Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie äußern für Ihr Alter sehr lobenswürdige Gesinnungen, Mr. Waltmann. -- Sie wollten ihre künftigen Männer erst kennen, und dann lieben; und Jeder, der sich um sie bewarb, erhielt Zutritt in meinem Hause, um meine Töchter gleichfalls näher kennen zu lernen, während er selbst sich der Prüfung bloßstellte.

Welche Weisheit! Gewiß, Ihre Töchter, Mr. Gerson, sind nicht bloß die Grazien, auch die Minerven von Frankreich!

In Wahrheit sehr gute Mädchen, Mr. Waltmann -- aber diese lobenswürdige Vorsicht hatte sehr unangenehme Folgen. Kein junger Mann von Geschmack und Empfindung kam in mein Haus, der nicht bei näherer Bekanntschaft immer unschlüssiger in seiner Wahl geworden wäre. Sie wurde um so schwieriger, weil meine Töchter sich gegenseitig verbunden hatten, keinem eher die mindeste Aufmunterung zu geben, und jedes Gefühl von Liebe in sich selbst zu ersticken, bis eine von ihnen unter den angeführten Bedingungen die Wahl getroffen hätte.

Unglaublich, Mr. Gerson.

Ich würde selbst daran zweifeln, hätte ich nicht die Erfahrung selbst gemacht; aber, auf das Wort eines ehrlichen Mannes, wenigstens dreißig anständige Partieen sind auf diese Weise für meine Töchter verloren gegangen.

Das macht zehn für jede; aber Sie betrüben

Sie äußern für Ihr Alter sehr lobenswürdige Gesinnungen, Mr. Waltmann. — Sie wollten ihre künftigen Männer erst kennen, und dann lieben; und Jeder, der sich um sie bewarb, erhielt Zutritt in meinem Hause, um meine Töchter gleichfalls näher kennen zu lernen, während er selbst sich der Prüfung bloßstellte.

Welche Weisheit! Gewiß, Ihre Töchter, Mr. Gerson, sind nicht bloß die Grazien, auch die Minerven von Frankreich!

In Wahrheit sehr gute Mädchen, Mr. Waltmann — aber diese lobenswürdige Vorsicht hatte sehr unangenehme Folgen. Kein junger Mann von Geschmack und Empfindung kam in mein Haus, der nicht bei näherer Bekanntschaft immer unschlüssiger in seiner Wahl geworden wäre. Sie wurde um so schwieriger, weil meine Töchter sich gegenseitig verbunden hatten, keinem eher die mindeste Aufmunterung zu geben, und jedes Gefühl von Liebe in sich selbst zu ersticken, bis eine von ihnen unter den angeführten Bedingungen die Wahl getroffen hätte.

Unglaublich, Mr. Gerson.

Ich würde selbst daran zweifeln, hätte ich nicht die Erfahrung selbst gemacht; aber, auf das Wort eines ehrlichen Mannes, wenigstens dreißig anständige Partieen sind auf diese Weise für meine Töchter verloren gegangen.

Das macht zehn für jede; aber Sie betrüben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="8">
        <pb facs="#f0030"/>
        <p>Sie äußern für Ihr Alter sehr lobenswürdige Gesinnungen, Mr. Waltmann. &#x2014; Sie wollten                ihre künftigen Männer erst kennen, und dann lieben; und Jeder, der sich um sie                bewarb, erhielt Zutritt in meinem Hause, um meine Töchter gleichfalls näher kennen zu                lernen, während er selbst sich der Prüfung bloßstellte.</p><lb/>
        <p>Welche Weisheit! Gewiß, Ihre Töchter, Mr. Gerson, sind nicht bloß die Grazien, auch                die Minerven von Frankreich!</p><lb/>
        <p>In Wahrheit sehr gute Mädchen, Mr. Waltmann &#x2014; aber diese lobenswürdige Vorsicht hatte                sehr unangenehme Folgen. Kein junger Mann von Geschmack und Empfindung kam in mein                Haus, der nicht bei näherer Bekanntschaft immer unschlüssiger in seiner Wahl geworden                wäre. Sie wurde um so schwieriger, weil meine Töchter sich gegenseitig verbunden                hatten, keinem eher die mindeste Aufmunterung zu geben, und jedes Gefühl von Liebe in                sich selbst zu ersticken, bis eine von ihnen unter den angeführten Bedingungen die                Wahl getroffen hätte.</p><lb/>
        <p>Unglaublich, Mr. Gerson.</p><lb/>
        <p>Ich würde selbst daran zweifeln, hätte ich nicht die Erfahrung selbst gemacht; aber,                auf das Wort eines ehrlichen Mannes, wenigstens dreißig anständige Partieen sind auf                diese Weise für meine Töchter verloren gegangen.</p><lb/>
        <p>Das macht zehn für jede; aber Sie betrüben<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0030] Sie äußern für Ihr Alter sehr lobenswürdige Gesinnungen, Mr. Waltmann. — Sie wollten ihre künftigen Männer erst kennen, und dann lieben; und Jeder, der sich um sie bewarb, erhielt Zutritt in meinem Hause, um meine Töchter gleichfalls näher kennen zu lernen, während er selbst sich der Prüfung bloßstellte. Welche Weisheit! Gewiß, Ihre Töchter, Mr. Gerson, sind nicht bloß die Grazien, auch die Minerven von Frankreich! In Wahrheit sehr gute Mädchen, Mr. Waltmann — aber diese lobenswürdige Vorsicht hatte sehr unangenehme Folgen. Kein junger Mann von Geschmack und Empfindung kam in mein Haus, der nicht bei näherer Bekanntschaft immer unschlüssiger in seiner Wahl geworden wäre. Sie wurde um so schwieriger, weil meine Töchter sich gegenseitig verbunden hatten, keinem eher die mindeste Aufmunterung zu geben, und jedes Gefühl von Liebe in sich selbst zu ersticken, bis eine von ihnen unter den angeführten Bedingungen die Wahl getroffen hätte. Unglaublich, Mr. Gerson. Ich würde selbst daran zweifeln, hätte ich nicht die Erfahrung selbst gemacht; aber, auf das Wort eines ehrlichen Mannes, wenigstens dreißig anständige Partieen sind auf diese Weise für meine Töchter verloren gegangen. Das macht zehn für jede; aber Sie betrüben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:26:46Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:26:46Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/30
Zitationshilfe: Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/30>, abgerufen am 25.11.2024.