das bei den Sinesern und Japanern sehr häufig gebraucht wird.
§. 5.
Welche Orte des Körpers aber nun nach der verschiednen Beschaffenheit der Krank- heiten, und nachdem man sie entweder heilen oder verhüten wil, gebrant werden müssen, darüber sind die Lehrer dieser Feuerchirurgie sehr uneins. Die angeführten Gründe bestehen meistens in Aberglauben und Einbildung. Denn da jeder entweder auf seine eigne oder seines Lehrers Erfahrung bauet, und immer einer vor dem andern gewisse Theile angiebt, so ist fast keine Stelle am ganzen Körper, welche nicht (und zwar oft bei einerlei Zufällen) nach den verschiednen Meinungen gebrant werden müsten. Der gemeine Haufe pflegt aber gewöhnlich bei denjenigen Stellen zu bleiben, die einmal durch ein altes Herkommen gewis- sermaßen dazu eingeweiht, und auch in den gedrukten Tafeln angegeben sind. Noch mehr abergläubischer Wahn aber findet sich in der Auswahl der Zeit, da man es nach den Ge- stirnen für heilsam oder schädlich hält, gewisse Theile des Körpers zu brennen. Denn wenn es auch noch so heilsam wäre, in dieser oder jener Krankheit einen Theil des Körpers zu brennen, so wird dies doch allemal an solchen Tagen und Stunden verworfen, da, nach der Lehre dieses Weisen, sich ein unglüklicher Einflus der Gestirne zeigt. Die Meinungen hierüber sind wieder so verschieden, daß, wenn jemand ihnen allen folgen wolte, er nur sehr wenige Zeiten zum Brennen tauglich finden würde. Bei Auswählung der Orte ist die Hauptsache diejenigen zu finden, wo die Dünste am bequemsten abgelokt, oder die Materie der Krankheit vom leidenden Theile abgeleitet werden kan. Die Brenverständigen behaup- ten, daß ihnen diese Orte sowol aus der Tradition ihrer Vorfahren, als auch ihrer eignen Erfahrung, auf das genaueste bekant sind. Kein Theil des Körpers ist, nach meiner Be- merkung, mehr zum Brennen ausgewählt worden, als beide Seiten des Rükgrads bis zu den Lenden herab. Man solte glauben, daß der Rücken der Japaner und der andern be- nachbarten Völker unter Henkershänden gewesen sey, so vol ist derselbe bei Personen von bei- derlei Geschlecht von Narben und tiefen Merkmalen der Geschwüre. Dieser Anblik schadet aber doch, wie diese Nationen glauben, ihrer Schönheit gar nichts. Er wird sehr oft ganz öffentlich dargeboten, da die Japaner, wenn sie auch nur eine ganz leichte Arbeit vorneh- men, ihr Brustkleid ablegen, die Röcke herunterlassen und bei den Hüften zusammenbinden, um sie nicht mit Schweis zu verunreinigen, welches bei dieser Nation, die nichts von Hem- dern weis, sehr leicht zu geschehen pflegt.
§. 6.
Das Brennen selbst wird nun ohne eben sehr künstliche Handgriffe auf folgende Art vorgenommen. Eine sehr kleine Portion der Moxa wird mit den Vorderfingern in einen Kegel zusammengedreht, der ohngefähr einen Zol hoch zu seyn, und eine Basis von
etwas
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das bei den Sineſern und Japanern ſehr haͤufig gebraucht wird.
§. 5.
Welche Orte des Koͤrpers aber nun nach der verſchiednen Beſchaffenheit der Krank- heiten, und nachdem man ſie entweder heilen oder verhuͤten wil, gebrant werden muͤſſen, daruͤber ſind die Lehrer dieſer Feuerchirurgie ſehr uneins. Die angefuͤhrten Gruͤnde beſtehen meiſtens in Aberglauben und Einbildung. Denn da jeder entweder auf ſeine eigne oder ſeines Lehrers Erfahrung bauet, und immer einer vor dem andern gewiſſe Theile angiebt, ſo iſt faſt keine Stelle am ganzen Koͤrper, welche nicht (und zwar oft bei einerlei Zufaͤllen) nach den verſchiednen Meinungen gebrant werden muͤſten. Der gemeine Haufe pflegt aber gewoͤhnlich bei denjenigen Stellen zu bleiben, die einmal durch ein altes Herkommen gewiſ- ſermaßen dazu eingeweiht, und auch in den gedrukten Tafeln angegeben ſind. Noch mehr aberglaͤubiſcher Wahn aber findet ſich in der Auswahl der Zeit, da man es nach den Ge- ſtirnen fuͤr heilſam oder ſchaͤdlich haͤlt, gewiſſe Theile des Koͤrpers zu brennen. Denn wenn es auch noch ſo heilſam waͤre, in dieſer oder jener Krankheit einen Theil des Koͤrpers zu brennen, ſo wird dies doch allemal an ſolchen Tagen und Stunden verworfen, da, nach der Lehre dieſes Weiſen, ſich ein ungluͤklicher Einflus der Geſtirne zeigt. Die Meinungen hieruͤber ſind wieder ſo verſchieden, daß, wenn jemand ihnen allen folgen wolte, er nur ſehr wenige Zeiten zum Brennen tauglich finden wuͤrde. Bei Auswaͤhlung der Orte iſt die Hauptſache diejenigen zu finden, wo die Duͤnſte am bequemſten abgelokt, oder die Materie der Krankheit vom leidenden Theile abgeleitet werden kan. Die Brenverſtaͤndigen behaup- ten, daß ihnen dieſe Orte ſowol aus der Tradition ihrer Vorfahren, als auch ihrer eignen Erfahrung, auf das genaueſte bekant ſind. Kein Theil des Koͤrpers iſt, nach meiner Be- merkung, mehr zum Brennen ausgewaͤhlt worden, als beide Seiten des Ruͤkgrads bis zu den Lenden herab. Man ſolte glauben, daß der Ruͤcken der Japaner und der andern be- nachbarten Voͤlker unter Henkershaͤnden geweſen ſey, ſo vol iſt derſelbe bei Perſonen von bei- derlei Geſchlecht von Narben und tiefen Merkmalen der Geſchwuͤre. Dieſer Anblik ſchadet aber doch, wie dieſe Nationen glauben, ihrer Schoͤnheit gar nichts. Er wird ſehr oft ganz oͤffentlich dargeboten, da die Japaner, wenn ſie auch nur eine ganz leichte Arbeit vorneh- men, ihr Bruſtkleid ablegen, die Roͤcke herunterlaſſen und bei den Huͤften zuſammenbinden, um ſie nicht mit Schweis zu verunreinigen, welches bei dieſer Nation, die nichts von Hem- dern weis, ſehr leicht zu geſchehen pflegt.
§. 6.
Das Brennen ſelbſt wird nun ohne eben ſehr kuͤnſtliche Handgriffe auf folgende Art vorgenommen. Eine ſehr kleine Portion der Moxa wird mit den Vorderfingern in einen Kegel zuſammengedreht, der ohngefaͤhr einen Zol hoch zu ſeyn, und eine Baſis von
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§. 5.
Welche Orte des Koͤrpers aber nun nach der verſchiednen Beſchaffenheit der Krank-
heiten, und nachdem man ſie entweder heilen oder verhuͤten wil, gebrant werden muͤſſen,
daruͤber ſind die Lehrer dieſer Feuerchirurgie ſehr uneins. Die angefuͤhrten Gruͤnde beſtehen
meiſtens in Aberglauben und Einbildung. Denn da jeder entweder auf ſeine eigne oder
ſeines Lehrers Erfahrung bauet, und immer einer vor dem andern gewiſſe Theile angiebt,
ſo iſt faſt keine Stelle am ganzen Koͤrper, welche nicht (und zwar oft bei einerlei Zufaͤllen)
nach den verſchiednen Meinungen gebrant werden muͤſten. Der gemeine Haufe pflegt aber
gewoͤhnlich bei denjenigen Stellen zu bleiben, die einmal durch ein altes Herkommen gewiſ-
ſermaßen dazu eingeweiht, und auch in den gedrukten Tafeln angegeben ſind. Noch mehr
aberglaͤubiſcher Wahn aber findet ſich in der Auswahl der Zeit, da man es nach den Ge-
ſtirnen fuͤr heilſam oder ſchaͤdlich haͤlt, gewiſſe Theile des Koͤrpers zu brennen. Denn wenn
es auch noch ſo heilſam waͤre, in dieſer oder jener Krankheit einen Theil des Koͤrpers zu
brennen, ſo wird dies doch allemal an ſolchen Tagen und Stunden verworfen, da, nach
der Lehre dieſes Weiſen, ſich ein ungluͤklicher Einflus der Geſtirne zeigt. Die Meinungen
hieruͤber ſind wieder ſo verſchieden, daß, wenn jemand ihnen allen folgen wolte, er nur ſehr
wenige Zeiten zum Brennen tauglich finden wuͤrde. Bei Auswaͤhlung der Orte iſt die
Hauptſache diejenigen zu finden, wo die Duͤnſte am bequemſten abgelokt, oder die Materie
der Krankheit vom leidenden Theile abgeleitet werden kan. Die Brenverſtaͤndigen behaup-
ten, daß ihnen dieſe Orte ſowol aus der Tradition ihrer Vorfahren, als auch ihrer eignen
Erfahrung, auf das genaueſte bekant ſind. Kein Theil des Koͤrpers iſt, nach meiner Be-
merkung, mehr zum Brennen ausgewaͤhlt worden, als beide Seiten des Ruͤkgrads bis zu
den Lenden herab. Man ſolte glauben, daß der Ruͤcken der Japaner und der andern be-
nachbarten Voͤlker unter Henkershaͤnden geweſen ſey, ſo vol iſt derſelbe bei Perſonen von bei-
derlei Geſchlecht von Narben und tiefen Merkmalen der Geſchwuͤre. Dieſer Anblik ſchadet
aber doch, wie dieſe Nationen glauben, ihrer Schoͤnheit gar nichts. Er wird ſehr oft ganz
oͤffentlich dargeboten, da die Japaner, wenn ſie auch nur eine ganz leichte Arbeit vorneh-
men, ihr Bruſtkleid ablegen, die Roͤcke herunterlaſſen und bei den Huͤften zuſammenbinden,
um ſie nicht mit Schweis zu verunreinigen, welches bei dieſer Nation, die nichts von Hem-
dern weis, ſehr leicht zu geſchehen pflegt.
§. 6.
Das Brennen ſelbſt wird nun ohne eben ſehr kuͤnſtliche Handgriffe auf folgende
Art vorgenommen. Eine ſehr kleine Portion der Moxa wird mit den Vorderfingern in
einen Kegel zuſammengedreht, der ohngefaͤhr einen Zol hoch zu ſeyn, und eine Baſis von
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/493>, abgerufen am 21.11.2024.
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