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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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wollte, klopfte er gleich an ihre Türe an. Sie saß mit einem Strickstrumpf am Tisch, auf dem noch ein Haufen alter Strümpfe lag. K. entschuldigte sich zerstreut, daß er so spät komme, aber Frau Grubach war sehr freundlich und wollte keine Entschuldigung hören, für ihn sei sie immer zu sprechen, er wisse sehr gut, daß er ihr bester und liebster Mieter sei. K. sah sich im Zimmer um, es war wieder vollkommen in seinem alten Zustand, das Frühstücksgeschirr, das früh auf dem Tischchen beim Fenster gestanden hatte, war auch schon weggeräumt. Frauenhände bringen doch im Stillen viel fertig, dachte er, er hätte das Geschirr vielleicht auf der Stelle zerschlagen, aber gewiß nicht hinaustragen können. Er sah Frau Grubach mit einer gewissen Dankbarkeit an. "Warum arbeiten Sie noch so spät," fragte er. Sie saßen nun beide am Tisch und K. vergrub von Zeit zu Zeit seine Hand in die Strümpfe. "Es gibt viel Arbeit," sagte sie, "während des Tages gehöre ich den Mietern; wenn ich meine Sachen in Ordnung bringen will, bleiben mir nur die Abende." "Ich habe Ihnen heute wohl noch eine außergewöhnliche Arbeit gemacht." "Wieso denn," fragte sie, etwas eifriger

wollte, klopfte er gleich an ihre Türe an. Sie saß mit einem Strickstrumpf am Tisch, auf dem noch ein Haufen alter Strümpfe lag. K. entschuldigte sich zerstreut, daß er so spät komme, aber Frau Grubach war sehr freundlich und wollte keine Entschuldigung hören, für ihn sei sie immer zu sprechen, er wisse sehr gut, daß er ihr bester und liebster Mieter sei. K. sah sich im Zimmer um, es war wieder vollkommen in seinem alten Zustand, das Frühstücksgeschirr, das früh auf dem Tischchen beim Fenster gestanden hatte, war auch schon weggeräumt. Frauenhände bringen doch im Stillen viel fertig, dachte er, er hätte das Geschirr vielleicht auf der Stelle zerschlagen, aber gewiß nicht hinaustragen können. Er sah Frau Grubach mit einer gewissen Dankbarkeit an. „Warum arbeiten Sie noch so spät,“ fragte er. Sie saßen nun beide am Tisch und K. vergrub von Zeit zu Zeit seine Hand in die Strümpfe. „Es gibt viel Arbeit,“ sagte sie, „während des Tages gehöre ich den Mietern; wenn ich meine Sachen in Ordnung bringen will, bleiben mir nur die Abende.“ „Ich habe Ihnen heute wohl noch eine außergewöhnliche Arbeit gemacht.“ „Wieso denn,“ fragte sie, etwas eifriger

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[32/0034] wollte, klopfte er gleich an ihre Türe an. Sie saß mit einem Strickstrumpf am Tisch, auf dem noch ein Haufen alter Strümpfe lag. K. entschuldigte sich zerstreut, daß er so spät komme, aber Frau Grubach war sehr freundlich und wollte keine Entschuldigung hören, für ihn sei sie immer zu sprechen, er wisse sehr gut, daß er ihr bester und liebster Mieter sei. K. sah sich im Zimmer um, es war wieder vollkommen in seinem alten Zustand, das Frühstücksgeschirr, das früh auf dem Tischchen beim Fenster gestanden hatte, war auch schon weggeräumt. Frauenhände bringen doch im Stillen viel fertig, dachte er, er hätte das Geschirr vielleicht auf der Stelle zerschlagen, aber gewiß nicht hinaustragen können. Er sah Frau Grubach mit einer gewissen Dankbarkeit an. „Warum arbeiten Sie noch so spät,“ fragte er. Sie saßen nun beide am Tisch und K. vergrub von Zeit zu Zeit seine Hand in die Strümpfe. „Es gibt viel Arbeit,“ sagte sie, „während des Tages gehöre ich den Mietern; wenn ich meine Sachen in Ordnung bringen will, bleiben mir nur die Abende.“ „Ich habe Ihnen heute wohl noch eine außergewöhnliche Arbeit gemacht.“ „Wieso denn,“ fragte sie, etwas eifriger

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/34>, abgerufen am 20.04.2024.