gleichfarbigen Wange stehende Linie des Nasenrückens durch kein Hülfsmittel angedeutet, und doch ist keine Form un- klar. Der Kontrast der Werthmassen, besonders aber die Unter- drückung der Nüancen, verstärkt den Eindruck sonnigen Lichts, der an Solimena's Beleuchtungssystem erinnert. Ganz unge- wöhnlich ist der auf Oberlicht beruhende Umfang der Schatten, welche den grössten Theil der Augenhöhle füllen und auch das hervortretende Jochbein stark betonen; dieselben werden aber durch ein schwaches Reflexlicht vor Dumpfheit bewahrt.
Palomino nennt mehrere Bildnisse von Hofleuten, für deren etwaige Wiedererkennung wir aber keinen Anhaltspunkt haben, darunter zwei Maestros de Camara: das des D. Nicolas de Cardona Lusigniano, und das "sehr gefeierte" des Pereyra, Ritters des Christusordens, "mit ungewöhnlicher Meisterschaft und Geschick- lichkeit gemalt". Ferner das des D. Fernando de Fonseca Ruiz de Contreras, Marques de la Lapilla, Santiagoritters; und des Beichtvaters der Königin, des Trinitariers Fray Simon Roxas, + 1624, gemalt im Tode.
In der Dresdener Galerie (Nr. 698; 0,651/2 x 0,56) ist das Bildniss eines solchen Ordensritters. Ein ältlicher Herr von vor- nehmem Wesen; die goldene Brustkette trug vielleicht das Schild- chen, das rothe Kreuz ist mit wenigen breiten Strichen am Mantel angedeutet. Die ergrauten, stark gelichteten Haare sprechen von sorgenvollen Jahren, nach seiner jetzigen Wohlbeleibtheit aber scheint er den Dienst im Feld mit dem bequemen Sitz in irgend einem Consejo vertauscht zu haben.
Diess Brustbild ist interessant, weil es in seinem unfertigen Zustand den Maler mitten in der Arbeit zeigt. Der Kopf ist wieder auf hellem Grund mit leichtem Braun skizzirt, und dann gleichmässig, selbst, so scheint es, den Schädel mit eingeschlossen, mit einem mittlern Fleischton übergangen und die Ausführung begonnen. Dann muss eine längere Unterbrechung stattgefun- den haben. Die Haare sind von auffallend ungleicher Farbe, selbst die beiden Flügel des Schnurrbarts; diess scheint von zwei Ansätzen herzurühren, zwischen denen das Original mehr ergraut war. Bei der Retouche wurde ein frischer heller Ton übers Gesicht gelegt; die Aussparung von Haarbüscheln, Augen, bigote ist deutlich zu sehen. Vielleicht ist es Zufall, dass hierbei die Augen, besonders das rechte, glanzlose, ein krankhaftes, ent- zündetes Aussehn bekommen haben. In jenes helle Incarnat sollte wahrscheinlich die Modellirung mit grauen Halbtönen hinein
Bildnisse Unbekannter.
gleichfarbigen Wange stehende Linie des Nasenrückens durch kein Hülfsmittel angedeutet, und doch ist keine Form un- klar. Der Kontrast der Werthmassen, besonders aber die Unter- drückung der Nüancen, verstärkt den Eindruck sonnigen Lichts, der an Solimena’s Beleuchtungssystem erinnert. Ganz unge- wöhnlich ist der auf Oberlicht beruhende Umfang der Schatten, welche den grössten Theil der Augenhöhle füllen und auch das hervortretende Jochbein stark betonen; dieselben werden aber durch ein schwaches Reflexlicht vor Dumpfheit bewahrt.
Palomino nennt mehrere Bildnisse von Hofleuten, für deren etwaige Wiedererkennung wir aber keinen Anhaltspunkt haben, darunter zwei Maestros de Camara: das des D. Nicolas de Cardona Lusigniano, und das „sehr gefeierte“ des Pereyra, Ritters des Christusordens, „mit ungewöhnlicher Meisterschaft und Geschick- lichkeit gemalt“. Ferner das des D. Fernando de Fonseca Ruiz de Contreras, Marques de la Lapilla, Santiagoritters; und des Beichtvaters der Königin, des Trinitariers Fray Simon Roxas, † 1624, gemalt im Tode.
In der Dresdener Galerie (Nr. 698; 0,65½ × 0,56) ist das Bildniss eines solchen Ordensritters. Ein ältlicher Herr von vor- nehmem Wesen; die goldene Brustkette trug vielleicht das Schild- chen, das rothe Kreuz ist mit wenigen breiten Strichen am Mantel angedeutet. Die ergrauten, stark gelichteten Haare sprechen von sorgenvollen Jahren, nach seiner jetzigen Wohlbeleibtheit aber scheint er den Dienst im Feld mit dem bequemen Sitz in irgend einem Consejo vertauscht zu haben.
Diess Brustbild ist interessant, weil es in seinem unfertigen Zustand den Maler mitten in der Arbeit zeigt. Der Kopf ist wieder auf hellem Grund mit leichtem Braun skizzirt, und dann gleichmässig, selbst, so scheint es, den Schädel mit eingeschlossen, mit einem mittlern Fleischton übergangen und die Ausführung begonnen. Dann muss eine längere Unterbrechung stattgefun- den haben. Die Haare sind von auffallend ungleicher Farbe, selbst die beiden Flügel des Schnurrbarts; diess scheint von zwei Ansätzen herzurühren, zwischen denen das Original mehr ergraut war. Bei der Retouche wurde ein frischer heller Ton übers Gesicht gelegt; die Aussparung von Haarbüscheln, Augen, bigote ist deutlich zu sehen. Vielleicht ist es Zufall, dass hierbei die Augen, besonders das rechte, glanzlose, ein krankhaftes, ent- zündetes Aussehn bekommen haben. In jenes helle Incarnat sollte wahrscheinlich die Modellirung mit grauen Halbtönen hinein
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Bildnisse Unbekannter.
gleichfarbigen Wange stehende Linie des Nasenrückens durch
kein Hülfsmittel angedeutet, und doch ist keine Form un-
klar. Der Kontrast der Werthmassen, besonders aber die Unter-
drückung der Nüancen, verstärkt den Eindruck sonnigen Lichts,
der an Solimena’s Beleuchtungssystem erinnert. Ganz unge-
wöhnlich ist der auf Oberlicht beruhende Umfang der Schatten,
welche den grössten Theil der Augenhöhle füllen und auch das
hervortretende Jochbein stark betonen; dieselben werden aber
durch ein schwaches Reflexlicht vor Dumpfheit bewahrt.
Palomino nennt mehrere Bildnisse von Hofleuten, für deren
etwaige Wiedererkennung wir aber keinen Anhaltspunkt haben,
darunter zwei Maestros de Camara: das des D. Nicolas de Cardona
Lusigniano, und das „sehr gefeierte“ des Pereyra, Ritters des
Christusordens, „mit ungewöhnlicher Meisterschaft und Geschick-
lichkeit gemalt“. Ferner das des D. Fernando de Fonseca Ruiz
de Contreras, Marques de la Lapilla, Santiagoritters; und des
Beichtvaters der Königin, des Trinitariers Fray Simon Roxas,
† 1624, gemalt im Tode.
In der Dresdener Galerie (Nr. 698; 0,65½ × 0,56) ist das
Bildniss eines solchen Ordensritters. Ein ältlicher Herr von vor-
nehmem Wesen; die goldene Brustkette trug vielleicht das Schild-
chen, das rothe Kreuz ist mit wenigen breiten Strichen am Mantel
angedeutet. Die ergrauten, stark gelichteten Haare sprechen
von sorgenvollen Jahren, nach seiner jetzigen Wohlbeleibtheit
aber scheint er den Dienst im Feld mit dem bequemen Sitz in
irgend einem Consejo vertauscht zu haben.
Diess Brustbild ist interessant, weil es in seinem unfertigen
Zustand den Maler mitten in der Arbeit zeigt. Der Kopf ist
wieder auf hellem Grund mit leichtem Braun skizzirt, und dann
gleichmässig, selbst, so scheint es, den Schädel mit eingeschlossen,
mit einem mittlern Fleischton übergangen und die Ausführung
begonnen. Dann muss eine längere Unterbrechung stattgefun-
den haben. Die Haare sind von auffallend ungleicher Farbe,
selbst die beiden Flügel des Schnurrbarts; diess scheint von
zwei Ansätzen herzurühren, zwischen denen das Original mehr
ergraut war. Bei der Retouche wurde ein frischer heller Ton
übers Gesicht gelegt; die Aussparung von Haarbüscheln, Augen,
bigote ist deutlich zu sehen. Vielleicht ist es Zufall, dass hierbei
die Augen, besonders das rechte, glanzlose, ein krankhaftes, ent-
zündetes Aussehn bekommen haben. In jenes helle Incarnat
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/97>, abgerufen am 16.02.2025.
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