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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Viert. Kap. Von den Tempeln und der Geistlichkeit dieser Stadt.
Dai Mjosin d. i. der große heilige Symios. Vor jeden derselben wird eine Mikos
d. i. eine große Monstranz oder wohlausgezierte Tragkammer gehalten. Auch habe ich
hier noch eine besondere Zelle gefunden, die zu Ehren des Götzen und Herrn der tausend
Beine
ausgerichtet, und mit Figuren seiner Unterthanen allenthalben behangen war.

Diesem Götzen Suwa sind hier verschiedne heilige Tempeltage gewidmet, unter
denen der vornehmste von den fünf Hauptfesten derjenige ist, welcher den Namen Kunitz
oder Kujuatz Kokonoka führt. Es ist der neunte Tag des neunten Monats, und
der Geburtstag dieses Gottes, welcher durch das ganze Reich mit einem algemeinen Feste,
besonders aber in Nangasacki, weil er Patron dieser Stadt ist, gefeiert wird mit einem an-
sehnlichen Matsuri. Um den Pomp zu vermehren, wird auch schon der siebte Tag zu
diesem Fest gezogen, und auch an diesem die Matsuri gehalten. Am achten suchen reiche
oder andächtige Personen diesen Geist an seinem Tempel mit einer angenehmen Musik zu
vergnügen, die durch Knaben auf Trommeln und Glocken gemacht wird, auf eben die Art,
wie man ihren höchsten Cami und algemeinen Reichspatron Tensjo Daisin versöhnte, als
er sich aus Verdrus in einem Felsen verborgen hatte. Auch der zwölfte Tag dieses Ge-
burtsmonats wird gefeiert, in welchem hier nur allein Comödien gespielt werden.

Die Personen, welche zum Dienst der Suwa Tempel bestimt sind, heißen Nege,
zuweilen nent man sie auch, aber mit Unrecht, Kuge; da dieser Titel nur dem heiligen Hof
des geistlichen Erbkaisers gebührt. Sie sind, wie alle andre Sinsja d. i. Diener der
Tempel der Sin, nicht eigentlich geistliche, sondern weltliche und verheirathete Personen,
ob sie gleich einen vorzüglichen Rang und besondre Ehrfurcht vor allen andern Ständen ver-
langen. Sie leben mit ihren Familien in Häusern am Abhang des Bergs, die blos für
sie gebauet sind. Jhre Art zu leben, so wie auch ihre gewöhnliche Kleidung, sind gar
nicht von der, anderer Menschen unterschieden, außer nur, daß sie ihren Kopf nicht scheeren,
und die Haare hinten gebunden haben. Zur Zeit, wenn sie die Tempel bedienen, kleiden
sie sich in ein geistlich Gewand, und zieren besonders ihr Haupt auf verschiedne Art nach
Unterschied ihres Standes. Jhren Unterhalt ziehn sie aus den Opfern, die ihnen von den
Einwohnern bei ihrem Aufzug zur Matsuri, auch bei Besuchung der Tempel und Feste zuge-
worfen werden. Sie pflegen besonders an dem erwähnten achten oder Zwischentage
in dem Matsuri-Feste von Privatpersonen viele Geschenke zu erhalten, die dann bitten, da-
für ein Ständchen zur Ehre ihres Götzen aufspielen zu lassen. Zwei Personen aus dem
Stande der Ottonas haben die beständige Aufsicht und Direktion über diese Priester; aus
jedem Theile der Stadt wird einer genommen, und sie bekommen aus der Stadtcasse ihre
Besoldung. Zwei andre Ottonas sind ihnen als Gehülfen zugeselt, welche aber keine Be-
soldung erhalten. Diese besorgen alles, was zum Unterhalt und Bau des Tempeldistrikts,

der
F 2

Viert. Kap. Von den Tempeln und der Geiſtlichkeit dieſer Stadt.
Dai Mjoſin d. i. der große heilige Symios. Vor jeden derſelben wird eine Mikos
d. i. eine große Monſtranz oder wohlausgezierte Tragkammer gehalten. Auch habe ich
hier noch eine beſondere Zelle gefunden, die zu Ehren des Goͤtzen und Herrn der tauſend
Beine
ausgerichtet, und mit Figuren ſeiner Unterthanen allenthalben behangen war.

Dieſem Goͤtzen Suwa ſind hier verſchiedne heilige Tempeltage gewidmet, unter
denen der vornehmſte von den fuͤnf Hauptfeſten derjenige iſt, welcher den Namen Kunitz
oder Kujuatz Kokonoka fuͤhrt. Es iſt der neunte Tag des neunten Monats, und
der Geburtstag dieſes Gottes, welcher durch das ganze Reich mit einem algemeinen Feſte,
beſonders aber in Nangaſacki, weil er Patron dieſer Stadt iſt, gefeiert wird mit einem an-
ſehnlichen Matſuri. Um den Pomp zu vermehren, wird auch ſchon der ſiebte Tag zu
dieſem Feſt gezogen, und auch an dieſem die Matſuri gehalten. Am achten ſuchen reiche
oder andaͤchtige Perſonen dieſen Geiſt an ſeinem Tempel mit einer angenehmen Muſik zu
vergnuͤgen, die durch Knaben auf Trommeln und Glocken gemacht wird, auf eben die Art,
wie man ihren hoͤchſten Cami und algemeinen Reichspatron Tenſjo Daiſin verſoͤhnte, als
er ſich aus Verdrus in einem Felſen verborgen hatte. Auch der zwoͤlfte Tag dieſes Ge-
burtsmonats wird gefeiert, in welchem hier nur allein Comoͤdien geſpielt werden.

Die Perſonen, welche zum Dienſt der Suwa Tempel beſtimt ſind, heißen Nege,
zuweilen nent man ſie auch, aber mit Unrecht, Kuge; da dieſer Titel nur dem heiligen Hof
des geiſtlichen Erbkaiſers gebuͤhrt. Sie ſind, wie alle andre Sinsja d. i. Diener der
Tempel der Sin, nicht eigentlich geiſtliche, ſondern weltliche und verheirathete Perſonen,
ob ſie gleich einen vorzuͤglichen Rang und beſondre Ehrfurcht vor allen andern Staͤnden ver-
langen. Sie leben mit ihren Familien in Haͤuſern am Abhang des Bergs, die blos fuͤr
ſie gebauet ſind. Jhre Art zu leben, ſo wie auch ihre gewoͤhnliche Kleidung, ſind gar
nicht von der, anderer Menſchen unterſchieden, außer nur, daß ſie ihren Kopf nicht ſcheeren,
und die Haare hinten gebunden haben. Zur Zeit, wenn ſie die Tempel bedienen, kleiden
ſie ſich in ein geiſtlich Gewand, und zieren beſonders ihr Haupt auf verſchiedne Art nach
Unterſchied ihres Standes. Jhren Unterhalt ziehn ſie aus den Opfern, die ihnen von den
Einwohnern bei ihrem Aufzug zur Matſuri, auch bei Beſuchung der Tempel und Feſte zuge-
worfen werden. Sie pflegen beſonders an dem erwaͤhnten achten oder Zwiſchentage
in dem Matſuri-Feſte von Privatperſonen viele Geſchenke zu erhalten, die dann bitten, da-
fuͤr ein Staͤndchen zur Ehre ihres Goͤtzen aufſpielen zu laſſen. Zwei Perſonen aus dem
Stande der Ottonas haben die beſtaͤndige Aufſicht und Direktion uͤber dieſe Prieſter; aus
jedem Theile der Stadt wird einer genommen, und ſie bekommen aus der Stadtcaſſe ihre
Beſoldung. Zwei andre Ottonas ſind ihnen als Gehuͤlfen zugeſelt, welche aber keine Be-
ſoldung erhalten. Dieſe beſorgen alles, was zum Unterhalt und Bau des Tempeldiſtrikts,

der
F 2
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[43/0057] Viert. Kap. Von den Tempeln und der Geiſtlichkeit dieſer Stadt. Dai Mjoſin d. i. der große heilige Symios. Vor jeden derſelben wird eine Mikos d. i. eine große Monſtranz oder wohlausgezierte Tragkammer gehalten. Auch habe ich hier noch eine beſondere Zelle gefunden, die zu Ehren des Goͤtzen und Herrn der tauſend Beine ausgerichtet, und mit Figuren ſeiner Unterthanen allenthalben behangen war. Dieſem Goͤtzen Suwa ſind hier verſchiedne heilige Tempeltage gewidmet, unter denen der vornehmſte von den fuͤnf Hauptfeſten derjenige iſt, welcher den Namen Kunitz oder Kujuatz Kokonoka fuͤhrt. Es iſt der neunte Tag des neunten Monats, und der Geburtstag dieſes Gottes, welcher durch das ganze Reich mit einem algemeinen Feſte, beſonders aber in Nangaſacki, weil er Patron dieſer Stadt iſt, gefeiert wird mit einem an- ſehnlichen Matſuri. Um den Pomp zu vermehren, wird auch ſchon der ſiebte Tag zu dieſem Feſt gezogen, und auch an dieſem die Matſuri gehalten. Am achten ſuchen reiche oder andaͤchtige Perſonen dieſen Geiſt an ſeinem Tempel mit einer angenehmen Muſik zu vergnuͤgen, die durch Knaben auf Trommeln und Glocken gemacht wird, auf eben die Art, wie man ihren hoͤchſten Cami und algemeinen Reichspatron Tenſjo Daiſin verſoͤhnte, als er ſich aus Verdrus in einem Felſen verborgen hatte. Auch der zwoͤlfte Tag dieſes Ge- burtsmonats wird gefeiert, in welchem hier nur allein Comoͤdien geſpielt werden. Die Perſonen, welche zum Dienſt der Suwa Tempel beſtimt ſind, heißen Nege, zuweilen nent man ſie auch, aber mit Unrecht, Kuge; da dieſer Titel nur dem heiligen Hof des geiſtlichen Erbkaiſers gebuͤhrt. Sie ſind, wie alle andre Sinsja d. i. Diener der Tempel der Sin, nicht eigentlich geiſtliche, ſondern weltliche und verheirathete Perſonen, ob ſie gleich einen vorzuͤglichen Rang und beſondre Ehrfurcht vor allen andern Staͤnden ver- langen. Sie leben mit ihren Familien in Haͤuſern am Abhang des Bergs, die blos fuͤr ſie gebauet ſind. Jhre Art zu leben, ſo wie auch ihre gewoͤhnliche Kleidung, ſind gar nicht von der, anderer Menſchen unterſchieden, außer nur, daß ſie ihren Kopf nicht ſcheeren, und die Haare hinten gebunden haben. Zur Zeit, wenn ſie die Tempel bedienen, kleiden ſie ſich in ein geiſtlich Gewand, und zieren beſonders ihr Haupt auf verſchiedne Art nach Unterſchied ihres Standes. Jhren Unterhalt ziehn ſie aus den Opfern, die ihnen von den Einwohnern bei ihrem Aufzug zur Matſuri, auch bei Beſuchung der Tempel und Feſte zuge- worfen werden. Sie pflegen beſonders an dem erwaͤhnten achten oder Zwiſchentage in dem Matſuri-Feſte von Privatperſonen viele Geſchenke zu erhalten, die dann bitten, da- fuͤr ein Staͤndchen zur Ehre ihres Goͤtzen aufſpielen zu laſſen. Zwei Perſonen aus dem Stande der Ottonas haben die beſtaͤndige Aufſicht und Direktion uͤber dieſe Prieſter; aus jedem Theile der Stadt wird einer genommen, und ſie bekommen aus der Stadtcaſſe ihre Beſoldung. Zwei andre Ottonas ſind ihnen als Gehuͤlfen zugeſelt, welche aber keine Be- ſoldung erhalten. Dieſe beſorgen alles, was zum Unterhalt und Bau des Tempeldiſtrikts, der F 2

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/57>, abgerufen am 05.12.2024.