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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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dort über K. zu beschweren: "Herr Advokat," sagte er, "habt Ihr gehört, wie dieser Mann mit mir gesprochen hat. Man kann noch die Stunden seines Prozesses zählen und schon will er mir, einem Mann, der fünf Jahre im Prozesse steht, gute Lehren geben. Er beschimpft mich sogar. Weiß nichts und beschimpft mich, der ich, soweit meine schwachen Kräfte reichen, genau studiert habe, was Anstand, Pflicht und Gerichtsgebrauch verlangt." "Kümmere dich um niemanden," sagte der Advokat, "und tue, was dir richtig scheint." "Gewiß," sagte Block, als spreche er sich selbst Mut zu, und kniete unter einem kurzen Seitenblick nun knapp beim Bett nieder. "Ich knie schon, mein Advokat," sagte er. Der Advokat schwieg aber. Block streichelte mit einer Hand vorsichtig das Federbett. In der Stille, die jetzt herrschte, sagte Leni, indem sie sich von K.s Händen befreite: "Du machst mir Schmerzen. Laß mich. Ich gehe zu Block." Sie ging hin und setzte sich auf den Bettrand. Block war über ihr Kommen sehr erfreut, er bat sie gleich durch lebhafte, aber stumme Zeichen, sich beim Advokaten für ihn einzusetzen. Er benötigte offenbar die Mitteilungen des Advokaten sehr dringend, aber vielleicht

dort über K. zu beschweren: „Herr Advokat,“ sagte er, „habt Ihr gehört, wie dieser Mann mit mir gesprochen hat. Man kann noch die Stunden seines Prozesses zählen und schon will er mir, einem Mann, der fünf Jahre im Prozesse steht, gute Lehren geben. Er beschimpft mich sogar. Weiß nichts und beschimpft mich, der ich, soweit meine schwachen Kräfte reichen, genau studiert habe, was Anstand, Pflicht und Gerichtsgebrauch verlangt.“ „Kümmere dich um niemanden,“ sagte der Advokat, „und tue, was dir richtig scheint.“ „Gewiß,“ sagte Block, als spreche er sich selbst Mut zu, und kniete unter einem kurzen Seitenblick nun knapp beim Bett nieder. „Ich knie schon, mein Advokat,“ sagte er. Der Advokat schwieg aber. Block streichelte mit einer Hand vorsichtig das Federbett. In der Stille, die jetzt herrschte, sagte Leni, indem sie sich von K.s Händen befreite: „Du machst mir Schmerzen. Laß mich. Ich gehe zu Block.“ Sie ging hin und setzte sich auf den Bettrand. Block war über ihr Kommen sehr erfreut, er bat sie gleich durch lebhafte, aber stumme Zeichen, sich beim Advokaten für ihn einzusetzen. Er benötigte offenbar die Mitteilungen des Advokaten sehr dringend, aber vielleicht

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[338/0340] dort über K. zu beschweren: „Herr Advokat,“ sagte er, „habt Ihr gehört, wie dieser Mann mit mir gesprochen hat. Man kann noch die Stunden seines Prozesses zählen und schon will er mir, einem Mann, der fünf Jahre im Prozesse steht, gute Lehren geben. Er beschimpft mich sogar. Weiß nichts und beschimpft mich, der ich, soweit meine schwachen Kräfte reichen, genau studiert habe, was Anstand, Pflicht und Gerichtsgebrauch verlangt.“ „Kümmere dich um niemanden,“ sagte der Advokat, „und tue, was dir richtig scheint.“ „Gewiß,“ sagte Block, als spreche er sich selbst Mut zu, und kniete unter einem kurzen Seitenblick nun knapp beim Bett nieder. „Ich knie schon, mein Advokat,“ sagte er. Der Advokat schwieg aber. Block streichelte mit einer Hand vorsichtig das Federbett. In der Stille, die jetzt herrschte, sagte Leni, indem sie sich von K.s Händen befreite: „Du machst mir Schmerzen. Laß mich. Ich gehe zu Block.“ Sie ging hin und setzte sich auf den Bettrand. Block war über ihr Kommen sehr erfreut, er bat sie gleich durch lebhafte, aber stumme Zeichen, sich beim Advokaten für ihn einzusetzen. Er benötigte offenbar die Mitteilungen des Advokaten sehr dringend, aber vielleicht

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/340>, abgerufen am 04.05.2024.