Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm Mut zu machen, das letztere nur aus Vorsicht für den unwahrscheinlichen Fall, daß es nötig sein sollte.

Da erschreckte ihn ein Zuruf aus dem Nebenzimmer derartig, daß er mit den Zähnen ans Glas schlug. "Der Aufseher ruft Sie," hieß es. Es war nur das Schreien, das ihn erschreckte, dieses kurze abgehackte militärische Schreien, das er dem Wächter Franz gar nicht zugetraut hätte. Der Befehl selbst war ihm sehr willkommen, "endlich", rief er zurück, versperrte den Wandschrank und eilte sofort ins Nebenzimmer. Dort standen die zwei Wächter und jagten ihn, als wäre das selbstverständlich, wieder in sein Zimmer zurück. "Was fällt Euch ein?" riefen sie, "im Hemd wollt Ihr vor den Aufseher? Er läßt Euch durchprügeln und uns mit." "Laßt mich, zum Teufel," rief K., der schon bis zu seinem Kleiderkasten zurückgedrängt war, "wenn man mich im Bett überfällt, kann man nicht erwarten, mich im Festanzug zu finden." "Es hilft nichts," sagten die Wächter, die immer, wenn K. schrie, ganz ruhig, ja fast traurig wurden und ihn dadurch verwirrten oder gewissermaßen zur Besinnung brachten. "Lächerliche Zeremonien!"

ihm Mut zu machen, das letztere nur aus Vorsicht für den unwahrscheinlichen Fall, daß es nötig sein sollte.

Da erschreckte ihn ein Zuruf aus dem Nebenzimmer derartig, daß er mit den Zähnen ans Glas schlug. „Der Aufseher ruft Sie,“ hieß es. Es war nur das Schreien, das ihn erschreckte, dieses kurze abgehackte militärische Schreien, das er dem Wächter Franz gar nicht zugetraut hätte. Der Befehl selbst war ihm sehr willkommen, „endlich“, rief er zurück, versperrte den Wandschrank und eilte sofort ins Nebenzimmer. Dort standen die zwei Wächter und jagten ihn, als wäre das selbstverständlich, wieder in sein Zimmer zurück. „Was fällt Euch ein?“ riefen sie, „im Hemd wollt Ihr vor den Aufseher? Er läßt Euch durchprügeln und uns mit.“ „Laßt mich, zum Teufel,“ rief K., der schon bis zu seinem Kleiderkasten zurückgedrängt war, „wenn man mich im Bett überfällt, kann man nicht erwarten, mich im Festanzug zu finden.“ „Es hilft nichts,“ sagten die Wächter, die immer, wenn K. schrie, ganz ruhig, ja fast traurig wurden und ihn dadurch verwirrten oder gewissermaßen zur Besinnung brachten. „Lächerliche Zeremonien!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0017" n="15"/>
ihm Mut zu machen, das letztere nur aus Vorsicht für den unwahrscheinlichen Fall, daß es nötig sein sollte.</p>
        <p>Da erschreckte ihn ein Zuruf aus dem Nebenzimmer derartig, daß er mit den Zähnen ans Glas schlug. &#x201E;Der Aufseher ruft Sie,&#x201C; hieß es. Es war nur das Schreien, das ihn erschreckte, dieses kurze abgehackte militärische Schreien, das er dem Wächter Franz gar nicht zugetraut hätte. Der Befehl selbst war ihm sehr willkommen, &#x201E;endlich&#x201C;, rief er zurück, versperrte den Wandschrank und eilte sofort ins Nebenzimmer. Dort standen die zwei Wächter und jagten ihn, als wäre das selbstverständlich, wieder in sein Zimmer zurück. &#x201E;Was fällt Euch ein?&#x201C; riefen sie, &#x201E;im Hemd wollt Ihr vor den Aufseher? Er läßt Euch durchprügeln und uns mit.&#x201C; &#x201E;Laßt mich, zum Teufel,&#x201C; rief K., der schon bis zu seinem Kleiderkasten zurückgedrängt war, &#x201E;wenn man mich im Bett überfällt, kann man nicht erwarten, mich im Festanzug zu finden.&#x201C; &#x201E;Es hilft nichts,&#x201C; sagten die Wächter, die immer, wenn K. schrie, ganz ruhig, ja fast traurig wurden und ihn dadurch verwirrten oder gewissermaßen zur Besinnung brachten. &#x201E;Lächerliche Zeremonien!&#x201C;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0017] ihm Mut zu machen, das letztere nur aus Vorsicht für den unwahrscheinlichen Fall, daß es nötig sein sollte. Da erschreckte ihn ein Zuruf aus dem Nebenzimmer derartig, daß er mit den Zähnen ans Glas schlug. „Der Aufseher ruft Sie,“ hieß es. Es war nur das Schreien, das ihn erschreckte, dieses kurze abgehackte militärische Schreien, das er dem Wächter Franz gar nicht zugetraut hätte. Der Befehl selbst war ihm sehr willkommen, „endlich“, rief er zurück, versperrte den Wandschrank und eilte sofort ins Nebenzimmer. Dort standen die zwei Wächter und jagten ihn, als wäre das selbstverständlich, wieder in sein Zimmer zurück. „Was fällt Euch ein?“ riefen sie, „im Hemd wollt Ihr vor den Aufseher? Er läßt Euch durchprügeln und uns mit.“ „Laßt mich, zum Teufel,“ rief K., der schon bis zu seinem Kleiderkasten zurückgedrängt war, „wenn man mich im Bett überfällt, kann man nicht erwarten, mich im Festanzug zu finden.“ „Es hilft nichts,“ sagten die Wächter, die immer, wenn K. schrie, ganz ruhig, ja fast traurig wurden und ihn dadurch verwirrten oder gewissermaßen zur Besinnung brachten. „Lächerliche Zeremonien!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-28T19:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-28T19:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Trennungen am Zeilen- und am Seitenende werden aufgelöst, der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/17
Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/17>, abgerufen am 22.11.2024.