Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.tausend Livres, wie seine Tochter, sehr füglich einen Mann ohne Vermögen, zumal einen Kaufmann, heirathen könnte, dessen Industrie diese Summe in kurzer Zeit zu verdoppeln vermöchte. Es war ihm nur um meinetwillen. Um mir nicht gänzlich zu widersprechen, beklagte ich allerdings den Verlust der schönen Constance, versicherte indessen, daß die reizende Angelique selbst den unglücklichsten Liebhaber zu trösten vermöchte, und daß ich gar nicht zweifelte, sie in kurzer Zeit leidenschaftlich zu lieben, sobald ich dazu berechtigt wäre. So wurde endlich der Handel geschlossen, und wir gingen zu den beiden Mädchen, um ihnen, die von nichts wußten, ihr Schicksal anzukündigen. Mir wurde bange, als ich ihnen gegenüber stand -- nicht vor der schönen Constance, deren geheime Wünsche befriedigt werden sollten, aber wohl vor dem kecken Gesichte meiner neuen Geliebten, welches die meinigen etwas stark zu salzen verhieß. Vorher hatte ich ihr immer Gleiches mit Gleichem vergolten -- heute gab ich mich der Unbarmherzigen mit dem Gefühle der Wehrlosigkeit hin. Schöne Constance, nahm ich nach unserer Verabredung das Wort, als Mr. D'Argenet eintrat, den wir hatten rufen lassen, dieser junge Mann hat früheres Recht auf Ihre Hand, als ich, und verdient Sie unstreitig mehr, da Sie ihm selbst diese Rechte gegeben haben. Ich breche mein Herz, indem ich die Bande breche, die bisher zwischen uns stattfanden; tausend Livres, wie seine Tochter, sehr füglich einen Mann ohne Vermögen, zumal einen Kaufmann, heirathen könnte, dessen Industrie diese Summe in kurzer Zeit zu verdoppeln vermöchte. Es war ihm nur um meinetwillen. Um mir nicht gänzlich zu widersprechen, beklagte ich allerdings den Verlust der schönen Constance, versicherte indessen, daß die reizende Angelique selbst den unglücklichsten Liebhaber zu trösten vermöchte, und daß ich gar nicht zweifelte, sie in kurzer Zeit leidenschaftlich zu lieben, sobald ich dazu berechtigt wäre. So wurde endlich der Handel geschlossen, und wir gingen zu den beiden Mädchen, um ihnen, die von nichts wußten, ihr Schicksal anzukündigen. Mir wurde bange, als ich ihnen gegenüber stand — nicht vor der schönen Constance, deren geheime Wünsche befriedigt werden sollten, aber wohl vor dem kecken Gesichte meiner neuen Geliebten, welches die meinigen etwas stark zu salzen verhieß. Vorher hatte ich ihr immer Gleiches mit Gleichem vergolten — heute gab ich mich der Unbarmherzigen mit dem Gefühle der Wehrlosigkeit hin. Schöne Constance, nahm ich nach unserer Verabredung das Wort, als Mr. D'Argenet eintrat, den wir hatten rufen lassen, dieser junge Mann hat früheres Recht auf Ihre Hand, als ich, und verdient Sie unstreitig mehr, da Sie ihm selbst diese Rechte gegeben haben. Ich breche mein Herz, indem ich die Bande breche, die bisher zwischen uns stattfanden; <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="12"> <p><pb facs="#f0045"/> tausend Livres, wie seine Tochter, sehr füglich einen Mann ohne Vermögen, zumal einen Kaufmann, heirathen könnte, dessen Industrie diese Summe in kurzer Zeit zu verdoppeln vermöchte. Es war ihm nur um meinetwillen. Um mir nicht gänzlich zu widersprechen, beklagte ich allerdings den Verlust der schönen Constance, versicherte indessen, daß die reizende Angelique selbst den unglücklichsten Liebhaber zu trösten vermöchte, und daß ich gar nicht zweifelte, sie in kurzer Zeit leidenschaftlich zu lieben, sobald ich dazu berechtigt wäre. So wurde endlich der Handel geschlossen, und wir gingen zu den beiden Mädchen, um ihnen, die von nichts wußten, ihr Schicksal anzukündigen.</p><lb/> <p>Mir wurde bange, als ich ihnen gegenüber stand — nicht vor der schönen Constance, deren geheime Wünsche befriedigt werden sollten, aber wohl vor dem kecken Gesichte meiner neuen Geliebten, welches die meinigen etwas stark zu salzen verhieß. Vorher hatte ich ihr immer Gleiches mit Gleichem vergolten — heute gab ich mich der Unbarmherzigen mit dem Gefühle der Wehrlosigkeit hin.</p><lb/> <p>Schöne Constance, nahm ich nach unserer Verabredung das Wort, als Mr. D'Argenet eintrat, den wir hatten rufen lassen, dieser junge Mann hat früheres Recht auf Ihre Hand, als ich, und verdient Sie unstreitig mehr, da Sie ihm selbst diese Rechte gegeben haben. Ich breche mein Herz, indem ich die Bande breche, die bisher zwischen uns stattfanden;<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0045]
tausend Livres, wie seine Tochter, sehr füglich einen Mann ohne Vermögen, zumal einen Kaufmann, heirathen könnte, dessen Industrie diese Summe in kurzer Zeit zu verdoppeln vermöchte. Es war ihm nur um meinetwillen. Um mir nicht gänzlich zu widersprechen, beklagte ich allerdings den Verlust der schönen Constance, versicherte indessen, daß die reizende Angelique selbst den unglücklichsten Liebhaber zu trösten vermöchte, und daß ich gar nicht zweifelte, sie in kurzer Zeit leidenschaftlich zu lieben, sobald ich dazu berechtigt wäre. So wurde endlich der Handel geschlossen, und wir gingen zu den beiden Mädchen, um ihnen, die von nichts wußten, ihr Schicksal anzukündigen.
Mir wurde bange, als ich ihnen gegenüber stand — nicht vor der schönen Constance, deren geheime Wünsche befriedigt werden sollten, aber wohl vor dem kecken Gesichte meiner neuen Geliebten, welches die meinigen etwas stark zu salzen verhieß. Vorher hatte ich ihr immer Gleiches mit Gleichem vergolten — heute gab ich mich der Unbarmherzigen mit dem Gefühle der Wehrlosigkeit hin.
Schöne Constance, nahm ich nach unserer Verabredung das Wort, als Mr. D'Argenet eintrat, den wir hatten rufen lassen, dieser junge Mann hat früheres Recht auf Ihre Hand, als ich, und verdient Sie unstreitig mehr, da Sie ihm selbst diese Rechte gegeben haben. Ich breche mein Herz, indem ich die Bande breche, die bisher zwischen uns stattfanden;
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/45 |
Zitationshilfe: | Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/45>, abgerufen am 16.02.2025. |