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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reise nach Hofe.
bis zu einem langen Vorgemach gleich bei dem Audienzsaal. Außer den Commissarien und
andern Vornehmen des Hofes, die umher spazierten, saßen alhier noch etwa 10 oder 12 Cavaliers.
Damit uns bei dem langen Warten das viele Sitzen nicht ermüden möchte, führte man uns
in einen andern Gang zurük, wo wir uns nach Gefallen die Zeit vertreiben könten, zu dem
Ende man uns auch die Aussicht in einem nahe gelegenen Garten öfnete. Während unsers
Aufenthalts hieselbst fanden sich viele junge Herrn von Stande ein, um uns zu sehen und
zu begrüßen, das auf die freundlichste Weise geschah: die Commissarien gaben uns zur
Besichtigung einen goldenen Ring, worin ein Magnet mit 12 Japanischen Jetto (oder mit
den 12 himlischen Zeichen) gefasset war: ein Europäisches Wapen u. d. gl. mehr. Eben
als wir im Begrif waren, ihnen auf Verlangen eine Erklärung von den Sachen zu ma-
chen, wurden wir zum Kaiser gerufen. Durch den Gang zur linken Hand, alwo 18 Kam-
merwächter mit ihren gewöhnlichen Kleidern über den Ehrenröcken angethan saßen, sodann
noch eine Reihe von 20 Hofkavaliers vorbei, erreichten wir den Kaiserlichen Audienzsaal.
Zur Linken saßen sechs Reichsräthe, zur Rechten in einem Gange einige geheime Kammer-
herren, diesen zur Rechten zwei Damen und der Kaiser hinter der Gittermatte, und davor
der oberste Reichsrath Bingo Sama; dieser hies uns im Namen des Kaisers wilkom-
men, aufrecht sitzen, die Mäntel ablegen, unsere Namen und Alter sagen, aufstehen und
hin und hergehen, drehen und wenden, tanzen, und mir besonders, ein Lied singen; uns
einander komplimentiren, bestrafen, erzürnen, zu Gaste nöthigen und ein Gespräch halten.
Dann musten wir Personen zweier vertrauten Freunde, als Vaters und Sohns, zweier
Abschied von einander nehmender, und ankommender oder sich begegnender Freunde, auch
den Abschied eines Mannes von seiner Frau vorstellen, nachäffen, wie man Kinder verzär-
telt und auf den Armen trägt: neben dem that man allerhand Fragen an uns, an mich
nämlich, was für eine Profession ich triebe, unter andern auch: ob ich wol schwere Krank-
heiten jemals kurirt hätte? worauf ich antwortete: in Nagasacki, wo wir den Gefangenen
gleich gehalten würden, nicht, wohl aber außerhalb Japan. So fragte man weiter nach
unsern Häusern, ob unsere Sitten verschieden wären? Antwort: ja; wie wir es mit un-
sern Begräbnissen hielten? Antwort: daß wir weiter keinen Tag, als den, wo die Leiche
zu Grabe getragen würde, begiengen. Was unser Prinz für einen Rang habe, ob der
Generalgouverneur auf Batavia geringer sey und unter ihm stünde, oder ob dieser allein
regiere? ob wir keine Gebäter und Götzen hätten, wie die Portugiesen? Antwort: nein;
ob es in Holland und andern Europäischen Landen auch Donner und Erdbeben gäbe, ob der
Donner Häuser anzünde und Menschen tödte? Wir musten unsere Antworten gleichsam
lesend geben: ich muste Namen von vielen Heilpflastern daher nennen, auch noch einmal
besonders darnach gemeinschaftlich tanzen, unterdessen der Capitain wegen seiner Kinder
und ihrer Namen, auch wie weit Holland von Nagasacki sey, gefragt wurde. Der Kaiser

lies
X x 2

Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe.
bis zu einem langen Vorgemach gleich bei dem Audienzſaal. Außer den Commiſſarien und
andern Vornehmen des Hofes, die umher ſpazierten, ſaßen alhier noch etwa 10 oder 12 Cavaliers.
Damit uns bei dem langen Warten das viele Sitzen nicht ermuͤden moͤchte, fuͤhrte man uns
in einen andern Gang zuruͤk, wo wir uns nach Gefallen die Zeit vertreiben koͤnten, zu dem
Ende man uns auch die Ausſicht in einem nahe gelegenen Garten oͤfnete. Waͤhrend unſers
Aufenthalts hieſelbſt fanden ſich viele junge Herrn von Stande ein, um uns zu ſehen und
zu begruͤßen, das auf die freundlichſte Weiſe geſchah: die Commiſſarien gaben uns zur
Beſichtigung einen goldenen Ring, worin ein Magnet mit 12 Japaniſchen Jetto (oder mit
den 12 himliſchen Zeichen) gefaſſet war: ein Europaͤiſches Wapen u. d. gl. mehr. Eben
als wir im Begrif waren, ihnen auf Verlangen eine Erklaͤrung von den Sachen zu ma-
chen, wurden wir zum Kaiſer gerufen. Durch den Gang zur linken Hand, alwo 18 Kam-
merwaͤchter mit ihren gewoͤhnlichen Kleidern uͤber den Ehrenroͤcken angethan ſaßen, ſodann
noch eine Reihe von 20 Hofkavaliers vorbei, erreichten wir den Kaiſerlichen Audienzſaal.
Zur Linken ſaßen ſechs Reichsraͤthe, zur Rechten in einem Gange einige geheime Kammer-
herren, dieſen zur Rechten zwei Damen und der Kaiſer hinter der Gittermatte, und davor
der oberſte Reichsrath Bingo Sama; dieſer hies uns im Namen des Kaiſers wilkom-
men, aufrecht ſitzen, die Maͤntel ablegen, unſere Namen und Alter ſagen, aufſtehen und
hin und hergehen, drehen und wenden, tanzen, und mir beſonders, ein Lied ſingen; uns
einander komplimentiren, beſtrafen, erzuͤrnen, zu Gaſte noͤthigen und ein Geſpraͤch halten.
Dann muſten wir Perſonen zweier vertrauten Freunde, als Vaters und Sohns, zweier
Abſchied von einander nehmender, und ankommender oder ſich begegnender Freunde, auch
den Abſchied eines Mannes von ſeiner Frau vorſtellen, nachaͤffen, wie man Kinder verzaͤr-
telt und auf den Armen traͤgt: neben dem that man allerhand Fragen an uns, an mich
naͤmlich, was fuͤr eine Profeſſion ich triebe, unter andern auch: ob ich wol ſchwere Krank-
heiten jemals kurirt haͤtte? worauf ich antwortete: in Nagaſacki, wo wir den Gefangenen
gleich gehalten wuͤrden, nicht, wohl aber außerhalb Japan. So fragte man weiter nach
unſern Haͤuſern, ob unſere Sitten verſchieden waͤren? Antwort: ja; wie wir es mit un-
ſern Begraͤbniſſen hielten? Antwort: daß wir weiter keinen Tag, als den, wo die Leiche
zu Grabe getragen wuͤrde, begiengen. Was unſer Prinz fuͤr einen Rang habe, ob der
Generalgouverneur auf Batavia geringer ſey und unter ihm ſtuͤnde, oder ob dieſer allein
regiere? ob wir keine Gebaͤter und Goͤtzen haͤtten, wie die Portugieſen? Antwort: nein;
ob es in Holland und andern Europaͤiſchen Landen auch Donner und Erdbeben gaͤbe, ob der
Donner Haͤuſer anzuͤnde und Menſchen toͤdte? Wir muſten unſere Antworten gleichſam
leſend geben: ich muſte Namen von vielen Heilpflaſtern daher nennen, auch noch einmal
beſonders darnach gemeinſchaftlich tanzen, unterdeſſen der Capitain wegen ſeiner Kinder
und ihrer Namen, auch wie weit Holland von Nagaſacki ſey, gefragt wurde. Der Kaiſer

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[347/0393] Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe. bis zu einem langen Vorgemach gleich bei dem Audienzſaal. Außer den Commiſſarien und andern Vornehmen des Hofes, die umher ſpazierten, ſaßen alhier noch etwa 10 oder 12 Cavaliers. Damit uns bei dem langen Warten das viele Sitzen nicht ermuͤden moͤchte, fuͤhrte man uns in einen andern Gang zuruͤk, wo wir uns nach Gefallen die Zeit vertreiben koͤnten, zu dem Ende man uns auch die Ausſicht in einem nahe gelegenen Garten oͤfnete. Waͤhrend unſers Aufenthalts hieſelbſt fanden ſich viele junge Herrn von Stande ein, um uns zu ſehen und zu begruͤßen, das auf die freundlichſte Weiſe geſchah: die Commiſſarien gaben uns zur Beſichtigung einen goldenen Ring, worin ein Magnet mit 12 Japaniſchen Jetto (oder mit den 12 himliſchen Zeichen) gefaſſet war: ein Europaͤiſches Wapen u. d. gl. mehr. Eben als wir im Begrif waren, ihnen auf Verlangen eine Erklaͤrung von den Sachen zu ma- chen, wurden wir zum Kaiſer gerufen. Durch den Gang zur linken Hand, alwo 18 Kam- merwaͤchter mit ihren gewoͤhnlichen Kleidern uͤber den Ehrenroͤcken angethan ſaßen, ſodann noch eine Reihe von 20 Hofkavaliers vorbei, erreichten wir den Kaiſerlichen Audienzſaal. Zur Linken ſaßen ſechs Reichsraͤthe, zur Rechten in einem Gange einige geheime Kammer- herren, dieſen zur Rechten zwei Damen und der Kaiſer hinter der Gittermatte, und davor der oberſte Reichsrath Bingo Sama; dieſer hies uns im Namen des Kaiſers wilkom- men, aufrecht ſitzen, die Maͤntel ablegen, unſere Namen und Alter ſagen, aufſtehen und hin und hergehen, drehen und wenden, tanzen, und mir beſonders, ein Lied ſingen; uns einander komplimentiren, beſtrafen, erzuͤrnen, zu Gaſte noͤthigen und ein Geſpraͤch halten. Dann muſten wir Perſonen zweier vertrauten Freunde, als Vaters und Sohns, zweier Abſchied von einander nehmender, und ankommender oder ſich begegnender Freunde, auch den Abſchied eines Mannes von ſeiner Frau vorſtellen, nachaͤffen, wie man Kinder verzaͤr- telt und auf den Armen traͤgt: neben dem that man allerhand Fragen an uns, an mich naͤmlich, was fuͤr eine Profeſſion ich triebe, unter andern auch: ob ich wol ſchwere Krank- heiten jemals kurirt haͤtte? worauf ich antwortete: in Nagaſacki, wo wir den Gefangenen gleich gehalten wuͤrden, nicht, wohl aber außerhalb Japan. So fragte man weiter nach unſern Haͤuſern, ob unſere Sitten verſchieden waͤren? Antwort: ja; wie wir es mit un- ſern Begraͤbniſſen hielten? Antwort: daß wir weiter keinen Tag, als den, wo die Leiche zu Grabe getragen wuͤrde, begiengen. Was unſer Prinz fuͤr einen Rang habe, ob der Generalgouverneur auf Batavia geringer ſey und unter ihm ſtuͤnde, oder ob dieſer allein regiere? ob wir keine Gebaͤter und Goͤtzen haͤtten, wie die Portugieſen? Antwort: nein; ob es in Holland und andern Europaͤiſchen Landen auch Donner und Erdbeben gaͤbe, ob der Donner Haͤuſer anzuͤnde und Menſchen toͤdte? Wir muſten unſere Antworten gleichſam leſend geben: ich muſte Namen von vielen Heilpflaſtern daher nennen, auch noch einmal beſonders darnach gemeinſchaftlich tanzen, unterdeſſen der Capitain wegen ſeiner Kinder und ihrer Namen, auch wie weit Holland von Nagaſacki ſey, gefragt wurde. Der Kaiſer lies X x 2

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/393>, abgerufen am 28.11.2024.