Bolwerken ziemlich bevestigtes Kastel stand. Da sich die Gassen nach der Lage des Orts in eine Zirkelweise Krümme ziehen, so dauerte es beinahe eine Stunde, bevor wir zur dritten Wacht und ans Ende der Vorstadt gelangten.
Eine Meile weiter in dem kleinen Dorfe Munitseija, das nahe vor dem großen Dorfe Tsjono liegt, überfiel uns ein solcher Plazregen, daß wir eine gute Meile dicht an den Häusern Schuz suchen musten. Von hier gieng wiederum ein Weg nach Jsje ab, des- sen sich hauptsächlich die Ost- und Nördlichen Provinzen bedienen.
Von den vielen Dörfern, die wir fernerhin berührten, waren Tsjono, Jsija- kus, Tsjetzuki, Ojewata und Finakawa die vornehmsten, und hielte jedes nicht unter 200 Häuser, außer das leztere, (eine halbe Meile vor Jokaitz) so aus mehreren bestehet, weil jenseit des Flusses, wovon es den Namen führt, noch beinahe 100 Häuser sind, die dazu gehören.
Der größeste Theil unserer heutigen Reise begrif ein bergichtes und unfruchtbares Land, weniges war mittelmäßiges, auf dem lezterm zwei oder mehr Meilen von Tsjetsuki bis Jokaitz aber ein flaches, fruchtbares Reisland, wie in der Provinz Fisen.
Vor unserer Herberge begegnete uns ein von Dairi zurükkommender vorbei eilender Kaiserlicher Gesandte, er hatte den Befehl, seine Tagereisen so schnel einzurichten, daß er von Miaco nach Jedo innerhalb acht Tagen kommen möchte. Er war ein ansehnlicher Herr. Sein Gefolge bestand in zwei Norimons, verschiedenen Pikenträgern, einem ge- sattelten Leibpferde, sieben auf Pferden sitzenden Bedienten und dem zu Fuße gehen- den Trosse.
Jokaitz ist eine ziemlich große Stadt von mehr denn tausend Häusern. Sie liegt an dem Busen des Südmeers, und hat viele und gute Herbergen, worinnen die Fremden nach Wunsche ihre Bewirthung finden, daher auch die Einwohner fürnemlich hievon, und von der Fischerei ihre Nahrung haben. Es kam uns fremd und seltsam vor, da wir unter den Pilgrims, die uns heute begegneten, eine in seidenen Kleidern wohl gepuzte und ge- schmükte Dame sahen, die einen alten blinden Man führte, und für selbigen bettelte, der verschiedenen blutjungen Bickuni oder Nonnen zu geschweigen, die sich den Reisenden eben auch bettelnd nähern, und ihnen durch Vorsingung einiger unmelodischer Lieder dagegen ein Vergnügen zu machen suchen, auch, so lange man es verlangt, zum Zeitvertreib bei einem bleiben. Sie sind Töchter der Bergpfaffen, gehen net und sauber gekleidet, und ihr ge- schornes Haupt, womit sie zu dieser heiligen Lebensart eingeweihet werden, ist mit einem schwarzen seidenen Tuche umwunden, und mit einem leichten Reisehute wider die Sonnen- hitze bedekt. Nichts was einer Armuth, Frechheit oder Leichtfertigkeit gleicht, konte man an ihnen wahrnehmen, sie hatten vielmehr ein sitsames und freies Wesen, und von Person selbst eine so schöne Gestalt, als man sie unter dem hiesigen Himmelsstrich nur antrift,
daher
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
Bolwerken ziemlich beveſtigtes Kaſtel ſtand. Da ſich die Gaſſen nach der Lage des Orts in eine Zirkelweiſe Kruͤmme ziehen, ſo dauerte es beinahe eine Stunde, bevor wir zur dritten Wacht und ans Ende der Vorſtadt gelangten.
Eine Meile weiter in dem kleinen Dorfe Munitſeija, das nahe vor dem großen Dorfe Tſjono liegt, uͤberfiel uns ein ſolcher Plazregen, daß wir eine gute Meile dicht an den Haͤuſern Schuz ſuchen muſten. Von hier gieng wiederum ein Weg nach Jſje ab, deſ- ſen ſich hauptſaͤchlich die Oſt- und Noͤrdlichen Provinzen bedienen.
Von den vielen Doͤrfern, die wir fernerhin beruͤhrten, waren Tſjono, Jſija- kus, Tſjetzuki, Ojewata und Finakawa die vornehmſten, und hielte jedes nicht unter 200 Haͤuſer, außer das leztere, (eine halbe Meile vor Jokaitz) ſo aus mehreren beſtehet, weil jenſeit des Fluſſes, wovon es den Namen fuͤhrt, noch beinahe 100 Haͤuſer ſind, die dazu gehoͤren.
Der groͤßeſte Theil unſerer heutigen Reiſe begrif ein bergichtes und unfruchtbares Land, weniges war mittelmaͤßiges, auf dem lezterm zwei oder mehr Meilen von Tſjetſuki bis Jokaitz aber ein flaches, fruchtbares Reisland, wie in der Provinz Fiſen.
Vor unſerer Herberge begegnete uns ein von Dairi zuruͤkkommender vorbei eilender Kaiſerlicher Geſandte, er hatte den Befehl, ſeine Tagereiſen ſo ſchnel einzurichten, daß er von Miaco nach Jedo innerhalb acht Tagen kommen moͤchte. Er war ein anſehnlicher Herr. Sein Gefolge beſtand in zwei Norimons, verſchiedenen Pikentraͤgern, einem ge- ſattelten Leibpferde, ſieben auf Pferden ſitzenden Bedienten und dem zu Fuße gehen- den Troſſe.
Jokaitz iſt eine ziemlich große Stadt von mehr denn tauſend Haͤuſern. Sie liegt an dem Buſen des Suͤdmeers, und hat viele und gute Herbergen, worinnen die Fremden nach Wunſche ihre Bewirthung finden, daher auch die Einwohner fuͤrnemlich hievon, und von der Fiſcherei ihre Nahrung haben. Es kam uns fremd und ſeltſam vor, da wir unter den Pilgrims, die uns heute begegneten, eine in ſeidenen Kleidern wohl gepuzte und ge- ſchmuͤkte Dame ſahen, die einen alten blinden Man fuͤhrte, und fuͤr ſelbigen bettelte, der verſchiedenen blutjungen Bickuni oder Nonnen zu geſchweigen, die ſich den Reiſenden eben auch bettelnd naͤhern, und ihnen durch Vorſingung einiger unmelodiſcher Lieder dagegen ein Vergnuͤgen zu machen ſuchen, auch, ſo lange man es verlangt, zum Zeitvertreib bei einem bleiben. Sie ſind Toͤchter der Bergpfaffen, gehen net und ſauber gekleidet, und ihr ge- ſchornes Haupt, womit ſie zu dieſer heiligen Lebensart eingeweihet werden, iſt mit einem ſchwarzen ſeidenen Tuche umwunden, und mit einem leichten Reiſehute wider die Sonnen- hitze bedekt. Nichts was einer Armuth, Frechheit oder Leichtfertigkeit gleicht, konte man an ihnen wahrnehmen, ſie hatten vielmehr ein ſitſames und freies Weſen, und von Perſon ſelbſt eine ſo ſchoͤne Geſtalt, als man ſie unter dem hieſigen Himmelsſtrich nur antrift,
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Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
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eine Zirkelweiſe Kruͤmme ziehen, ſo dauerte es beinahe eine Stunde, bevor wir zur dritten
Wacht und ans Ende der Vorſtadt gelangten.
Eine Meile weiter in dem kleinen Dorfe Munitſeija, das nahe vor dem großen
Dorfe Tſjono liegt, uͤberfiel uns ein ſolcher Plazregen, daß wir eine gute Meile dicht an
den Haͤuſern Schuz ſuchen muſten. Von hier gieng wiederum ein Weg nach Jſje ab, deſ-
ſen ſich hauptſaͤchlich die Oſt- und Noͤrdlichen Provinzen bedienen.
Von den vielen Doͤrfern, die wir fernerhin beruͤhrten, waren Tſjono, Jſija-
kus, Tſjetzuki, Ojewata und Finakawa die vornehmſten, und hielte jedes nicht unter
200 Haͤuſer, außer das leztere, (eine halbe Meile vor Jokaitz) ſo aus mehreren beſtehet,
weil jenſeit des Fluſſes, wovon es den Namen fuͤhrt, noch beinahe 100 Haͤuſer ſind, die
dazu gehoͤren.
Der groͤßeſte Theil unſerer heutigen Reiſe begrif ein bergichtes und unfruchtbares
Land, weniges war mittelmaͤßiges, auf dem lezterm zwei oder mehr Meilen von Tſjetſuki
bis Jokaitz aber ein flaches, fruchtbares Reisland, wie in der Provinz Fiſen.
Vor unſerer Herberge begegnete uns ein von Dairi zuruͤkkommender vorbei eilender
Kaiſerlicher Geſandte, er hatte den Befehl, ſeine Tagereiſen ſo ſchnel einzurichten, daß er
von Miaco nach Jedo innerhalb acht Tagen kommen moͤchte. Er war ein anſehnlicher
Herr. Sein Gefolge beſtand in zwei Norimons, verſchiedenen Pikentraͤgern, einem ge-
ſattelten Leibpferde, ſieben auf Pferden ſitzenden Bedienten und dem zu Fuße gehen-
den Troſſe.
Jokaitz iſt eine ziemlich große Stadt von mehr denn tauſend Haͤuſern. Sie liegt
an dem Buſen des Suͤdmeers, und hat viele und gute Herbergen, worinnen die Fremden
nach Wunſche ihre Bewirthung finden, daher auch die Einwohner fuͤrnemlich hievon, und
von der Fiſcherei ihre Nahrung haben. Es kam uns fremd und ſeltſam vor, da wir unter
den Pilgrims, die uns heute begegneten, eine in ſeidenen Kleidern wohl gepuzte und ge-
ſchmuͤkte Dame ſahen, die einen alten blinden Man fuͤhrte, und fuͤr ſelbigen bettelte, der
verſchiedenen blutjungen Bickuni oder Nonnen zu geſchweigen, die ſich den Reiſenden eben
auch bettelnd naͤhern, und ihnen durch Vorſingung einiger unmelodiſcher Lieder dagegen ein
Vergnuͤgen zu machen ſuchen, auch, ſo lange man es verlangt, zum Zeitvertreib bei einem
bleiben. Sie ſind Toͤchter der Bergpfaffen, gehen net und ſauber gekleidet, und ihr ge-
ſchornes Haupt, womit ſie zu dieſer heiligen Lebensart eingeweihet werden, iſt mit einem
ſchwarzen ſeidenen Tuche umwunden, und mit einem leichten Reiſehute wider die Sonnen-
hitze bedekt. Nichts was einer Armuth, Frechheit oder Leichtfertigkeit gleicht, konte man
an ihnen wahrnehmen, ſie hatten vielmehr ein ſitſames und freies Weſen, und von Perſon
ſelbſt eine ſo ſchoͤne Geſtalt, als man ſie unter dem hieſigen Himmelsſtrich nur antrift,
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/278>, abgerufen am 17.06.2024.
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