welche die Edelleute des Hofs sich zu Grunde richteten? Oder der Toledanerinnen der Komödie, welche beim Empfang des Weih- wassers Blicke versandten, die verlobte Cavaliere am Vorabend der Hochzeit ungetreu machten? Ein Labyrinth von Kälte und Feuer, Bigotterie und Weltsinn, Stolz und Buhlerei!
Von unsrer Unbekannten giebt es noch ein anderes Bild- niss, welches neben diesem mehr als Repräsentations-, weniger als Situationsbild erscheint. Es befindet sich in Chiswick House, dem Landsitz des Herzogs von Devonshire, schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts. (28" x 181/2".)
Der Hauptunterschied liegt in der Tracht. Sie ist reicher, kostbarer in den Stoffen, besonders Spitzen, heiterer in der Farbe, aber zurückhaltender, vornehmer. Die schlichte, schwarze hat sie mit einer reichen Spitzenmantilla vertauscht, deren blumenförmig ausgeschnittener Saum tiefer ins Gesicht einschneidet; Perlen- halsband, Kleid von citronengelber Seide mit schwarzen Spitzen- volants an Unterrock und Aermeln. Dagegen hat sie die Brust bedeckt mit einem weissen Spitzenkragen, und die Hand hält statt des beredten Fächers ein nichtssagendes Taschentuch. Dafür hat sie die grossen Handschuhe vergessen; aber ihre Hände sind keine "fünf blättrige Lilien" 1); sie dürften kaum für das ver- lorene Ersatz gewähren. Obwol nur skizzirt, sind sie etwas stark, was bei einer Spanierin von Stand viel heissen will. "An Füssen und Händen erkennt man den Teufel und die Zofen":
El gante te quitas? ?Que se conocen, no reparas, por los pies y por las manos, los diablos y las criadas? (Calderon, Fuego de Dios en el querer bien II.)
Vielleicht hat diess Galabildniss als Experiment gedient, dessen Lehren bei jenem Kampagnebild benutzt wurden. -- Die Leinwand scheint scharf beschnitten.
Eine zweifellose und zwar sehr elegante (bien prendida) Dame stellt endlich das dritte Bildniss vor, welches kürzlich aus der Dudley-Galerie in's Berliner Museum übergegangen ist, das nun zwei grosse Frauenbilder des Meisters besitzt. Das neue
1) Azucenas de cinco hojas eran las manos. Calderon, Amor, honor y poder II. -- Una mano hermosa, Blanda, poblada y perfeta, Que tiene acciones por alma, Y bien dedos por lenguas Hara enamorar un marmol. Tirso, la celosa de si misma.
Frauenbildnisse.
welche die Edelleute des Hofs sich zu Grunde richteten? Oder der Toledanerinnen der Komödie, welche beim Empfang des Weih- wassers Blicke versandten, die verlobte Cavaliere am Vorabend der Hochzeit ungetreu machten? Ein Labyrinth von Kälte und Feuer, Bigotterie und Weltsinn, Stolz und Buhlerei!
Von unsrer Unbekannten giebt es noch ein anderes Bild- niss, welches neben diesem mehr als Repräsentations-, weniger als Situationsbild erscheint. Es befindet sich in Chiswick House, dem Landsitz des Herzogs von Devonshire, schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts. (28″ × 18½″.)
Der Hauptunterschied liegt in der Tracht. Sie ist reicher, kostbarer in den Stoffen, besonders Spitzen, heiterer in der Farbe, aber zurückhaltender, vornehmer. Die schlichte, schwarze hat sie mit einer reichen Spitzenmantilla vertauscht, deren blumenförmig ausgeschnittener Saum tiefer ins Gesicht einschneidet; Perlen- halsband, Kleid von citronengelber Seide mit schwarzen Spitzen- volants an Unterrock und Aermeln. Dagegen hat sie die Brust bedeckt mit einem weissen Spitzenkragen, und die Hand hält statt des beredten Fächers ein nichtssagendes Taschentuch. Dafür hat sie die grossen Handschuhe vergessen; aber ihre Hände sind keine „fünf blättrige Lilien“ 1); sie dürften kaum für das ver- lorene Ersatz gewähren. Obwol nur skizzirt, sind sie etwas stark, was bei einer Spanierin von Stand viel heissen will. „An Füssen und Händen erkennt man den Teufel und die Zofen“:
El gante te quitas? ¿Que se conocen, no reparas, por los piés y por las manos, los diablos y las criadas? (Calderon, Fuego de Dios en el querer bien II.)
Vielleicht hat diess Galabildniss als Experiment gedient, dessen Lehren bei jenem Kampagnebild benutzt wurden. — Die Leinwand scheint scharf beschnitten.
Eine zweifellose und zwar sehr elegante (bien prendida) Dame stellt endlich das dritte Bildniss vor, welches kürzlich aus der Dudley-Galerie in’s Berliner Museum übergegangen ist, das nun zwei grosse Frauenbilder des Meisters besitzt. Das neue
1) Azucenas de cinco hojas eran las manos. Calderon, Amor, honor y poder II. — Una mano hermosa, Blanda, poblada y perfeta, Que tiene acciones por alma, Y bien dedos por lenguas Hará enamorar un marmol. Tirso, la celosa de sí misma.
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Frauenbildnisse.
welche die Edelleute des Hofs sich zu Grunde richteten? Oder der
Toledanerinnen der Komödie, welche beim Empfang des Weih-
wassers Blicke versandten, die verlobte Cavaliere am Vorabend
der Hochzeit ungetreu machten? Ein Labyrinth von Kälte und
Feuer, Bigotterie und Weltsinn, Stolz und Buhlerei!
Von unsrer Unbekannten giebt es noch ein anderes Bild-
niss, welches neben diesem mehr als Repräsentations-, weniger
als Situationsbild erscheint. Es befindet sich in Chiswick House,
dem Landsitz des Herzogs von Devonshire, schon seit der Mitte
des vorigen Jahrhunderts. (28″ × 18½″.)
Der Hauptunterschied liegt in der Tracht. Sie ist reicher,
kostbarer in den Stoffen, besonders Spitzen, heiterer in der Farbe,
aber zurückhaltender, vornehmer. Die schlichte, schwarze hat sie
mit einer reichen Spitzenmantilla vertauscht, deren blumenförmig
ausgeschnittener Saum tiefer ins Gesicht einschneidet; Perlen-
halsband, Kleid von citronengelber Seide mit schwarzen Spitzen-
volants an Unterrock und Aermeln. Dagegen hat sie die Brust
bedeckt mit einem weissen Spitzenkragen, und die Hand hält statt
des beredten Fächers ein nichtssagendes Taschentuch. Dafür
hat sie die grossen Handschuhe vergessen; aber ihre Hände
sind keine „fünf blättrige Lilien“ 1); sie dürften kaum für das ver-
lorene Ersatz gewähren. Obwol nur skizzirt, sind sie etwas
stark, was bei einer Spanierin von Stand viel heissen will. „An
Füssen und Händen erkennt man den Teufel und die Zofen“:
El gante te quitas?
¿Que se conocen, no reparas,
por los piés y por las manos,
los diablos y las criadas?
(Calderon, Fuego de Dios en el querer bien II.)
Vielleicht hat diess Galabildniss als Experiment gedient,
dessen Lehren bei jenem Kampagnebild benutzt wurden. — Die
Leinwand scheint scharf beschnitten.
Eine zweifellose und zwar sehr elegante (bien prendida)
Dame stellt endlich das dritte Bildniss vor, welches kürzlich aus
der Dudley-Galerie in’s Berliner Museum übergegangen ist, das
nun zwei grosse Frauenbilder des Meisters besitzt. Das neue
1) Azucenas de cinco hojas eran las manos. Calderon, Amor, honor y poder II.
— Una mano hermosa, Blanda, poblada y perfeta, Que tiene acciones por alma,
Y bien dedos por lenguas Hará enamorar un marmol. Tirso, la celosa de sí misma.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/47>, abgerufen am 16.07.2024.
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