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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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können, in große Verzweiflung geraten. Ihre Stellung sei auch sonst nicht leicht und man dürfe ihnen nicht Unrecht tun und ihre Stellung nicht für leicht ansehn. Die Rangordnung und die Steigerung des Gerichtes sei unendlich und selbst für den Eingeweihten nicht absehbar. Das Verfahren vor den Gerichtshöfen sei aber im allgemeinen auch für die untern Beamten geheim, sie können daher die Angelegenheiten, die sie bearbeiten, in ihrem fernern Weitergang kaum jemals vollständig verfolgen, die Gerichtssache erscheint also in ihrem Gesichtskreis, ohne daß sie oft wissen, woher sie kommt, und sie geht weiter, ohne daß sie erfahren, wohin. Die Belehrung also, die man aus dem Studium der einzelnen Prozeßstadien, der schließlichen Entscheidung und ihrer Gründe schöpfen kann, entgeht diesen Beamten. Sie dürfen sich nur mit jenem Teil des Prozesses befassen, der vom Gesetz für sie abgegrenzt ist und wissen von dem Weiteren, also von den Ergebnissen ihrer eigenen Arbeit meist weniger als die Verteidigung, die doch in der Regel fast bis zum Schluß des Prozesses mit dem Angeklagten in Verbindung bleibt. Auch in dieser Richtung also können sie von der

können, in große Verzweiflung geraten. Ihre Stellung sei auch sonst nicht leicht und man dürfe ihnen nicht Unrecht tun und ihre Stellung nicht für leicht ansehn. Die Rangordnung und die Steigerung des Gerichtes sei unendlich und selbst für den Eingeweihten nicht absehbar. Das Verfahren vor den Gerichtshöfen sei aber im allgemeinen auch für die untern Beamten geheim, sie können daher die Angelegenheiten, die sie bearbeiten, in ihrem fernern Weitergang kaum jemals vollständig verfolgen, die Gerichtssache erscheint also in ihrem Gesichtskreis, ohne daß sie oft wissen, woher sie kommt, und sie geht weiter, ohne daß sie erfahren, wohin. Die Belehrung also, die man aus dem Studium der einzelnen Prozeßstadien, der schließlichen Entscheidung und ihrer Gründe schöpfen kann, entgeht diesen Beamten. Sie dürfen sich nur mit jenem Teil des Prozesses befassen, der vom Gesetz für sie abgegrenzt ist und wissen von dem Weiteren, also von den Ergebnissen ihrer eigenen Arbeit meist weniger als die Verteidigung, die doch in der Regel fast bis zum Schluß des Prozesses mit dem Angeklagten in Verbindung bleibt. Auch in dieser Richtung also können sie von der

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[206/0208] können, in große Verzweiflung geraten. Ihre Stellung sei auch sonst nicht leicht und man dürfe ihnen nicht Unrecht tun und ihre Stellung nicht für leicht ansehn. Die Rangordnung und die Steigerung des Gerichtes sei unendlich und selbst für den Eingeweihten nicht absehbar. Das Verfahren vor den Gerichtshöfen sei aber im allgemeinen auch für die untern Beamten geheim, sie können daher die Angelegenheiten, die sie bearbeiten, in ihrem fernern Weitergang kaum jemals vollständig verfolgen, die Gerichtssache erscheint also in ihrem Gesichtskreis, ohne daß sie oft wissen, woher sie kommt, und sie geht weiter, ohne daß sie erfahren, wohin. Die Belehrung also, die man aus dem Studium der einzelnen Prozeßstadien, der schließlichen Entscheidung und ihrer Gründe schöpfen kann, entgeht diesen Beamten. Sie dürfen sich nur mit jenem Teil des Prozesses befassen, der vom Gesetz für sie abgegrenzt ist und wissen von dem Weiteren, also von den Ergebnissen ihrer eigenen Arbeit meist weniger als die Verteidigung, die doch in der Regel fast bis zum Schluß des Prozesses mit dem Angeklagten in Verbindung bleibt. Auch in dieser Richtung also können sie von der

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/208>, abgerufen am 19.04.2024.