Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite


Zehntes Kapitel.
Von den vierfüßigen Thieren, Vögeln, kriechenden
und fliegenden Jnsekten des Landes.


Erdichtete Thiere.

Zuerst wollen wir unter den einheimischen Thieren einiger erdichteten Thiere erwähnen;
welche die Japaner von den Sinesern angenommen, und blos in der Einbildung
und in den Schriften, aber nicht in der Natur gefunden werden.

Kirin.

Kirin ist, wie man erzählt, ein vierfüßiges, an der Brust mit weichen hinter-
wärts gebognen Hörnern, geflügeltes schnelles Thier: einem Pferde an Leibe, einem Hir-
sche an Füßen und Klauen, und am Haupte beinahe einem Drachen nicht gar ungleich.
Es ist von solcher Heiligkeit, daß es im Gehen sich bemühet, kein einziges Würmchen oder
Kräutgen zu kränken, und wird durch besondere Kraft des bestirnten Himmels erzeugt,
zur Zeit wenn unter den Menschen ein Sesin gebohren wird. Sesin aber ist eine Person,
welche vor allen andern von der Natur mit einem durchdringenden Verstande begabt
worden, wodurch er die Wahrheiten der Natur und götlicher Dinge erforscht, und unbe-
kante Sachen ausfindet. Für solche werden gehalten die sinesischen Kaiser Gio und Sjum,
als vortrefliche Regenten und Erfinder der Kräuter; Koosj und Moosj als sinesische Phi-
losophen; Sjaka in Jndien als ein Offenbarer götlicher Sachen; Darma in Sina und
Sotoktais in Japan, als berühmte Lichter im Leben und Lehren. (Tab. IX. Fig. I.
der sinesische Kirin: Fig. II. der japanische Kirin.)

Sungu.
S 2


Zehntes Kapitel.
Von den vierfuͤßigen Thieren, Voͤgeln, kriechenden
und fliegenden Jnſekten des Landes.


Erdichtete Thiere.

Zuerſt wollen wir unter den einheimiſchen Thieren einiger erdichteten Thiere erwaͤhnen;
welche die Japaner von den Sineſern angenommen, und blos in der Einbildung
und in den Schriften, aber nicht in der Natur gefunden werden.

Kirin.

Kirin iſt, wie man erzaͤhlt, ein vierfuͤßiges, an der Bruſt mit weichen hinter-
waͤrts gebognen Hoͤrnern, gefluͤgeltes ſchnelles Thier: einem Pferde an Leibe, einem Hir-
ſche an Fuͤßen und Klauen, und am Haupte beinahe einem Drachen nicht gar ungleich.
Es iſt von ſolcher Heiligkeit, daß es im Gehen ſich bemuͤhet, kein einziges Wuͤrmchen oder
Kraͤutgen zu kraͤnken, und wird durch beſondere Kraft des beſtirnten Himmels erzeugt,
zur Zeit wenn unter den Menſchen ein Seſin gebohren wird. Seſin aber iſt eine Perſon,
welche vor allen andern von der Natur mit einem durchdringenden Verſtande begabt
worden, wodurch er die Wahrheiten der Natur und goͤtlicher Dinge erforſcht, und unbe-
kante Sachen ausfindet. Fuͤr ſolche werden gehalten die ſineſiſchen Kaiſer Gio und Sjum,
als vortrefliche Regenten und Erfinder der Kraͤuter; Kooſj und Mooſj als ſineſiſche Phi-
loſophen; Sjaka in Jndien als ein Offenbarer goͤtlicher Sachen; Darma in Sina und
Sotoktais in Japan, als beruͤhmte Lichter im Leben und Lehren. (Tab. IX. Fig. I.
der ſineſiſche Kirin: Fig. II. der japaniſche Kirin.)

Sungu.
S 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0227" n="139"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Zehntes Kapitel</hi>.<lb/>
Von den vierfu&#x0364;ßigen Thieren, Vo&#x0364;geln, kriechenden<lb/>
und fliegenden Jn&#x017F;ekten des Landes.</hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Erdichtete Thiere</hi>.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">Z</hi>uer&#x017F;t wollen wir unter den einheimi&#x017F;chen Thieren einiger erdichteten Thiere erwa&#x0364;hnen;<lb/>
welche die Japaner von den Sine&#x017F;ern angenommen, und blos in der Einbildung<lb/>
und in den Schriften, aber nicht in der Natur gefunden werden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Kirin</hi>.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Kirin</hi> i&#x017F;t, wie man erza&#x0364;hlt, ein vierfu&#x0364;ßiges, an der Bru&#x017F;t mit weichen hinter-<lb/>
wa&#x0364;rts gebognen Ho&#x0364;rnern, geflu&#x0364;geltes &#x017F;chnelles Thier: einem Pferde an Leibe, einem Hir-<lb/>
&#x017F;che an Fu&#x0364;ßen und Klauen, und am Haupte beinahe einem Drachen nicht gar ungleich.<lb/>
Es i&#x017F;t von &#x017F;olcher Heiligkeit, daß es im Gehen &#x017F;ich bemu&#x0364;het, kein einziges Wu&#x0364;rmchen oder<lb/>
Kra&#x0364;utgen zu kra&#x0364;nken, und wird durch be&#x017F;ondere Kraft des be&#x017F;tirnten Himmels erzeugt,<lb/>
zur Zeit wenn unter den Men&#x017F;chen ein <hi rendition="#fr">Se&#x017F;in</hi> gebohren wird. <hi rendition="#fr">Se&#x017F;in</hi> aber i&#x017F;t eine Per&#x017F;on,<lb/>
welche vor allen andern von der Natur mit einem durchdringenden Ver&#x017F;tande begabt<lb/>
worden, wodurch er die Wahrheiten der Natur und go&#x0364;tlicher Dinge erfor&#x017F;cht, und unbe-<lb/>
kante Sachen ausfindet. Fu&#x0364;r &#x017F;olche werden gehalten die &#x017F;ine&#x017F;i&#x017F;chen Kai&#x017F;er <hi rendition="#fr">Gio</hi> und <hi rendition="#fr">Sjum,</hi><lb/>
als vortrefliche Regenten und Erfinder der Kra&#x0364;uter; <hi rendition="#fr">Koo&#x017F;j</hi> und <hi rendition="#fr">Moo&#x017F;j</hi> als &#x017F;ine&#x017F;i&#x017F;che Phi-<lb/>
lo&#x017F;ophen; <hi rendition="#fr">Sjaka</hi> in Jndien als ein Offenbarer go&#x0364;tlicher Sachen; <hi rendition="#fr">Darma</hi> in Sina und<lb/><hi rendition="#fr">Sotoktais</hi> in Japan, als beru&#x0364;hmte Lichter im Leben und Lehren. (<hi rendition="#aq">Tab. IX. Fig. I.</hi><lb/>
der &#x017F;ine&#x017F;i&#x017F;che <hi rendition="#fr">Kirin:</hi> <hi rendition="#aq">Fig. II.</hi> der japani&#x017F;che <hi rendition="#fr">Kirin.</hi>)</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">S 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Sungu.</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0227] Zehntes Kapitel. Von den vierfuͤßigen Thieren, Voͤgeln, kriechenden und fliegenden Jnſekten des Landes. Erdichtete Thiere. Zuerſt wollen wir unter den einheimiſchen Thieren einiger erdichteten Thiere erwaͤhnen; welche die Japaner von den Sineſern angenommen, und blos in der Einbildung und in den Schriften, aber nicht in der Natur gefunden werden. Kirin. Kirin iſt, wie man erzaͤhlt, ein vierfuͤßiges, an der Bruſt mit weichen hinter- waͤrts gebognen Hoͤrnern, gefluͤgeltes ſchnelles Thier: einem Pferde an Leibe, einem Hir- ſche an Fuͤßen und Klauen, und am Haupte beinahe einem Drachen nicht gar ungleich. Es iſt von ſolcher Heiligkeit, daß es im Gehen ſich bemuͤhet, kein einziges Wuͤrmchen oder Kraͤutgen zu kraͤnken, und wird durch beſondere Kraft des beſtirnten Himmels erzeugt, zur Zeit wenn unter den Menſchen ein Seſin gebohren wird. Seſin aber iſt eine Perſon, welche vor allen andern von der Natur mit einem durchdringenden Verſtande begabt worden, wodurch er die Wahrheiten der Natur und goͤtlicher Dinge erforſcht, und unbe- kante Sachen ausfindet. Fuͤr ſolche werden gehalten die ſineſiſchen Kaiſer Gio und Sjum, als vortrefliche Regenten und Erfinder der Kraͤuter; Kooſj und Mooſj als ſineſiſche Phi- loſophen; Sjaka in Jndien als ein Offenbarer goͤtlicher Sachen; Darma in Sina und Sotoktais in Japan, als beruͤhmte Lichter im Leben und Lehren. (Tab. IX. Fig. I. der ſineſiſche Kirin: Fig. II. der japaniſche Kirin.) Sungu. S 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/227
Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/227>, abgerufen am 03.12.2024.