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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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sich nicht wieder öffnete, und wurde erst durch einen Anruf der Wächter aufgeschreckt, die bei dem Tischchen am offenen Fenster saßen und, wie K. jetzt erkannte, sein Frühstück verzehrten. "Warum ist sie nicht eingetreten?" fragte er. "Sie darf nicht," sagte der große Wächter. "Sie sind doch verhaftet." "Wie kann ich denn verhaftet sein? Und gar auf diese Weise?" "Nun fangen Sie also wieder an," sagte der Wächter und tauchte ein Butterbrot ins Honigfäßchen. "Solche Fragen beantworten wir nicht." "Sie werden sie beantworten müssen," sagte K. "Hier sind meine Legitimationspapiere, zeigen Sie mir jetzt die Ihrigen und vor allem den Verhaftbefehl." "Du lieber Himmel!" sagte der Wächter, "daß Sie sich in Ihre Lage nicht fügen können und daß Sie es darauf angelegt zu haben scheinen, uns, die wir Ihnen jetzt wahrscheinlich von allen Ihren Mitmenschen am nächsten stehn, nutzlos zu reizen." "Es ist so, glauben Sie es doch," sagte Franz, führte die Kaffeetasse, die er in der Hand hielt, nicht zum Mund, sondern sah K. mit einem langen, wahrscheinlich bedeutungsvollen, aber unverständlichen Blick an. K. ließ sich, ohne es zu wollen, in ein Zwiegespräch

sich nicht wieder öffnete, und wurde erst durch einen Anruf der Wächter aufgeschreckt, die bei dem Tischchen am offenen Fenster saßen und, wie K. jetzt erkannte, sein Frühstück verzehrten. „Warum ist sie nicht eingetreten?“ fragte er. „Sie darf nicht,“ sagte der große Wächter. „Sie sind doch verhaftet.“ „Wie kann ich denn verhaftet sein? Und gar auf diese Weise?“ „Nun fangen Sie also wieder an,“ sagte der Wächter und tauchte ein Butterbrot ins Honigfäßchen. „Solche Fragen beantworten wir nicht.“ „Sie werden sie beantworten müssen,“ sagte K. „Hier sind meine Legitimationspapiere, zeigen Sie mir jetzt die Ihrigen und vor allem den Verhaftbefehl.“ „Du lieber Himmel!“ sagte der Wächter, „daß Sie sich in Ihre Lage nicht fügen können und daß Sie es darauf angelegt zu haben scheinen, uns, die wir Ihnen jetzt wahrscheinlich von allen Ihren Mitmenschen am nächsten stehn, nutzlos zu reizen.“ „Es ist so, glauben Sie es doch,“ sagte Franz, führte die Kaffeetasse, die er in der Hand hielt, nicht zum Mund, sondern sah K. mit einem langen, wahrscheinlich bedeutungsvollen, aber unverständlichen Blick an. K. ließ sich, ohne es zu wollen, in ein Zwiegespräch

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[9/0011] sich nicht wieder öffnete, und wurde erst durch einen Anruf der Wächter aufgeschreckt, die bei dem Tischchen am offenen Fenster saßen und, wie K. jetzt erkannte, sein Frühstück verzehrten. „Warum ist sie nicht eingetreten?“ fragte er. „Sie darf nicht,“ sagte der große Wächter. „Sie sind doch verhaftet.“ „Wie kann ich denn verhaftet sein? Und gar auf diese Weise?“ „Nun fangen Sie also wieder an,“ sagte der Wächter und tauchte ein Butterbrot ins Honigfäßchen. „Solche Fragen beantworten wir nicht.“ „Sie werden sie beantworten müssen,“ sagte K. „Hier sind meine Legitimationspapiere, zeigen Sie mir jetzt die Ihrigen und vor allem den Verhaftbefehl.“ „Du lieber Himmel!“ sagte der Wächter, „daß Sie sich in Ihre Lage nicht fügen können und daß Sie es darauf angelegt zu haben scheinen, uns, die wir Ihnen jetzt wahrscheinlich von allen Ihren Mitmenschen am nächsten stehn, nutzlos zu reizen.“ „Es ist so, glauben Sie es doch,“ sagte Franz, führte die Kaffeetasse, die er in der Hand hielt, nicht zum Mund, sondern sah K. mit einem langen, wahrscheinlich bedeutungsvollen, aber unverständlichen Blick an. K. ließ sich, ohne es zu wollen, in ein Zwiegespräch

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/11>, abgerufen am 29.03.2024.