Augenblik zu Stande gebracht. Die Sonne war nun schon drei Stunden unterge- gangen, und es blieb also weiter nichts bei der Sache zu thun übrig, als fleißig zu pum- pen und zu hoffen.
Den 30sten Aug. früh Morgens fing der Sturm und das Wüthen der See an sich zu brechen, da wir dann insgesamt den blinden Segel, der stat eines Ruders dienen muste, hervorbrachten, und mit demselben südwärts vor dem Winde weg, und also ohne sehr gro- ßes Schlingern abliefen. Wir wolten auch die Zimmerleute in Stand setzen, an Wieder- herstellung des Ruders zu arbeiten. Dies geschahe dann auch mit frischem Muth. Der Zimmermeister wurde an einer Stelle feste gebunden, hinuntergelassen, eine neue Ruder- balke angesezt, und kurz das ganze Werk schon auf Mittag völlig geendigt. Der Him- mel klärte sich nun auf und erlaubte sowol dem Koche wieder Feuer anzulegen, als unsern Steuerleuten die Höhe zu nehmen. Sie war 28 Gr. 31 Min.
Wir zogen nun in Gottes Namen unsere Segel wieder auf, und legten mit gutem Wind nach Nordost an. Der 31ste August brach mit lieblichem Sonnenschein, wiewol noch bei anhaltendem harten Winde, an, und ermunterte unsere Gemüther und ganz er- storbene Sinnen. Wir fühlten uns aber nach dem fünftägigen Fasten und Ungemach ganz ausnehmend entkräftet, und hatten besonders eine unleidliche Empfindung von Hunger. Es wäre uns daher mit frischer Kost und einem guten Trunk sehr gedient gewesen; aber dazu war hier kein Rath. Denn unser Schifsbuchhalter, der gewohnt war auf dem Lan- de selten, und zu Wasser niemals nüchtern zu seyn, hatte unsere ganze Provision von Ta- felwein, die ihm der Schiffer anvertrauete, bis auf den lezten Tropfen verzehrt. Ein noch auf bewahrtes fettes Schwein und Federvieh waren während des Sturms umgekommen. Unser Koch konte uns also weiter nichts, als gekochten Reis, Cajan und altes Spek auftragen; und wir musten uns vorjezt hiemit nebst der Hofnung begnügen, daß wir bei der stillen See bald würden frische Fische fangen können. Die erste und mühsamste Arbeit war heu- te, das Seilwerk anzuziehen, welches durch Sturm und Schlingern ausgedehnt und so schlap geworden war, daß es nicht länger die Masten anhalten konte. Andere bemühten sich unterdes die Oefnung im Schiffe aufzusuchen, welche doch damals noch nicht gefunden wurde. Hernach wurden auch noch durchnezte seidene Packen und Felle aus dem Raume auf den Oberboden gebracht; und auf diese Art fuhr man diesen und die beiden folgenden Tage mit Troknen der Waaren, der Kleider und Betzeuge fort. Unser Lauf war noch N. O. und nach N. N. O. mit Ost und Ost gen Nord Winde; die Höhe Mittags 29 Gr. 20 Min. und Abends die Tiefe 43 Klaftern.
Den 1sten September fanden wir eine Oefnung unter der Küche; um selbige zu stopfen, wurde das Schif einige Stunden über die andere Seite gelegt. Andere Oefnun- gen, um derentwillen wir noch stündlich pumpen musten, fand man noch nicht, wir urtheilten
da-
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
Augenblik zu Stande gebracht. Die Sonne war nun ſchon drei Stunden unterge- gangen, und es blieb alſo weiter nichts bei der Sache zu thun uͤbrig, als fleißig zu pum- pen und zu hoffen.
Den 30ſten Aug. fruͤh Morgens fing der Sturm und das Wuͤthen der See an ſich zu brechen, da wir dann insgeſamt den blinden Segel, der ſtat eines Ruders dienen muſte, hervorbrachten, und mit demſelben ſuͤdwaͤrts vor dem Winde weg, und alſo ohne ſehr gro- ßes Schlingern abliefen. Wir wolten auch die Zimmerleute in Stand ſetzen, an Wieder- herſtellung des Ruders zu arbeiten. Dies geſchahe dann auch mit friſchem Muth. Der Zimmermeiſter wurde an einer Stelle feſte gebunden, hinuntergelaſſen, eine neue Ruder- balke angeſezt, und kurz das ganze Werk ſchon auf Mittag voͤllig geendigt. Der Him- mel klaͤrte ſich nun auf und erlaubte ſowol dem Koche wieder Feuer anzulegen, als unſern Steuerleuten die Hoͤhe zu nehmen. Sie war 28 Gr. 31 Min.
Wir zogen nun in Gottes Namen unſere Segel wieder auf, und legten mit gutem Wind nach Nordoſt an. Der 31ſte Auguſt brach mit lieblichem Sonnenſchein, wiewol noch bei anhaltendem harten Winde, an, und ermunterte unſere Gemuͤther und ganz er- ſtorbene Sinnen. Wir fuͤhlten uns aber nach dem fuͤnftaͤgigen Faſten und Ungemach ganz ausnehmend entkraͤftet, und hatten beſonders eine unleidliche Empfindung von Hunger. Es waͤre uns daher mit friſcher Koſt und einem guten Trunk ſehr gedient geweſen; aber dazu war hier kein Rath. Denn unſer Schifsbuchhalter, der gewohnt war auf dem Lan- de ſelten, und zu Waſſer niemals nuͤchtern zu ſeyn, hatte unſere ganze Proviſion von Ta- felwein, die ihm der Schiffer anvertrauete, bis auf den lezten Tropfen verzehrt. Ein noch auf bewahrtes fettes Schwein und Federvieh waren waͤhrend des Sturms umgekommen. Unſer Koch konte uns alſo weiter nichts, als gekochten Reis, Cajan und altes Spek auftragen; und wir muſten uns vorjezt hiemit nebſt der Hofnung begnuͤgen, daß wir bei der ſtillen See bald wuͤrden friſche Fiſche fangen koͤnnen. Die erſte und muͤhſamſte Arbeit war heu- te, das Seilwerk anzuziehen, welches durch Sturm und Schlingern ausgedehnt und ſo ſchlap geworden war, daß es nicht laͤnger die Maſten anhalten konte. Andere bemuͤhten ſich unterdes die Oefnung im Schiffe aufzuſuchen, welche doch damals noch nicht gefunden wurde. Hernach wurden auch noch durchnezte ſeidene Packen und Felle aus dem Raume auf den Oberboden gebracht; und auf dieſe Art fuhr man dieſen und die beiden folgenden Tage mit Troknen der Waaren, der Kleider und Betzeuge fort. Unſer Lauf war noch N. O. und nach N. N. O. mit Oſt und Oſt gen Nord Winde; die Hoͤhe Mittags 29 Gr. 20 Min. und Abends die Tiefe 43 Klaftern.
Den 1ſten September fanden wir eine Oefnung unter der Kuͤche; um ſelbige zu ſtopfen, wurde das Schif einige Stunden uͤber die andere Seite gelegt. Andere Oefnun- gen, um derentwillen wir noch ſtuͤndlich pumpen muſten, fand man noch nicht, wir urtheilten
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Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
Augenblik zu Stande gebracht. Die Sonne war nun ſchon drei Stunden unterge-
gangen, und es blieb alſo weiter nichts bei der Sache zu thun uͤbrig, als fleißig zu pum-
pen und zu hoffen.
Den 30ſten Aug. fruͤh Morgens fing der Sturm und das Wuͤthen der See an ſich
zu brechen, da wir dann insgeſamt den blinden Segel, der ſtat eines Ruders dienen muſte,
hervorbrachten, und mit demſelben ſuͤdwaͤrts vor dem Winde weg, und alſo ohne ſehr gro-
ßes Schlingern abliefen. Wir wolten auch die Zimmerleute in Stand ſetzen, an Wieder-
herſtellung des Ruders zu arbeiten. Dies geſchahe dann auch mit friſchem Muth. Der
Zimmermeiſter wurde an einer Stelle feſte gebunden, hinuntergelaſſen, eine neue Ruder-
balke angeſezt, und kurz das ganze Werk ſchon auf Mittag voͤllig geendigt. Der Him-
mel klaͤrte ſich nun auf und erlaubte ſowol dem Koche wieder Feuer anzulegen, als unſern
Steuerleuten die Hoͤhe zu nehmen. Sie war 28 Gr. 31 Min.
Wir zogen nun in Gottes Namen unſere Segel wieder auf, und legten mit gutem
Wind nach Nordoſt an. Der 31ſte Auguſt brach mit lieblichem Sonnenſchein, wiewol
noch bei anhaltendem harten Winde, an, und ermunterte unſere Gemuͤther und ganz er-
ſtorbene Sinnen. Wir fuͤhlten uns aber nach dem fuͤnftaͤgigen Faſten und Ungemach ganz
ausnehmend entkraͤftet, und hatten beſonders eine unleidliche Empfindung von Hunger.
Es waͤre uns daher mit friſcher Koſt und einem guten Trunk ſehr gedient geweſen; aber
dazu war hier kein Rath. Denn unſer Schifsbuchhalter, der gewohnt war auf dem Lan-
de ſelten, und zu Waſſer niemals nuͤchtern zu ſeyn, hatte unſere ganze Proviſion von Ta-
felwein, die ihm der Schiffer anvertrauete, bis auf den lezten Tropfen verzehrt. Ein noch
auf bewahrtes fettes Schwein und Federvieh waren waͤhrend des Sturms umgekommen.
Unſer Koch konte uns alſo weiter nichts, als gekochten Reis, Cajan und altes Spek auftragen;
und wir muſten uns vorjezt hiemit nebſt der Hofnung begnuͤgen, daß wir bei der ſtillen
See bald wuͤrden friſche Fiſche fangen koͤnnen. Die erſte und muͤhſamſte Arbeit war heu-
te, das Seilwerk anzuziehen, welches durch Sturm und Schlingern ausgedehnt und ſo
ſchlap geworden war, daß es nicht laͤnger die Maſten anhalten konte. Andere bemuͤhten
ſich unterdes die Oefnung im Schiffe aufzuſuchen, welche doch damals noch nicht gefunden
wurde. Hernach wurden auch noch durchnezte ſeidene Packen und Felle aus dem Raume
auf den Oberboden gebracht; und auf dieſe Art fuhr man dieſen und die beiden folgenden
Tage mit Troknen der Waaren, der Kleider und Betzeuge fort. Unſer Lauf war noch N.
O. und nach N. N. O. mit Oſt und Oſt gen Nord Winde; die Hoͤhe Mittags 29 Gr. 20
Min. und Abends die Tiefe 43 Klaftern.
Den 1ſten September fanden wir eine Oefnung unter der Kuͤche; um ſelbige zu
ſtopfen, wurde das Schif einige Stunden uͤber die andere Seite gelegt. Andere Oefnun-
gen, um derentwillen wir noch ſtuͤndlich pumpen muſten, fand man noch nicht, wir urtheilten
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/154>, abgerufen am 22.07.2024.
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