Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.langsam vorwärtsgehe, wurde ihm entgegnet, es gehe gar nicht langsam vorwärts, wohl aber wäre man schon viel weiter, wenn K. sich rechtzeitig an den Advokaten gewendet hätte. Das hatte er aber leider versäumt und diese Versäumnis werde auch noch weitere Nachteile bringen, nicht nur zeitliche. Die einzige wohltätige Unterbrechung dieser Besuche war Leni, die es immer so einzurichten wußte, daß sie dem Advokaten in Anwesenheit K.s den Tee brachte. Dann stand sie hinter K., sah scheinbar zu, wie der Advokat mit einer Art Gier tief zur Tasse herabgebeugt den Tee eingoß und trank, und ließ im Geheimen ihre Hand von K. erfassen. Es herrschte völliges Schweigen. Der Advokat trank, K. drückte Lenis Hand und Leni wagte es manchmal K.s Haare sanft zu streicheln. "Du bist noch hier?" fragte der Advokat, nachdem er fertig war. "Ich wollte das Geschirr wegnehmen", sagte Leni, es gab noch einen letzten Händedruck, der Advokat wischte sich den Mund und begann mit neuer Kraft auf K. einzureden. War es Trost oder Verzweiflung, was der Advokat erreichen wollte? K. wußte es nicht, wohl langsam vorwärtsgehe, wurde ihm entgegnet, es gehe gar nicht langsam vorwärts, wohl aber wäre man schon viel weiter, wenn K. sich rechtzeitig an den Advokaten gewendet hätte. Das hatte er aber leider versäumt und diese Versäumnis werde auch noch weitere Nachteile bringen, nicht nur zeitliche. Die einzige wohltätige Unterbrechung dieser Besuche war Leni, die es immer so einzurichten wußte, daß sie dem Advokaten in Anwesenheit K.s den Tee brachte. Dann stand sie hinter K., sah scheinbar zu, wie der Advokat mit einer Art Gier tief zur Tasse herabgebeugt den Tee eingoß und trank, und ließ im Geheimen ihre Hand von K. erfassen. Es herrschte völliges Schweigen. Der Advokat trank, K. drückte Lenis Hand und Leni wagte es manchmal K.s Haare sanft zu streicheln. „Du bist noch hier?“ fragte der Advokat, nachdem er fertig war. „Ich wollte das Geschirr wegnehmen“, sagte Leni, es gab noch einen letzten Händedruck, der Advokat wischte sich den Mund und begann mit neuer Kraft auf K. einzureden. War es Trost oder Verzweiflung, was der Advokat erreichen wollte? K. wußte es nicht, wohl <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0217" n="215"/> langsam vorwärtsgehe, wurde ihm entgegnet, es gehe gar nicht langsam vorwärts, wohl aber wäre man schon viel weiter, wenn K. sich rechtzeitig an den Advokaten gewendet hätte. Das hatte er aber leider versäumt und diese Versäumnis werde auch noch weitere Nachteile bringen, nicht nur zeitliche.</p> <p>Die einzige wohltätige Unterbrechung dieser Besuche war Leni, die es immer so einzurichten wußte, daß sie dem Advokaten in Anwesenheit K.s den Tee brachte. Dann stand sie hinter K., sah scheinbar zu, wie der Advokat mit einer Art Gier tief zur Tasse herabgebeugt den Tee eingoß und trank, und ließ im Geheimen ihre Hand von K. erfassen. Es herrschte völliges Schweigen. Der Advokat trank, K. drückte Lenis Hand und Leni wagte es manchmal K.s Haare sanft zu streicheln. „Du bist noch hier?“ fragte der Advokat, nachdem er fertig war. „Ich wollte das Geschirr wegnehmen“, sagte Leni, es gab noch einen letzten Händedruck, der Advokat wischte sich den Mund und begann mit neuer Kraft auf K. einzureden.</p> <p>War es Trost oder Verzweiflung, was der Advokat erreichen wollte? K. wußte es nicht, wohl </p> </div> </body> </text> </TEI> [215/0217]
langsam vorwärtsgehe, wurde ihm entgegnet, es gehe gar nicht langsam vorwärts, wohl aber wäre man schon viel weiter, wenn K. sich rechtzeitig an den Advokaten gewendet hätte. Das hatte er aber leider versäumt und diese Versäumnis werde auch noch weitere Nachteile bringen, nicht nur zeitliche.
Die einzige wohltätige Unterbrechung dieser Besuche war Leni, die es immer so einzurichten wußte, daß sie dem Advokaten in Anwesenheit K.s den Tee brachte. Dann stand sie hinter K., sah scheinbar zu, wie der Advokat mit einer Art Gier tief zur Tasse herabgebeugt den Tee eingoß und trank, und ließ im Geheimen ihre Hand von K. erfassen. Es herrschte völliges Schweigen. Der Advokat trank, K. drückte Lenis Hand und Leni wagte es manchmal K.s Haare sanft zu streicheln. „Du bist noch hier?“ fragte der Advokat, nachdem er fertig war. „Ich wollte das Geschirr wegnehmen“, sagte Leni, es gab noch einen letzten Händedruck, der Advokat wischte sich den Mund und begann mit neuer Kraft auf K. einzureden.
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