Sechst. Kap. Von der Verfas. der Holländer in Japan überhaupt.
Dolmetscher, und der öftern gewaltsamen und höchst nachtheiligen Zumuthung in der un- ruhigen Handelszeit, denen auch die Capitains unsrer Schiffe oft ausgesezt sind.
Ein Japaner, der es mit den Holländern aufrichtig meinte, wird nie für einen Biedermann gehalten, und sie glauben, daß eine gute Gesinnung gegen uns mit dem gemei- nen Reichsbesten, mit den Grundsätzen des Kaiserlichen Hofes, und, wegen der gethanen Abschwörung, auch mit der Pflicht gegen die Götter und mit dem Gewissen streite. Ja sie nehmen sogar durch ein falsches Dilemma an, daß ein wahrer Freund der Ausländer ein Feind seiner Nation und Rebel gegen den Kaiser sey, weil, wenn jene Japan feindlich an- fallen wolten, ihre Freunde ja verbunden wären, ihnen beizustehn, und also Verräther ihres Vaterlandes zu werden.
Daher wird es für etwas sehr Löbliches und Beweis guter patriotischer Gesinnung gehalten, wenn jemand einen Holländer im Preise übersezt, und wenn es nur ohne Krän- kung ihrer zärtlichen Sorge für ihren guten Namen geschehn kann, betrügt, täuscht, ihre Vortheile und Freiheiten vermindert, neue Mittel, sie in der Sklaverey zu erhalten und ihren Zustand zu verschlimmern, in Vorschlag bringt.
Wer den Holländern Waaren gestohlen hat, und wenn diese bei ihm gefunden werden, (wozu die Kuli oder Träger, die man in der Handelszeit gebraucht, wohl abgerichtet sind) bekömt, wann er aus dem Thore unsrer Jnsel geht, von der Wache einige Rükschläge, nachdem ihm vorher das Gestohlne abgenommen worden; nach Befinden wird er auch auf einige Zeit von unsrer Jnsel, zuweilen auch aus der Stadt verbant. Wer aber den Hol- ländern irgend etwas durch Schleichhandel abkäuft, mus unvermeidlich am Kreuze oder durch das Schwerdt sterben.
Das Ein- und Ausladen unsrer Schiffe und alle andre vorfallende Arbeit darf schlech- terdings nicht durch unsre Leute geschehn, sondern es müssen allemal japanische Tagelöhner oder Kulis dazu gebraucht werden, und unsre Leute unterdes müßig stehn und der Arbeit zusehn. Sie pflegen auch allemal uns fast die Hälfte mehr Arbeiter, als nöthig wären, aufzudringen, und wenn jemand auch nur eine halbe Stunde zu unserm Dienst gearbeitet hat, so mus ihm doch der ganze Tag bezahlt werden. Alles dieses Pöbelvolk, das zu un- srer Last und Plage angestelt ist, mus aus unserm Mittel oder wenigstens aus dem Gewin von unserm Haudel unterhalten werden.
Ein Holländer darf schlechterdings von hier keine Briefe abschicken, ohne vorher den Gouverneurs den Jnhalt zum Protokol einzureichen, und eine Kopie in ihren Händen zu lassen. Es müssen daher allemal zwei ganz gleiche Pakete von unsern Briefen gemacht wer- den, von denen sie das eine behalten, das andre an die abgehende Junke geben. Die mit unsern eignen Schiffen abgehende oder ankommende Briefe von Privatpersonen, werden (mit
ihrer
Sechſt. Kap. Von der Verfaſ. der Hollaͤnder in Japan uͤberhaupt.
Dolmetſcher, und der oͤftern gewaltſamen und hoͤchſt nachtheiligen Zumuthung in der un- ruhigen Handelszeit, denen auch die Capitains unſrer Schiffe oft ausgeſezt ſind.
Ein Japaner, der es mit den Hollaͤndern aufrichtig meinte, wird nie fuͤr einen Biedermann gehalten, und ſie glauben, daß eine gute Geſinnung gegen uns mit dem gemei- nen Reichsbeſten, mit den Grundſaͤtzen des Kaiſerlichen Hofes, und, wegen der gethanen Abſchwoͤrung, auch mit der Pflicht gegen die Goͤtter und mit dem Gewiſſen ſtreite. Ja ſie nehmen ſogar durch ein falſches Dilemma an, daß ein wahrer Freund der Auslaͤnder ein Feind ſeiner Nation und Rebel gegen den Kaiſer ſey, weil, wenn jene Japan feindlich an- fallen wolten, ihre Freunde ja verbunden waͤren, ihnen beizuſtehn, und alſo Verraͤther ihres Vaterlandes zu werden.
Daher wird es fuͤr etwas ſehr Loͤbliches und Beweis guter patriotiſcher Geſinnung gehalten, wenn jemand einen Hollaͤnder im Preiſe uͤberſezt, und wenn es nur ohne Kraͤn- kung ihrer zaͤrtlichen Sorge fuͤr ihren guten Namen geſchehn kann, betruͤgt, taͤuſcht, ihre Vortheile und Freiheiten vermindert, neue Mittel, ſie in der Sklaverey zu erhalten und ihren Zuſtand zu verſchlimmern, in Vorſchlag bringt.
Wer den Hollaͤndern Waaren geſtohlen hat, und wenn dieſe bei ihm gefunden werden, (wozu die Kuli oder Traͤger, die man in der Handelszeit gebraucht, wohl abgerichtet ſind) bekoͤmt, wann er aus dem Thore unſrer Jnſel geht, von der Wache einige Ruͤkſchlaͤge, nachdem ihm vorher das Geſtohlne abgenommen worden; nach Befinden wird er auch auf einige Zeit von unſrer Jnſel, zuweilen auch aus der Stadt verbant. Wer aber den Hol- laͤndern irgend etwas durch Schleichhandel abkaͤuft, mus unvermeidlich am Kreuze oder durch das Schwerdt ſterben.
Das Ein- und Ausladen unſrer Schiffe und alle andre vorfallende Arbeit darf ſchlech- terdings nicht durch unſre Leute geſchehn, ſondern es muͤſſen allemal japaniſche Tageloͤhner oder Kulis dazu gebraucht werden, und unſre Leute unterdes muͤßig ſtehn und der Arbeit zuſehn. Sie pflegen auch allemal uns faſt die Haͤlfte mehr Arbeiter, als noͤthig waͤren, aufzudringen, und wenn jemand auch nur eine halbe Stunde zu unſerm Dienſt gearbeitet hat, ſo mus ihm doch der ganze Tag bezahlt werden. Alles dieſes Poͤbelvolk, das zu un- ſrer Laſt und Plage angeſtelt iſt, mus aus unſerm Mittel oder wenigſtens aus dem Gewin von unſerm Haudel unterhalten werden.
Ein Hollaͤnder darf ſchlechterdings von hier keine Briefe abſchicken, ohne vorher den Gouverneurs den Jnhalt zum Protokol einzureichen, und eine Kopie in ihren Haͤnden zu laſſen. Es muͤſſen daher allemal zwei ganz gleiche Pakete von unſern Briefen gemacht wer- den, von denen ſie das eine behalten, das andre an die abgehende Junke geben. Die mit unſern eignen Schiffen abgehende oder ankommende Briefe von Privatperſonen, werden (mit
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Sechſt. Kap. Von der Verfaſ. der Hollaͤnder in Japan uͤberhaupt.
Dolmetſcher, und der oͤftern gewaltſamen und hoͤchſt nachtheiligen Zumuthung in der un-
ruhigen Handelszeit, denen auch die Capitains unſrer Schiffe oft ausgeſezt ſind.
Ein Japaner, der es mit den Hollaͤndern aufrichtig meinte, wird nie fuͤr einen
Biedermann gehalten, und ſie glauben, daß eine gute Geſinnung gegen uns mit dem gemei-
nen Reichsbeſten, mit den Grundſaͤtzen des Kaiſerlichen Hofes, und, wegen der gethanen
Abſchwoͤrung, auch mit der Pflicht gegen die Goͤtter und mit dem Gewiſſen ſtreite. Ja ſie
nehmen ſogar durch ein falſches Dilemma an, daß ein wahrer Freund der Auslaͤnder ein
Feind ſeiner Nation und Rebel gegen den Kaiſer ſey, weil, wenn jene Japan feindlich an-
fallen wolten, ihre Freunde ja verbunden waͤren, ihnen beizuſtehn, und alſo Verraͤther ihres
Vaterlandes zu werden.
Daher wird es fuͤr etwas ſehr Loͤbliches und Beweis guter patriotiſcher Geſinnung
gehalten, wenn jemand einen Hollaͤnder im Preiſe uͤberſezt, und wenn es nur ohne Kraͤn-
kung ihrer zaͤrtlichen Sorge fuͤr ihren guten Namen geſchehn kann, betruͤgt, taͤuſcht, ihre
Vortheile und Freiheiten vermindert, neue Mittel, ſie in der Sklaverey zu erhalten und ihren
Zuſtand zu verſchlimmern, in Vorſchlag bringt.
Wer den Hollaͤndern Waaren geſtohlen hat, und wenn dieſe bei ihm gefunden werden,
(wozu die Kuli oder Traͤger, die man in der Handelszeit gebraucht, wohl abgerichtet ſind)
bekoͤmt, wann er aus dem Thore unſrer Jnſel geht, von der Wache einige Ruͤkſchlaͤge,
nachdem ihm vorher das Geſtohlne abgenommen worden; nach Befinden wird er auch auf
einige Zeit von unſrer Jnſel, zuweilen auch aus der Stadt verbant. Wer aber den Hol-
laͤndern irgend etwas durch Schleichhandel abkaͤuft, mus unvermeidlich am Kreuze oder
durch das Schwerdt ſterben.
Das Ein- und Ausladen unſrer Schiffe und alle andre vorfallende Arbeit darf ſchlech-
terdings nicht durch unſre Leute geſchehn, ſondern es muͤſſen allemal japaniſche Tageloͤhner
oder Kulis dazu gebraucht werden, und unſre Leute unterdes muͤßig ſtehn und der Arbeit
zuſehn. Sie pflegen auch allemal uns faſt die Haͤlfte mehr Arbeiter, als noͤthig waͤren,
aufzudringen, und wenn jemand auch nur eine halbe Stunde zu unſerm Dienſt gearbeitet
hat, ſo mus ihm doch der ganze Tag bezahlt werden. Alles dieſes Poͤbelvolk, das zu un-
ſrer Laſt und Plage angeſtelt iſt, mus aus unſerm Mittel oder wenigſtens aus dem Gewin
von unſerm Haudel unterhalten werden.
Ein Hollaͤnder darf ſchlechterdings von hier keine Briefe abſchicken, ohne vorher den
Gouverneurs den Jnhalt zum Protokol einzureichen, und eine Kopie in ihren Haͤnden zu
laſſen. Es muͤſſen daher allemal zwei ganz gleiche Pakete von unſern Briefen gemacht wer-
den, von denen ſie das eine behalten, das andre an die abgehende Junke geben. Die mit
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/101>, abgerufen am 03.07.2024.
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