war die Weissagung durch diese Kanonisation nun erfüllt, wäh- rend andere noch einen dritten Nachfolger Petri aus dem Hause erwarteten.
Der damals in Rom als Protektor der Krone Spaniens residirende Cardinal Gaspar soll sich der letzteren Auslegung angeschlossen haben. Er war hochangesehn durch Rechtlichkeit der Gesinnung, verehrt vom Volk und "Vater der Armen" genannt wegen seiner grossartigen Wolthätigkeit; der Venezianer Giustiniani rühmt ihm auch hervorragende Feinheit, Geschick- lichkeit und Talent nach 1). Andere dachten gering von seiner Begabung, und der Cardinal Zapata spottete über die Enthalt- samkeit, welche er sich, im Hinblick auf jenes Ziel, wiewol ver- geblich, aufzwinge 2). Der Charakterzug, der uns aus seinen öffentlichen Handlungen hauptsächlich entgegentritt, war Energie des Willens bis zur Schroffheit und zuweilen Kleinlichkeit -- in der Vertretung des Staatsinteresses und der Etikette; verbunden mit unzweifelhaftem persönlichem Muth. Eigenschaften, die den spanischen Staatsmännern jener Zeit allein noch geblieben zu sein schienen, nachdem die Weisheit, das Feldherrngenie, der Unternehmungsgeist und die organisatorische Begabung früherer Tage abhanden gekommen waren.
In der Geschichte der Zeit erscheint sein Name zuerst im Jahre 1620, als er mit der delikaten Aufgabe betraut wurde, den Vicekönig Osuna von seinem Posten in Neapel zu entfernen. Die Schwierigkeit lag darin, dass weder der Cardinal förmliche Vollmacht und Verhaltungsregeln, noch der Herzog die kö- nigliche Abberufung erhalten hatte. Charakteristisch für die Zeit Philipp III, wo eine Adelsfamilie mit ihrem Anhang den Staat mit Beschlag belegt hatte, ist diese Freiheit zu handeln, die den höchsten Staatsbeamten in den wichtigsten Fragen ge- lassen wurde.
Der Herzog von Osuna hatte als Vicekönig von Sicilien und Neapel das Ansehen der spanischen Flotte im ganzen Mittel- meer in die Höhe gebracht und die Erinnerung an den Tag von Le- panto neubelebt. Aber er hatte sich durch Auflagen verhasst gemacht, durch despotisch-formloses Gebahren den Adel ver- feindet und durch ein skandalöses Leben seine Person so
1) Conosciuto in Italia, d' esquisita finezza, desterita e talento ... Ministro stimato per i caratteri di sangue e della porpora, non men per i talenti e rettitudine d' intentione. Giustiniani, disp. di Madrid 25. Jan. und 30. Dec. 1645.
2) F. Gregorovius, Urban VIII, 103 ff.
Der Cardinal Borja.
war die Weissagung durch diese Kanonisation nun erfüllt, wäh- rend andere noch einen dritten Nachfolger Petri aus dem Hause erwarteten.
Der damals in Rom als Protektor der Krone Spaniens residirende Cardinal Gaspar soll sich der letzteren Auslegung angeschlossen haben. Er war hochangesehn durch Rechtlichkeit der Gesinnung, verehrt vom Volk und „Vater der Armen“ genannt wegen seiner grossartigen Wolthätigkeit; der Venezianer Giustiniani rühmt ihm auch hervorragende Feinheit, Geschick- lichkeit und Talent nach 1). Andere dachten gering von seiner Begabung, und der Cardinal Zapata spottete über die Enthalt- samkeit, welche er sich, im Hinblick auf jenes Ziel, wiewol ver- geblich, aufzwinge 2). Der Charakterzug, der uns aus seinen öffentlichen Handlungen hauptsächlich entgegentritt, war Energie des Willens bis zur Schroffheit und zuweilen Kleinlichkeit — in der Vertretung des Staatsinteresses und der Etikette; verbunden mit unzweifelhaftem persönlichem Muth. Eigenschaften, die den spanischen Staatsmännern jener Zeit allein noch geblieben zu sein schienen, nachdem die Weisheit, das Feldherrngenie, der Unternehmungsgeist und die organisatorische Begabung früherer Tage abhanden gekommen waren.
In der Geschichte der Zeit erscheint sein Name zuerst im Jahre 1620, als er mit der delikaten Aufgabe betraut wurde, den Vicekönig Osuna von seinem Posten in Neapel zu entfernen. Die Schwierigkeit lag darin, dass weder der Cardinal förmliche Vollmacht und Verhaltungsregeln, noch der Herzog die kö- nigliche Abberufung erhalten hatte. Charakteristisch für die Zeit Philipp III, wo eine Adelsfamilie mit ihrem Anhang den Staat mit Beschlag belegt hatte, ist diese Freiheit zu handeln, die den höchsten Staatsbeamten in den wichtigsten Fragen ge- lassen wurde.
Der Herzog von Osuna hatte als Vicekönig von Sicilien und Neapel das Ansehen der spanischen Flotte im ganzen Mittel- meer in die Höhe gebracht und die Erinnerung an den Tag von Le- panto neubelebt. Aber er hatte sich durch Auflagen verhasst gemacht, durch despotisch-formloses Gebahren den Adel ver- feindet und durch ein skandalöses Leben seine Person so
1) Conosciuto in Italia, d’ esquisita finezza, desterità e talento … Ministro stimato per i caratteri di sangue e della porpora, non men per i talenti e rettitudine d’ intentione. Giustiniani, disp. di Madrid 25. Jan. und 30. Dec. 1645.
2) F. Gregorovius, Urban VIII, 103 ff.
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[55/0075]
Der Cardinal Borja.
war die Weissagung durch diese Kanonisation nun erfüllt, wäh-
rend andere noch einen dritten Nachfolger Petri aus dem Hause
erwarteten.
Der damals in Rom als Protektor der Krone Spaniens
residirende Cardinal Gaspar soll sich der letzteren Auslegung
angeschlossen haben. Er war hochangesehn durch Rechtlichkeit
der Gesinnung, verehrt vom Volk und „Vater der Armen“
genannt wegen seiner grossartigen Wolthätigkeit; der Venezianer
Giustiniani rühmt ihm auch hervorragende Feinheit, Geschick-
lichkeit und Talent nach 1). Andere dachten gering von seiner
Begabung, und der Cardinal Zapata spottete über die Enthalt-
samkeit, welche er sich, im Hinblick auf jenes Ziel, wiewol ver-
geblich, aufzwinge 2). Der Charakterzug, der uns aus seinen
öffentlichen Handlungen hauptsächlich entgegentritt, war Energie
des Willens bis zur Schroffheit und zuweilen Kleinlichkeit — in
der Vertretung des Staatsinteresses und der Etikette; verbunden
mit unzweifelhaftem persönlichem Muth. Eigenschaften, die den
spanischen Staatsmännern jener Zeit allein noch geblieben zu
sein schienen, nachdem die Weisheit, das Feldherrngenie, der
Unternehmungsgeist und die organisatorische Begabung früherer
Tage abhanden gekommen waren.
In der Geschichte der Zeit erscheint sein Name zuerst im
Jahre 1620, als er mit der delikaten Aufgabe betraut wurde, den
Vicekönig Osuna von seinem Posten in Neapel zu entfernen.
Die Schwierigkeit lag darin, dass weder der Cardinal förmliche
Vollmacht und Verhaltungsregeln, noch der Herzog die kö-
nigliche Abberufung erhalten hatte. Charakteristisch für die
Zeit Philipp III, wo eine Adelsfamilie mit ihrem Anhang den
Staat mit Beschlag belegt hatte, ist diese Freiheit zu handeln,
die den höchsten Staatsbeamten in den wichtigsten Fragen ge-
lassen wurde.
Der Herzog von Osuna hatte als Vicekönig von Sicilien
und Neapel das Ansehen der spanischen Flotte im ganzen Mittel-
meer in die Höhe gebracht und die Erinnerung an den Tag von Le-
panto neubelebt. Aber er hatte sich durch Auflagen verhasst
gemacht, durch despotisch-formloses Gebahren den Adel ver-
feindet und durch ein skandalöses Leben seine Person so
1) Conosciuto in Italia, d’ esquisita finezza, desterità e talento … Ministro
stimato per i caratteri di sangue e della porpora, non men per i talenti e rettitudine
d’ intentione. Giustiniani, disp. di Madrid 25. Jan. und 30. Dec. 1645.
2) F. Gregorovius, Urban VIII, 103 ff.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/75>, abgerufen am 17.02.2025.
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