Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.sagte der Onkel. "Mit wem sollte ich denn verkehren, wenn nicht mit Leuten meines Faches?" fügte der Advokat hinzu. Es klang so unwiderleglich, daß K. gar nicht antwortete. "Sie arbeiten doch bei dem Gericht im Justizpalast, und nicht bei dem auf dem Dachboden," hatte er sagen wollen, konnte sich aber nicht überwinden, es wirklich zu sagen. "Sie müssen doch bedenken," fuhr der Advokat fort, in einem Tone, als erkläre er etwas Selbstverständliches überflüssigerweise und nebenbei, "Sie müssen doch bedenken, daß ich aus einem solchen Verkehr auch große Vorteile für meine Klientel ziehe, und zwar in vielfacher Hinsicht, man darf nicht einmal immer davon reden. Natürlich bin ich jetzt infolge meiner Krankheit ein wenig behindert, aber ich bekomme trotzdem Besuch von guten Freunden vom Gericht und erfahre doch einiges. Erfahre vielleicht mehr als manche, die in bester Gesundheit den ganzen Tag bei Gericht verbringen. So habe ich z. B. gerade jetzt einen lieben Besuch." Und er zeigte in eine dunkle Zimmerecke. "Wo denn?" fragte K. in der ersten Überraschung fast grob. Er sah unsicher herum; das Licht der kleinen sagte der Onkel. „Mit wem sollte ich denn verkehren, wenn nicht mit Leuten meines Faches?“ fügte der Advokat hinzu. Es klang so unwiderleglich, daß K. gar nicht antwortete. „Sie arbeiten doch bei dem Gericht im Justizpalast, und nicht bei dem auf dem Dachboden,“ hatte er sagen wollen, konnte sich aber nicht überwinden, es wirklich zu sagen. „Sie müssen doch bedenken,“ fuhr der Advokat fort, in einem Tone, als erkläre er etwas Selbstverständliches überflüssigerweise und nebenbei, „Sie müssen doch bedenken, daß ich aus einem solchen Verkehr auch große Vorteile für meine Klientel ziehe, und zwar in vielfacher Hinsicht, man darf nicht einmal immer davon reden. Natürlich bin ich jetzt infolge meiner Krankheit ein wenig behindert, aber ich bekomme trotzdem Besuch von guten Freunden vom Gericht und erfahre doch einiges. Erfahre vielleicht mehr als manche, die in bester Gesundheit den ganzen Tag bei Gericht verbringen. So habe ich z. B. gerade jetzt einen lieben Besuch.“ Und er zeigte in eine dunkle Zimmerecke. „Wo denn?“ fragte K. in der ersten Überraschung fast grob. Er sah unsicher herum; das Licht der kleinen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0181" n="179"/> sagte der Onkel. „Mit wem sollte ich denn verkehren, wenn nicht mit Leuten meines Faches?“ fügte der Advokat hinzu. Es klang so unwiderleglich, daß K. gar nicht antwortete. „Sie arbeiten doch bei dem Gericht im Justizpalast, und nicht bei dem auf dem Dachboden,“ hatte er sagen wollen, konnte sich aber nicht überwinden, es wirklich zu sagen. „Sie müssen doch bedenken,“ fuhr der Advokat fort, in einem Tone, als erkläre er etwas Selbstverständliches überflüssigerweise und nebenbei, „Sie müssen doch bedenken, daß ich aus einem solchen Verkehr auch große Vorteile für meine Klientel ziehe, und zwar in vielfacher Hinsicht, man darf nicht einmal immer davon reden. Natürlich bin ich jetzt infolge meiner Krankheit ein wenig behindert, aber ich bekomme trotzdem Besuch von guten Freunden vom Gericht und erfahre doch einiges. Erfahre vielleicht mehr als manche, die in bester Gesundheit den ganzen Tag bei Gericht verbringen. So habe ich z. B. gerade jetzt einen lieben Besuch.“ Und er zeigte in eine dunkle Zimmerecke. „Wo denn?“ fragte K. in der ersten Überraschung fast grob. Er sah unsicher herum; das Licht der kleinen </p> </div> </body> </text> </TEI> [179/0181]
sagte der Onkel. „Mit wem sollte ich denn verkehren, wenn nicht mit Leuten meines Faches?“ fügte der Advokat hinzu. Es klang so unwiderleglich, daß K. gar nicht antwortete. „Sie arbeiten doch bei dem Gericht im Justizpalast, und nicht bei dem auf dem Dachboden,“ hatte er sagen wollen, konnte sich aber nicht überwinden, es wirklich zu sagen. „Sie müssen doch bedenken,“ fuhr der Advokat fort, in einem Tone, als erkläre er etwas Selbstverständliches überflüssigerweise und nebenbei, „Sie müssen doch bedenken, daß ich aus einem solchen Verkehr auch große Vorteile für meine Klientel ziehe, und zwar in vielfacher Hinsicht, man darf nicht einmal immer davon reden. Natürlich bin ich jetzt infolge meiner Krankheit ein wenig behindert, aber ich bekomme trotzdem Besuch von guten Freunden vom Gericht und erfahre doch einiges. Erfahre vielleicht mehr als manche, die in bester Gesundheit den ganzen Tag bei Gericht verbringen. So habe ich z. B. gerade jetzt einen lieben Besuch.“ Und er zeigte in eine dunkle Zimmerecke. „Wo denn?“ fragte K. in der ersten Überraschung fast grob. Er sah unsicher herum; das Licht der kleinen
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