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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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ist er festgedrückt, die Arme gestreckt, die Finger gespreizt, die krummen Beine zum Kreis gedreht, und ringsherum Blutspritzer. Bisher war es aber nur Traum." "Eine andere Hilfe gibt es nicht?" fragte K. lächelnd. "Ich wüßte keine," sagte der Gerichtsdiener. "Und jetzt wird es ja noch ärger, bisher hat er sie nur zu sich getragen, jetzt trägt er sie, was ich allerdings längst erwartet habe, auch zum Untersuchungsrichter." "Hat denn Ihre Frau gar keine Schuld dabei," fragte K., er mußte sich bei dieser Frage bezwingen, so sehr fühlte auch er jetzt die Eifersucht. "Aber gewiß," sagte der Gerichtsdiener, "sie hat sogar die größte Schuld. Sie hat sich ja an ihn gehängt. Was ihn betrifft, er läuft allen Weibern nach. In diesem Hause allein ist er schon aus fünf Wohnungen, in die er sich eingeschlichen hat, hinausgeworfen worden. Meine Frau ist allerdings die schönste im ganzen Haus, und gerade ich darf mich nicht wehren." "Wenn es sich so verhält, dann gibt es allerdings keine Hilfe," sagte K. "Warum denn nicht," fragte der Gerichtsdiener. "Man müßte den Studenten, der ein Feigling ist, einmal, wenn er meine Frau anrühren will, so durchprügeln, daß er es niemals

ist er festgedrückt, die Arme gestreckt, die Finger gespreizt, die krummen Beine zum Kreis gedreht, und ringsherum Blutspritzer. Bisher war es aber nur Traum.“ „Eine andere Hilfe gibt es nicht?“ fragte K. lächelnd. „Ich wüßte keine,“ sagte der Gerichtsdiener. „Und jetzt wird es ja noch ärger, bisher hat er sie nur zu sich getragen, jetzt trägt er sie, was ich allerdings längst erwartet habe, auch zum Untersuchungsrichter.“ „Hat denn Ihre Frau gar keine Schuld dabei,“ fragte K., er mußte sich bei dieser Frage bezwingen, so sehr fühlte auch er jetzt die Eifersucht. „Aber gewiß,“ sagte der Gerichtsdiener, „sie hat sogar die größte Schuld. Sie hat sich ja an ihn gehängt. Was ihn betrifft, er läuft allen Weibern nach. In diesem Hause allein ist er schon aus fünf Wohnungen, in die er sich eingeschlichen hat, hinausgeworfen worden. Meine Frau ist allerdings die schönste im ganzen Haus, und gerade ich darf mich nicht wehren.“ „Wenn es sich so verhält, dann gibt es allerdings keine Hilfe,“ sagte K. „Warum denn nicht,“ fragte der Gerichtsdiener. „Man müßte den Studenten, der ein Feigling ist, einmal, wenn er meine Frau anrühren will, so durchprügeln, daß er es niemals

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[106/0108] ist er festgedrückt, die Arme gestreckt, die Finger gespreizt, die krummen Beine zum Kreis gedreht, und ringsherum Blutspritzer. Bisher war es aber nur Traum.“ „Eine andere Hilfe gibt es nicht?“ fragte K. lächelnd. „Ich wüßte keine,“ sagte der Gerichtsdiener. „Und jetzt wird es ja noch ärger, bisher hat er sie nur zu sich getragen, jetzt trägt er sie, was ich allerdings längst erwartet habe, auch zum Untersuchungsrichter.“ „Hat denn Ihre Frau gar keine Schuld dabei,“ fragte K., er mußte sich bei dieser Frage bezwingen, so sehr fühlte auch er jetzt die Eifersucht. „Aber gewiß,“ sagte der Gerichtsdiener, „sie hat sogar die größte Schuld. Sie hat sich ja an ihn gehängt. Was ihn betrifft, er läuft allen Weibern nach. In diesem Hause allein ist er schon aus fünf Wohnungen, in die er sich eingeschlichen hat, hinausgeworfen worden. Meine Frau ist allerdings die schönste im ganzen Haus, und gerade ich darf mich nicht wehren.“ „Wenn es sich so verhält, dann gibt es allerdings keine Hilfe,“ sagte K. „Warum denn nicht,“ fragte der Gerichtsdiener. „Man müßte den Studenten, der ein Feigling ist, einmal, wenn er meine Frau anrühren will, so durchprügeln, daß er es niemals

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/108>, abgerufen am 16.04.2024.