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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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I. Ueber die Verfertigung des Papiers in Japan.
Stellung unter einander ist nicht gleich; die Blatstiele haarigt, länglichtrund, von der
Dicke eines Gerstenhalms, zwei Zol lang und dunkel purpurfärbig. Die Blätter sind
von verschiedner Gestalt und Größe, haben drei, zuweilen fünf Lappen, mit gekerbtem und
engem Rande, von verschiedner Tiefe und ungleich. Sie sind den Blättern der tauben
Nessel an Substanz, Figur und Größe gleich, eben, die dünnen unter den rauhern, die
obere Seite dunkel grün, die untere weißlich grün. Wenn sie abgebrochen sind, verdorren
sie bald, welches auch von allen andern Theilen des Baums gilt. Die dickern Nerven lau-
fen aus dem Grunde des Blats in die Spitzen, stehn auf der äußern Oberfläche sehr merk-
lich hervor, auf der untern aber sind sie sehr eingedrükt. Mit diesen laufen viele andre pa-
rallel, und von diesen wieder kleine Adern ab, die gegen den Rand zu in einander einbeu-
gen. Jm Junius und Julius kömt die Frucht aus den Achseln der Blätter bei den obern
Zweigen einzeln hervor. Sie sizt auf kurzen Stielen, ist rund, etwas größer als eine
Erbse, mit länglichen schwarz purpurnen Haaren besezt, besteht aus länglichten sehr kleinen
Beeren, hat im Anfang eine grasgrüne, nachher aber, wenn sie reif geworden, eine
schwarzrothe Farbe, und ist mit einem süßen Saft angefült. Ob vor der Frucht Blüthen
vorhergehn, habe ich nicht gesehn. Zum Gebrauch des Papiermachens wird der Baum
auf bergichtem Lande gebauet. Die Fortpflanzung geschieht durch Sezlinge, die einer El-
len lang sind, und im zehnten Monat in gehörigen Entfernungen in die Erde gepflanzt
werden. Diese fassen alsdenn sehr bald Wurzel, (da der Theil, welcher aus der Erde her-
vorsteht, verdort) bringen mit vieler Kraft mehrere Schöslinge hervor, die man im folgen-
den Jahr zum Papiermachen abschneidet, bis er die Länge von anderthalb Schuh und die
Dicke des Arms in der Mitte erhält. Der wilde Kaadsj wächst, obgleich nicht so häufig,
auf wüsten Bergen. Aber dieser liefert keinen so brauchbaren und gesuchten Stof zum
Papiere.

Kaadsj Kadsira, it. Kago Kadsira. Papyrus procumbens, lactescens,
folio longo lanceato, cortice chartaceo.

Diese Staude hat eine dicke, einfache, lange, weislich-saffrangelbe, biegsame,
harte Wurzel, mit einer fetten, weichen, fleischigten, süslichen Rinde, die mit ver-
schiednen biegsamen Fibern durchzogen ist. Sie kriecht und klettert mit langen, einfachen,
nakten, weit ausgebreiteten und biegsamen Aesten, welche viel Mark aber wenig Holz haben.
Von diesen erheben sich sehr dünne, einfache, kastanienbraune, von außen haarichte Zwei-
ge,
die an beiden Seiten Blätter haben, welche etwa einen Zol von einander aufrecht
stehn, und an einem kurzen, dünnen Stiel hängen. Die Figur der Blätter ist lanzenför-
mig, nemlich unten herzförmig, almählig verlängert, endigt sie sich endlich in eine längliche,
enge und scharfe Spitze. Die Größe ist ungleich und nicht genau bestimt. Die untern

Blätter

I. Ueber die Verfertigung des Papiers in Japan.
Stellung unter einander iſt nicht gleich; die Blatſtiele haarigt, laͤnglichtrund, von der
Dicke eines Gerſtenhalms, zwei Zol lang und dunkel purpurfaͤrbig. Die Blaͤtter ſind
von verſchiedner Geſtalt und Groͤße, haben drei, zuweilen fuͤnf Lappen, mit gekerbtem und
engem Rande, von verſchiedner Tiefe und ungleich. Sie ſind den Blaͤttern der tauben
Neſſel an Subſtanz, Figur und Groͤße gleich, eben, die duͤnnen unter den rauhern, die
obere Seite dunkel gruͤn, die untere weißlich gruͤn. Wenn ſie abgebrochen ſind, verdorren
ſie bald, welches auch von allen andern Theilen des Baums gilt. Die dickern Nerven lau-
fen aus dem Grunde des Blats in die Spitzen, ſtehn auf der aͤußern Oberflaͤche ſehr merk-
lich hervor, auf der untern aber ſind ſie ſehr eingedruͤkt. Mit dieſen laufen viele andre pa-
rallel, und von dieſen wieder kleine Adern ab, die gegen den Rand zu in einander einbeu-
gen. Jm Junius und Julius koͤmt die Frucht aus den Achſeln der Blaͤtter bei den obern
Zweigen einzeln hervor. Sie ſizt auf kurzen Stielen, iſt rund, etwas groͤßer als eine
Erbſe, mit laͤnglichen ſchwarz purpurnen Haaren beſezt, beſteht aus laͤnglichten ſehr kleinen
Beeren, hat im Anfang eine grasgruͤne, nachher aber, wenn ſie reif geworden, eine
ſchwarzrothe Farbe, und iſt mit einem ſuͤßen Saft angefuͤlt. Ob vor der Frucht Bluͤthen
vorhergehn, habe ich nicht geſehn. Zum Gebrauch des Papiermachens wird der Baum
auf bergichtem Lande gebauet. Die Fortpflanzung geſchieht durch Sezlinge, die einer El-
len lang ſind, und im zehnten Monat in gehoͤrigen Entfernungen in die Erde gepflanzt
werden. Dieſe faſſen alsdenn ſehr bald Wurzel, (da der Theil, welcher aus der Erde her-
vorſteht, verdort) bringen mit vieler Kraft mehrere Schoͤslinge hervor, die man im folgen-
den Jahr zum Papiermachen abſchneidet, bis er die Laͤnge von anderthalb Schuh und die
Dicke des Arms in der Mitte erhaͤlt. Der wilde Kaadſj waͤchſt, obgleich nicht ſo haͤufig,
auf wuͤſten Bergen. Aber dieſer liefert keinen ſo brauchbaren und geſuchten Stof zum
Papiere.

Kaadſj Kadſira, it. Kago Kadſira. Papyrus procumbens, lacteſcens,
folio longo lanceato, cortice chartaceo.

Dieſe Staude hat eine dicke, einfache, lange, weislich-ſaffrangelbe, biegſame,
harte Wurzel, mit einer fetten, weichen, fleiſchigten, ſuͤslichen Rinde, die mit ver-
ſchiednen biegſamen Fibern durchzogen iſt. Sie kriecht und klettert mit langen, einfachen,
nakten, weit ausgebreiteten und biegſamen Aeſten, welche viel Mark aber wenig Holz haben.
Von dieſen erheben ſich ſehr duͤnne, einfache, kaſtanienbraune, von außen haarichte Zwei-
ge,
die an beiden Seiten Blaͤtter haben, welche etwa einen Zol von einander aufrecht
ſtehn, und an einem kurzen, duͤnnen Stiel haͤngen. Die Figur der Blaͤtter iſt lanzenfoͤr-
mig, nemlich unten herzfoͤrmig, almaͤhlig verlaͤngert, endigt ſie ſich endlich in eine laͤngliche,
enge und ſcharfe Spitze. Die Groͤße iſt ungleich und nicht genau beſtimt. Die untern

Blaͤtter
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[391/0443] I. Ueber die Verfertigung des Papiers in Japan. Stellung unter einander iſt nicht gleich; die Blatſtiele haarigt, laͤnglichtrund, von der Dicke eines Gerſtenhalms, zwei Zol lang und dunkel purpurfaͤrbig. Die Blaͤtter ſind von verſchiedner Geſtalt und Groͤße, haben drei, zuweilen fuͤnf Lappen, mit gekerbtem und engem Rande, von verſchiedner Tiefe und ungleich. Sie ſind den Blaͤttern der tauben Neſſel an Subſtanz, Figur und Groͤße gleich, eben, die duͤnnen unter den rauhern, die obere Seite dunkel gruͤn, die untere weißlich gruͤn. Wenn ſie abgebrochen ſind, verdorren ſie bald, welches auch von allen andern Theilen des Baums gilt. Die dickern Nerven lau- fen aus dem Grunde des Blats in die Spitzen, ſtehn auf der aͤußern Oberflaͤche ſehr merk- lich hervor, auf der untern aber ſind ſie ſehr eingedruͤkt. Mit dieſen laufen viele andre pa- rallel, und von dieſen wieder kleine Adern ab, die gegen den Rand zu in einander einbeu- gen. Jm Junius und Julius koͤmt die Frucht aus den Achſeln der Blaͤtter bei den obern Zweigen einzeln hervor. Sie ſizt auf kurzen Stielen, iſt rund, etwas groͤßer als eine Erbſe, mit laͤnglichen ſchwarz purpurnen Haaren beſezt, beſteht aus laͤnglichten ſehr kleinen Beeren, hat im Anfang eine grasgruͤne, nachher aber, wenn ſie reif geworden, eine ſchwarzrothe Farbe, und iſt mit einem ſuͤßen Saft angefuͤlt. Ob vor der Frucht Bluͤthen vorhergehn, habe ich nicht geſehn. Zum Gebrauch des Papiermachens wird der Baum auf bergichtem Lande gebauet. Die Fortpflanzung geſchieht durch Sezlinge, die einer El- len lang ſind, und im zehnten Monat in gehoͤrigen Entfernungen in die Erde gepflanzt werden. Dieſe faſſen alsdenn ſehr bald Wurzel, (da der Theil, welcher aus der Erde her- vorſteht, verdort) bringen mit vieler Kraft mehrere Schoͤslinge hervor, die man im folgen- den Jahr zum Papiermachen abſchneidet, bis er die Laͤnge von anderthalb Schuh und die Dicke des Arms in der Mitte erhaͤlt. Der wilde Kaadſj waͤchſt, obgleich nicht ſo haͤufig, auf wuͤſten Bergen. Aber dieſer liefert keinen ſo brauchbaren und geſuchten Stof zum Papiere. Kaadſj Kadſira, it. Kago Kadſira. Papyrus procumbens, lacteſcens, folio longo lanceato, cortice chartaceo. Dieſe Staude hat eine dicke, einfache, lange, weislich-ſaffrangelbe, biegſame, harte Wurzel, mit einer fetten, weichen, fleiſchigten, ſuͤslichen Rinde, die mit ver- ſchiednen biegſamen Fibern durchzogen iſt. Sie kriecht und klettert mit langen, einfachen, nakten, weit ausgebreiteten und biegſamen Aeſten, welche viel Mark aber wenig Holz haben. Von dieſen erheben ſich ſehr duͤnne, einfache, kaſtanienbraune, von außen haarichte Zwei- ge, die an beiden Seiten Blaͤtter haben, welche etwa einen Zol von einander aufrecht ſtehn, und an einem kurzen, duͤnnen Stiel haͤngen. Die Figur der Blaͤtter iſt lanzenfoͤr- mig, nemlich unten herzfoͤrmig, almaͤhlig verlaͤngert, endigt ſie ſich endlich in eine laͤngliche, enge und ſcharfe Spitze. Die Groͤße iſt ungleich und nicht genau beſtimt. Die untern Blaͤtter

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/443>, abgerufen am 22.11.2024.