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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Fünftes Buch.

Der Audienzsaal ist bei weitem nicht eingerichtet, wie ihn Montanus nach sei-
ner eigenen Einbildung vorstellet. Man siehet hier keinen erhabenen Thron, keine zu
demselben aufgehende Stiegen, abhangende Teppiche oder prächtige Säulen, worauf der
Thron, der Saal oder das Gebäude ruhen solte. Es ist wahr, in der That ist dennoch
alles schön und kostbar genug, aber von keiner andern Beschaffenheit, als es mein Ris
mit sich bringt, den ich im folgenden Jahre, als uns der Nagasackische Gouverneur nach
der Audienz zum Besehen ein wenig herumführte, in der Eile zu machen Gelegenheit nahm,
Tab.
XXXI.
das zumal nach Ueberzählung der Matten, Schauben und Pfosten sich gar leicht thun lies.
Es ist aber dieser mit hundert Matten belegte Audienzsaal an einer Seite gegen einen klei-
nen Hof hin offen, und empfängt von daher sein Licht; an die Seite gegen über schließen
sich zwei nach gedachtem Hof hin offene Kammern an, deren erstere ziemlich weit ist, und
zum Siz der Reichsräthe dient, wenn sie kleineren Landsherren, Residenten und Abge-
sandten Gehör geben, die andern oder leztern aber enger, tiefer und mit einem Trit höher
als der Saal selbst ausfält. Eben hier, am Ende der Kammer, ist es, wo der Kaiser
auf einem mit wenigen Matten erhabenen Fusboden mit unter den Leib geschlagenen Beinen
sizt, und da seine Gestalt nicht wohl zu erkennen ist, theils weil das volle Licht bis dahin
nicht reicht, theils auch, weil es mit der Audienz zu geschwinde hergehet, und man mit
niedergebüktem Haupte erscheinen und wieder abziehen mus, ohne sein Gesicht zur Betrach-
tung der Kaiserlichen Majestät erheben zu dürfen. Die stille Gegenwart der Reichsräthe,
Fürstlichen Prinzen, Cammerherrn und anderer hohen Hofbedienten, womit die Seiten
des Saals und die Gallerien nach der Ordnung besezt sind, geben indes der Audienz kein
geringes Ansehen.

Vormals war es hinreichend, wenn der Capitain bei der Audienz allein erschien,
da er denn nach wenigen Tagen, und wenn er die ihm vorgelesene Gesetze angehört, und
im Namen der Holländischen Nation zu halten versprochen, von den Reichsräthen wieder
nach Nagasacki abgelassen wurde; jezt aber und seit 20 Jahren hat man angefangen, die
in der Gesandschaft überkommenen Holländer nach der ersten Audienz tiefer in den Pallast
einzuführen, und sie der Kaiserin, den dazu eingeladenen Prinzessinnen vom Geblüt und
den übrigen Hofdamen zum Vergnügen und Betrachtung vorzustellen, wobei der Kaiser
nebst dem Frauenzimmer hinter Jalousiematten verdekt, die Reichsräthe und übrige bei ei-
ner Audienz verordnete hohe Bediente aber öffentlich zugegen sitzen.

So wie demnach unser Capitain seinen ehrerbietigen Respekt abgelegt, und der
Kaiser sich in sein Cabinet verfügt hatte, wurden wir drei Holländer auch herbei gerufen,
und samt unserm Capitain durch verschiedene Gemächer in eine aus künstlichem Schnizwerk
bestehende und fürtreflich verguldete Gallerie, und von da, nachdem wir uns eine Viertel-
stunde verweilt, wieder durch andere Gänge in einen Saal geführt, wo man uns zum

Sitzen
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Der Audienzſaal iſt bei weitem nicht eingerichtet, wie ihn Montanus nach ſei-
ner eigenen Einbildung vorſtellet. Man ſiehet hier keinen erhabenen Thron, keine zu
demſelben aufgehende Stiegen, abhangende Teppiche oder praͤchtige Saͤulen, worauf der
Thron, der Saal oder das Gebaͤude ruhen ſolte. Es iſt wahr, in der That iſt dennoch
alles ſchoͤn und koſtbar genug, aber von keiner andern Beſchaffenheit, als es mein Ris
mit ſich bringt, den ich im folgenden Jahre, als uns der Nagaſackiſche Gouverneur nach
der Audienz zum Beſehen ein wenig herumfuͤhrte, in der Eile zu machen Gelegenheit nahm,
Tab.
XXXI.
das zumal nach Ueberzaͤhlung der Matten, Schauben und Pfoſten ſich gar leicht thun lies.
Es iſt aber dieſer mit hundert Matten belegte Audienzſaal an einer Seite gegen einen klei-
nen Hof hin offen, und empfaͤngt von daher ſein Licht; an die Seite gegen uͤber ſchließen
ſich zwei nach gedachtem Hof hin offene Kammern an, deren erſtere ziemlich weit iſt, und
zum Siz der Reichsraͤthe dient, wenn ſie kleineren Landsherren, Reſidenten und Abge-
ſandten Gehoͤr geben, die andern oder leztern aber enger, tiefer und mit einem Trit hoͤher
als der Saal ſelbſt ausfaͤlt. Eben hier, am Ende der Kammer, iſt es, wo der Kaiſer
auf einem mit wenigen Matten erhabenen Fusboden mit unter den Leib geſchlagenen Beinen
ſizt, und da ſeine Geſtalt nicht wohl zu erkennen iſt, theils weil das volle Licht bis dahin
nicht reicht, theils auch, weil es mit der Audienz zu geſchwinde hergehet, und man mit
niedergebuͤktem Haupte erſcheinen und wieder abziehen mus, ohne ſein Geſicht zur Betrach-
tung der Kaiſerlichen Majeſtaͤt erheben zu duͤrfen. Die ſtille Gegenwart der Reichsraͤthe,
Fuͤrſtlichen Prinzen, Cammerherrn und anderer hohen Hofbedienten, womit die Seiten
des Saals und die Gallerien nach der Ordnung beſezt ſind, geben indes der Audienz kein
geringes Anſehen.

Vormals war es hinreichend, wenn der Capitain bei der Audienz allein erſchien,
da er denn nach wenigen Tagen, und wenn er die ihm vorgeleſene Geſetze angehoͤrt, und
im Namen der Hollaͤndiſchen Nation zu halten verſprochen, von den Reichsraͤthen wieder
nach Nagaſacki abgelaſſen wurde; jezt aber und ſeit 20 Jahren hat man angefangen, die
in der Geſandſchaft uͤberkommenen Hollaͤnder nach der erſten Audienz tiefer in den Pallaſt
einzufuͤhren, und ſie der Kaiſerin, den dazu eingeladenen Prinzeſſinnen vom Gebluͤt und
den uͤbrigen Hofdamen zum Vergnuͤgen und Betrachtung vorzuſtellen, wobei der Kaiſer
nebſt dem Frauenzimmer hinter Jalouſiematten verdekt, die Reichsraͤthe und uͤbrige bei ei-
ner Audienz verordnete hohe Bediente aber oͤffentlich zugegen ſitzen.

So wie demnach unſer Capitain ſeinen ehrerbietigen Reſpekt abgelegt, und der
Kaiſer ſich in ſein Cabinet verfuͤgt hatte, wurden wir drei Hollaͤnder auch herbei gerufen,
und ſamt unſerm Capitain durch verſchiedene Gemaͤcher in eine aus kuͤnſtlichem Schnizwerk
beſtehende und fuͤrtreflich verguldete Gallerie, und von da, nachdem wir uns eine Viertel-
ſtunde verweilt, wieder durch andere Gaͤnge in einen Saal gefuͤhrt, wo man uns zum

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[282/0318] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Der Audienzſaal iſt bei weitem nicht eingerichtet, wie ihn Montanus nach ſei- ner eigenen Einbildung vorſtellet. Man ſiehet hier keinen erhabenen Thron, keine zu demſelben aufgehende Stiegen, abhangende Teppiche oder praͤchtige Saͤulen, worauf der Thron, der Saal oder das Gebaͤude ruhen ſolte. Es iſt wahr, in der That iſt dennoch alles ſchoͤn und koſtbar genug, aber von keiner andern Beſchaffenheit, als es mein Ris mit ſich bringt, den ich im folgenden Jahre, als uns der Nagaſackiſche Gouverneur nach der Audienz zum Beſehen ein wenig herumfuͤhrte, in der Eile zu machen Gelegenheit nahm, das zumal nach Ueberzaͤhlung der Matten, Schauben und Pfoſten ſich gar leicht thun lies. Es iſt aber dieſer mit hundert Matten belegte Audienzſaal an einer Seite gegen einen klei- nen Hof hin offen, und empfaͤngt von daher ſein Licht; an die Seite gegen uͤber ſchließen ſich zwei nach gedachtem Hof hin offene Kammern an, deren erſtere ziemlich weit iſt, und zum Siz der Reichsraͤthe dient, wenn ſie kleineren Landsherren, Reſidenten und Abge- ſandten Gehoͤr geben, die andern oder leztern aber enger, tiefer und mit einem Trit hoͤher als der Saal ſelbſt ausfaͤlt. Eben hier, am Ende der Kammer, iſt es, wo der Kaiſer auf einem mit wenigen Matten erhabenen Fusboden mit unter den Leib geſchlagenen Beinen ſizt, und da ſeine Geſtalt nicht wohl zu erkennen iſt, theils weil das volle Licht bis dahin nicht reicht, theils auch, weil es mit der Audienz zu geſchwinde hergehet, und man mit niedergebuͤktem Haupte erſcheinen und wieder abziehen mus, ohne ſein Geſicht zur Betrach- tung der Kaiſerlichen Majeſtaͤt erheben zu duͤrfen. Die ſtille Gegenwart der Reichsraͤthe, Fuͤrſtlichen Prinzen, Cammerherrn und anderer hohen Hofbedienten, womit die Seiten des Saals und die Gallerien nach der Ordnung beſezt ſind, geben indes der Audienz kein geringes Anſehen. Tab. XXXI. Vormals war es hinreichend, wenn der Capitain bei der Audienz allein erſchien, da er denn nach wenigen Tagen, und wenn er die ihm vorgeleſene Geſetze angehoͤrt, und im Namen der Hollaͤndiſchen Nation zu halten verſprochen, von den Reichsraͤthen wieder nach Nagaſacki abgelaſſen wurde; jezt aber und ſeit 20 Jahren hat man angefangen, die in der Geſandſchaft uͤberkommenen Hollaͤnder nach der erſten Audienz tiefer in den Pallaſt einzufuͤhren, und ſie der Kaiſerin, den dazu eingeladenen Prinzeſſinnen vom Gebluͤt und den uͤbrigen Hofdamen zum Vergnuͤgen und Betrachtung vorzuſtellen, wobei der Kaiſer nebſt dem Frauenzimmer hinter Jalouſiematten verdekt, die Reichsraͤthe und uͤbrige bei ei- ner Audienz verordnete hohe Bediente aber oͤffentlich zugegen ſitzen. So wie demnach unſer Capitain ſeinen ehrerbietigen Reſpekt abgelegt, und der Kaiſer ſich in ſein Cabinet verfuͤgt hatte, wurden wir drei Hollaͤnder auch herbei gerufen, und ſamt unſerm Capitain durch verſchiedene Gemaͤcher in eine aus kuͤnſtlichem Schnizwerk beſtehende und fuͤrtreflich verguldete Gallerie, und von da, nachdem wir uns eine Viertel- ſtunde verweilt, wieder durch andere Gaͤnge in einen Saal gefuͤhrt, wo man uns zum Sitzen

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/318>, abgerufen am 24.11.2024.