daran, daß es am besten sein werde, Sonntag um 9 Uhr vormittag hinzukommen, da zu dieser Stunde an Werktagen alle Gerichte zu arbeiten anfangen.

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[57/0059] Aber K. mußte eine zweite Demütigung folgen lassen, er sagte: „Vielen Dank! Aber ich habe leider Sonntag keine Zeit, ich habe schon eine Verpflichtung.“ „Schade,“ sagte der Direktor-Stellvertreter und wandte sich dem telephonischen Gespräch zu, daß gerade hergestellt worden war. Es war kein kurzes Gespräch, aber K. blieb in seiner Zerstreutheit die ganze Zeit über neben dem Apparat stehn. Erst als der Direktor-Stellvertreter abläutete, erschrak er und sagte, um sein unnützes Dastehn nur ein wenig zu entschuldigen: „Ich bin jetzt antelephoniert worden, ich möchte irgendwo hinkommen, aber man hat vergessen, mir zu sagen, zu welcher Stunde.“ „Fragen Sie doch noch einmal nach,“ sagte der Direktor-Stellvertreter. „Es ist nicht so wichtig,“ sagte K., trotzdem dadurch seine frühere schon an sich mangelhafte Entschuldigung noch weiter verfiel. Der Direktor-Stellvertreter sprach noch im Weggehn über andere Dinge. K. zwang sich auch zu antworten, dachte aber hauptsächlich daran, daß es am besten sein werde, Sonntag um 9 Uhr vormittag hinzukommen, da zu dieser Stunde an Werktagen alle Gerichte zu arbeiten anfangen.

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/59>, abgerufen am 26.04.2024.