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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Drit. Kap. Abreise des Verfassers von Judja.

oder Horinzothal Linie mit dem Strom. Und doch kömt es immer eher hervor, und über-
schwemt das flache Land, ehe der Strom so hoch wächst, daß er über seine Ufer trit.

Drittens, das Grundwasser ist an allen Orten im Lande salpetrisch, nicht salzig,
und daher nicht trinkbar. Der Flus aber hat beständig ein gesundes, süßes und trink-
bares (wiewol trübes) Wasser.

Viertens. Obgleich alles Wasser nach dem Meere, als einem von Natur niedri-
gen Orte abläuft; so findet man doch die Ueberschwemmung nicht sowol in denen am Meere ge-
legenen Ländern, als oben und in der Mitte des Reichs.

Fünftens, das Wasser, welches die besamete Felder überschwemt, befördert den
Wachsthum des Reißes so ungemein, daß der Halm beständig mit dem Wasser zunimt,
und die Aehren sich über die Fläche erheben. Wenn sie reif sind, schneiden sie die Schnit-
ter ab, und erndten sie mit Kähnen ein. Das Stroh, welches oft von unglaublicher Län-
ge ist, überlassen sie dem Wasser.

Sechstens. Wenn das Wasser abfält und vom platten Lande sich wieder in seine
Ufer begiebt, pflegt man ein häufiges Sterben unter Menschen und Vieh zu befürchten.
Um dieses zu verhüten, wird mit dem Anfange der Nordjahrszeit (so nent man die Zeit,
da die Nordwinde die Gewässer hinuntertreiben und den Abflus befördern,) durch das gan-
ze Reich ein Fest gefeiert, um die verzehrenden Geister, welche nach abgelaufenem Was-
ser zurükbleiben, auszusöhnen. Die Feier besteht darin, daß man bei großen Tempeln,
am königlichen Hofe und in den Häusern der Vornehmen papierne Leuchten brennen, und
die Pfaffen in den Klöstern gewisse Gebete absingen läst. Die Europäer haben die Be-
merkung gemacht, daß, wenn das Wasser langsam fortgeht, und der Abflus nicht durch
strenge Nordwinde, welche um diese Zeit gewaltig zu wehen pflegen, fortgeholfen und be-
schleunigt wird, daß alsdann der Schlam auf dem Lande liegen bleibe, und durch seinen
Gestank das Sterben verursache.

Die Ufer dieses Flusses sind niedrig und gröstentheils morastig; jedoch von der
Hauptstadt Judja bis Bankok (welches etwa den dritten Theil des Wegs zum Meere
ausmacht) ziemlich bewohnt. Man sieht zuweilen bewohnte Dörfer auf Pfählen stehn,
deren Häuser wie Ziegenhütten von schlechter Materie zusammengeflochten sind. Biswei-
len bemerkt man auch schöne Tempel und Wohnungen der Pfaffen, und eine Menge frucht-
und unfruchtbarer Bäume. Von Bankok aber bis zum Hafen ist alles mit Wildnissen
und morastigen Wäldern besezt; auch aller Orten Bambus und Gabbe Gabbe (eine
Staude mit Palmsträuchen) zu finden, welche beide Gewächse den Einwohnern die Ma-
terie reichen, aus der sie auf dem Lande ihre Mauern, Dächer und Häuser flechten.

Dreierlei Thiere geben den Reisenden auf diesem Flusse einen unterhaltenden An-
blik, besonders auf dem Wege von Bankok bis zum Meere. Sie erscheinen aber gemei-

nig-
H
Drit. Kap. Abreiſe des Verfaſſers von Judja.

oder Horinzothal Linie mit dem Strom. Und doch koͤmt es immer eher hervor, und uͤber-
ſchwemt das flache Land, ehe der Strom ſo hoch waͤchſt, daß er uͤber ſeine Ufer trit.

Drittens, das Grundwaſſer iſt an allen Orten im Lande ſalpetriſch, nicht ſalzig,
und daher nicht trinkbar. Der Flus aber hat beſtaͤndig ein geſundes, ſuͤßes und trink-
bares (wiewol truͤbes) Waſſer.

Viertens. Obgleich alles Waſſer nach dem Meere, als einem von Natur niedri-
gen Orte ablaͤuft; ſo findet man doch die Ueberſchwemmung nicht ſowol in denen am Meere ge-
legenen Laͤndern, als oben und in der Mitte des Reichs.

Fuͤnftens, das Waſſer, welches die beſamete Felder uͤberſchwemt, befoͤrdert den
Wachsthum des Reißes ſo ungemein, daß der Halm beſtaͤndig mit dem Waſſer zunimt,
und die Aehren ſich uͤber die Flaͤche erheben. Wenn ſie reif ſind, ſchneiden ſie die Schnit-
ter ab, und erndten ſie mit Kaͤhnen ein. Das Stroh, welches oft von unglaublicher Laͤn-
ge iſt, uͤberlaſſen ſie dem Waſſer.

Sechſtens. Wenn das Waſſer abfaͤlt und vom platten Lande ſich wieder in ſeine
Ufer begiebt, pflegt man ein haͤufiges Sterben unter Menſchen und Vieh zu befuͤrchten.
Um dieſes zu verhuͤten, wird mit dem Anfange der Nordjahrszeit (ſo nent man die Zeit,
da die Nordwinde die Gewaͤſſer hinuntertreiben und den Abflus befoͤrdern,) durch das gan-
ze Reich ein Feſt gefeiert, um die verzehrenden Geiſter, welche nach abgelaufenem Waſ-
ſer zuruͤkbleiben, auszuſoͤhnen. Die Feier beſteht darin, daß man bei großen Tempeln,
am koͤniglichen Hofe und in den Haͤuſern der Vornehmen papierne Leuchten brennen, und
die Pfaffen in den Kloͤſtern gewiſſe Gebete abſingen laͤſt. Die Europaͤer haben die Be-
merkung gemacht, daß, wenn das Waſſer langſam fortgeht, und der Abflus nicht durch
ſtrenge Nordwinde, welche um dieſe Zeit gewaltig zu wehen pflegen, fortgeholfen und be-
ſchleunigt wird, daß alsdann der Schlam auf dem Lande liegen bleibe, und durch ſeinen
Geſtank das Sterben verurſache.

Die Ufer dieſes Fluſſes ſind niedrig und groͤſtentheils moraſtig; jedoch von der
Hauptſtadt Judja bis Bankok (welches etwa den dritten Theil des Wegs zum Meere
ausmacht) ziemlich bewohnt. Man ſieht zuweilen bewohnte Doͤrfer auf Pfaͤhlen ſtehn,
deren Haͤuſer wie Ziegenhuͤtten von ſchlechter Materie zuſammengeflochten ſind. Biswei-
len bemerkt man auch ſchoͤne Tempel und Wohnungen der Pfaffen, und eine Menge frucht-
und unfruchtbarer Baͤume. Von Bankok aber bis zum Hafen iſt alles mit Wildniſſen
und moraſtigen Waͤldern beſezt; auch aller Orten Bambus und Gabbe Gabbe (eine
Staude mit Palmſtraͤuchen) zu finden, welche beide Gewaͤchſe den Einwohnern die Ma-
terie reichen, aus der ſie auf dem Lande ihre Mauern, Daͤcher und Haͤuſer flechten.

Dreierlei Thiere geben den Reiſenden auf dieſem Fluſſe einen unterhaltenden An-
blik, beſonders auf dem Wege von Bankok bis zum Meere. Sie erſcheinen aber gemei-

nig-
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[57/0145] Drit. Kap. Abreiſe des Verfaſſers von Judja. oder Horinzothal Linie mit dem Strom. Und doch koͤmt es immer eher hervor, und uͤber- ſchwemt das flache Land, ehe der Strom ſo hoch waͤchſt, daß er uͤber ſeine Ufer trit. Drittens, das Grundwaſſer iſt an allen Orten im Lande ſalpetriſch, nicht ſalzig, und daher nicht trinkbar. Der Flus aber hat beſtaͤndig ein geſundes, ſuͤßes und trink- bares (wiewol truͤbes) Waſſer. Viertens. Obgleich alles Waſſer nach dem Meere, als einem von Natur niedri- gen Orte ablaͤuft; ſo findet man doch die Ueberſchwemmung nicht ſowol in denen am Meere ge- legenen Laͤndern, als oben und in der Mitte des Reichs. Fuͤnftens, das Waſſer, welches die beſamete Felder uͤberſchwemt, befoͤrdert den Wachsthum des Reißes ſo ungemein, daß der Halm beſtaͤndig mit dem Waſſer zunimt, und die Aehren ſich uͤber die Flaͤche erheben. Wenn ſie reif ſind, ſchneiden ſie die Schnit- ter ab, und erndten ſie mit Kaͤhnen ein. Das Stroh, welches oft von unglaublicher Laͤn- ge iſt, uͤberlaſſen ſie dem Waſſer. Sechſtens. Wenn das Waſſer abfaͤlt und vom platten Lande ſich wieder in ſeine Ufer begiebt, pflegt man ein haͤufiges Sterben unter Menſchen und Vieh zu befuͤrchten. Um dieſes zu verhuͤten, wird mit dem Anfange der Nordjahrszeit (ſo nent man die Zeit, da die Nordwinde die Gewaͤſſer hinuntertreiben und den Abflus befoͤrdern,) durch das gan- ze Reich ein Feſt gefeiert, um die verzehrenden Geiſter, welche nach abgelaufenem Waſ- ſer zuruͤkbleiben, auszuſoͤhnen. Die Feier beſteht darin, daß man bei großen Tempeln, am koͤniglichen Hofe und in den Haͤuſern der Vornehmen papierne Leuchten brennen, und die Pfaffen in den Kloͤſtern gewiſſe Gebete abſingen laͤſt. Die Europaͤer haben die Be- merkung gemacht, daß, wenn das Waſſer langſam fortgeht, und der Abflus nicht durch ſtrenge Nordwinde, welche um dieſe Zeit gewaltig zu wehen pflegen, fortgeholfen und be- ſchleunigt wird, daß alsdann der Schlam auf dem Lande liegen bleibe, und durch ſeinen Geſtank das Sterben verurſache. Die Ufer dieſes Fluſſes ſind niedrig und groͤſtentheils moraſtig; jedoch von der Hauptſtadt Judja bis Bankok (welches etwa den dritten Theil des Wegs zum Meere ausmacht) ziemlich bewohnt. Man ſieht zuweilen bewohnte Doͤrfer auf Pfaͤhlen ſtehn, deren Haͤuſer wie Ziegenhuͤtten von ſchlechter Materie zuſammengeflochten ſind. Biswei- len bemerkt man auch ſchoͤne Tempel und Wohnungen der Pfaffen, und eine Menge frucht- und unfruchtbarer Baͤume. Von Bankok aber bis zum Hafen iſt alles mit Wildniſſen und moraſtigen Waͤldern beſezt; auch aller Orten Bambus und Gabbe Gabbe (eine Staude mit Palmſtraͤuchen) zu finden, welche beide Gewaͤchſe den Einwohnern die Ma- terie reichen, aus der ſie auf dem Lande ihre Mauern, Daͤcher und Haͤuſer flechten. Dreierlei Thiere geben den Reiſenden auf dieſem Fluſſe einen unterhaltenden An- blik, beſonders auf dem Wege von Bankok bis zum Meere. Sie erſcheinen aber gemei- nig- H

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/145>, abgerufen am 24.11.2024.