Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.Kämpfers Geschichte von Japan. Erstes Buch. Anianum, oder die Meerenge sey, welche das Nordmeer mit dem indischen Meer ver-bindet? Oder ob das Land Oku Jeso vielleicht mit beiden Welttheilen zusammenhänge und also gar keine Meerenge da sey? Jch habe mich mit gröstem Fleis bemühet, über die Beschaffenheit dieser nordischen Gewässer einige genauere Nachrichten einzuziehn, aber ich habe nichts gewisses oder schreibwürdiges darüber erfahren können. Jn Moskau und Astrakan habe ich verschiedene Personen kennen gelernt, wel- begierige
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch. Anianum, oder die Meerenge ſey, welche das Nordmeer mit dem indiſchen Meer ver-bindet? Oder ob das Land Oku Jeſo vielleicht mit beiden Welttheilen zuſammenhaͤnge und alſo gar keine Meerenge da ſey? Jch habe mich mit groͤſtem Fleis bemuͤhet, uͤber die Beſchaffenheit dieſer nordiſchen Gewaͤſſer einige genauere Nachrichten einzuziehn, aber ich habe nichts gewiſſes oder ſchreibwuͤrdiges daruͤber erfahren koͤnnen. Jn Moskau und Aſtrakan habe ich verſchiedene Perſonen kennen gelernt, wel- begierige
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0168" n="80"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">Anianum,</hi> oder die Meerenge ſey, welche das <hi rendition="#fr">Nordmeer</hi> mit dem <hi rendition="#fr">indiſchen Meer</hi> ver-<lb/> bindet? Oder ob das Land <hi rendition="#fr">Oku Jeſo</hi> vielleicht mit beiden Welttheilen zuſammenhaͤnge<lb/> und alſo gar keine Meerenge da ſey? Jch habe mich mit groͤſtem Fleis bemuͤhet, uͤber die<lb/> Beſchaffenheit dieſer nordiſchen Gewaͤſſer einige genauere Nachrichten einzuziehn, aber ich<lb/> habe nichts gewiſſes oder ſchreibwuͤrdiges daruͤber erfahren koͤnnen.</p><lb/> <p>Jn <hi rendition="#fr">Moskau</hi> und <hi rendition="#fr">Aſtrakan</hi> habe ich verſchiedene Perſonen kennen gelernt, wel-<lb/> che auf ihrer <hi rendition="#fr">ſineſiſchen Reiſe</hi> durch <hi rendition="#fr">Sibirien</hi> und <hi rendition="#fr">Kataya</hi> oder auch in einem vieljaͤhri-<lb/> gen Exilium in <hi rendition="#fr">Sibirien</hi> verſchiedne, aber ungewiſſe Nachrichten hieruͤber eingeſamlet<lb/> hatten. Alle aber kamen darin zuſammen, die <hi rendition="#fr">Tatarei</hi> ſey durch einen Jſthmum mit<lb/> einem nach Oſten gelegnen feſten Lande, das ſie fuͤr <hi rendition="#fr">America</hi> hielten, verbunden; und<lb/> befinde ſich daſelbſt keine Oefnung zwiſchen dem <hi rendition="#fr">indiſchen Ocean</hi> und dem <hi rendition="#fr">Eismeer.</hi><lb/> Eine grobe Charte von <hi rendition="#fr">Sibirien,</hi> auf der keine Grade bezeichnet waren, die ein Verban-<lb/> ter daſelbſt in Holz ausgeſchnitten, und die Orte in <hi rendition="#fr">ſlavoniſcher Sprache</hi> darauf geſezt<lb/> hatte, ſtelte einige von der entfernteſten Kuͤſte oſtwaͤrts ablaufende Vorgebuͤrge vor, deren<lb/> eines ſoweit fortſtrich, daß es von dem Rande der Charte abgeſchnitten wurde, und man<lb/> alſo ſeinen ganzen Lauf nicht ſehn konte. Der Man, welcher mir dieſe Charte communicirte,<lb/> glaubte nach der Auſſage der dortigen Tataren, daß dieſe Erdenge nach einem großen feſten<lb/> Lande zulaufe und mit demſelben zuſammenhaͤnge. Sie ſey aber, ſezte er hinzu, ſo bergicht,<lb/> klippenvol und rauh durchwachſen, daß man jezt gar nicht wuͤrde durchkommen koͤnnen, wenn<lb/> auch gleich die erſten Voͤlker hieruͤber ihren Weg nach America moͤchten genommen haben.<lb/> Dieſe Charte iſt die erſte und einzige, aus welcher der <hi rendition="#fr">ruſſiſche Hof</hi> die Lage und Richtung<lb/><hi rendition="#fr">ſeiner Tatarei</hi> kennen gelernt hat. Der deutſche Canzler oder Jnſpector der moscoviti-<lb/> ſchen Apotheken, Hr. Winius, mein ſehr guter Freund, hat ſeine <hi rendition="#fr">tatariſchen</hi> und <hi rendition="#fr">ruſſi-<lb/> ſchen</hi> Charten gleichfals nach dieſer Charte zuerſt entworfen, und hernach ſie aus vielen<lb/> Nachrichten vermehrt, und die Grade der Laͤnge und Breite beigefuͤgt. Er hatte hiebei be-<lb/> ſonders die Beobachtungen des gelehrten Hrn. <hi rendition="#fr">Spitarius,</hi> des griechiſchen und lateiniſchen<lb/> Hofdolmetſchers, befolgt, welcher vom damaligen <hi rendition="#fr">Zar</hi> als Ambaſſadeur nach <hi rendition="#fr">Pequing</hi> geſchikt<lb/> war, und nach den geheimen Jnſtructionen ſeines wisbegierigen Herrn alle Muͤhe angewandt<lb/> hatte, uͤber dieſe Gegenden einige Entdeckungen zu machen. Er machte um das Jahr<lb/> 1680 ſeine Hinreiſe ganz noͤrdlich, und ſeine Herreiſe ganz ſuͤdlich. Der Zufal fuͤgte es,<lb/> daß er am ruſſiſchen Hofe auch mein Dolmetſcher wurde, und ich dadurch ſo gluͤklich war,<lb/> ſeine Bekantſchaft zu machen. Allein er war ſo mistrauiſch und zuruͤkhaltend, daß ich nur<lb/> wenig von ihm lernen konte. Es hat aber nachher der hocherleuchtete Hr. Nicolaus <hi rendition="#fr">Witſe,</hi><lb/> J. U. D. und Buͤrgermeiſter zu Amſterdam, bei ſeiner lezteren Geſandſchaft an dem Zari-<lb/> ſchen Hofe, durch ſein vortrefliches Betragen und Leutſeligkeit den Grosfuͤrſten und alle wis-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">begierige</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0168]
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
Anianum, oder die Meerenge ſey, welche das Nordmeer mit dem indiſchen Meer ver-
bindet? Oder ob das Land Oku Jeſo vielleicht mit beiden Welttheilen zuſammenhaͤnge
und alſo gar keine Meerenge da ſey? Jch habe mich mit groͤſtem Fleis bemuͤhet, uͤber die
Beſchaffenheit dieſer nordiſchen Gewaͤſſer einige genauere Nachrichten einzuziehn, aber ich
habe nichts gewiſſes oder ſchreibwuͤrdiges daruͤber erfahren koͤnnen.
Jn Moskau und Aſtrakan habe ich verſchiedene Perſonen kennen gelernt, wel-
che auf ihrer ſineſiſchen Reiſe durch Sibirien und Kataya oder auch in einem vieljaͤhri-
gen Exilium in Sibirien verſchiedne, aber ungewiſſe Nachrichten hieruͤber eingeſamlet
hatten. Alle aber kamen darin zuſammen, die Tatarei ſey durch einen Jſthmum mit
einem nach Oſten gelegnen feſten Lande, das ſie fuͤr America hielten, verbunden; und
befinde ſich daſelbſt keine Oefnung zwiſchen dem indiſchen Ocean und dem Eismeer.
Eine grobe Charte von Sibirien, auf der keine Grade bezeichnet waren, die ein Verban-
ter daſelbſt in Holz ausgeſchnitten, und die Orte in ſlavoniſcher Sprache darauf geſezt
hatte, ſtelte einige von der entfernteſten Kuͤſte oſtwaͤrts ablaufende Vorgebuͤrge vor, deren
eines ſoweit fortſtrich, daß es von dem Rande der Charte abgeſchnitten wurde, und man
alſo ſeinen ganzen Lauf nicht ſehn konte. Der Man, welcher mir dieſe Charte communicirte,
glaubte nach der Auſſage der dortigen Tataren, daß dieſe Erdenge nach einem großen feſten
Lande zulaufe und mit demſelben zuſammenhaͤnge. Sie ſey aber, ſezte er hinzu, ſo bergicht,
klippenvol und rauh durchwachſen, daß man jezt gar nicht wuͤrde durchkommen koͤnnen, wenn
auch gleich die erſten Voͤlker hieruͤber ihren Weg nach America moͤchten genommen haben.
Dieſe Charte iſt die erſte und einzige, aus welcher der ruſſiſche Hof die Lage und Richtung
ſeiner Tatarei kennen gelernt hat. Der deutſche Canzler oder Jnſpector der moscoviti-
ſchen Apotheken, Hr. Winius, mein ſehr guter Freund, hat ſeine tatariſchen und ruſſi-
ſchen Charten gleichfals nach dieſer Charte zuerſt entworfen, und hernach ſie aus vielen
Nachrichten vermehrt, und die Grade der Laͤnge und Breite beigefuͤgt. Er hatte hiebei be-
ſonders die Beobachtungen des gelehrten Hrn. Spitarius, des griechiſchen und lateiniſchen
Hofdolmetſchers, befolgt, welcher vom damaligen Zar als Ambaſſadeur nach Pequing geſchikt
war, und nach den geheimen Jnſtructionen ſeines wisbegierigen Herrn alle Muͤhe angewandt
hatte, uͤber dieſe Gegenden einige Entdeckungen zu machen. Er machte um das Jahr
1680 ſeine Hinreiſe ganz noͤrdlich, und ſeine Herreiſe ganz ſuͤdlich. Der Zufal fuͤgte es,
daß er am ruſſiſchen Hofe auch mein Dolmetſcher wurde, und ich dadurch ſo gluͤklich war,
ſeine Bekantſchaft zu machen. Allein er war ſo mistrauiſch und zuruͤkhaltend, daß ich nur
wenig von ihm lernen konte. Es hat aber nachher der hocherleuchtete Hr. Nicolaus Witſe,
J. U. D. und Buͤrgermeiſter zu Amſterdam, bei ſeiner lezteren Geſandſchaft an dem Zari-
ſchen Hofe, durch ſein vortrefliches Betragen und Leutſeligkeit den Grosfuͤrſten und alle wis-
begierige
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |