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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
Sie sind noch alle erhalten. Die meisten sind nach Cartons
italianisirender Niederländer des sechzehnten Jahrhunderts ge-
arbeitet. In der grossen Galerie (102 Fuss Länge) sah man "die
Triumphe der Tugenden, in der Eitelkeit und Scheusslichkeit
der Sünden" (Laurent Nr. 511--520) und die Geschichte Noah's
(Nr. 476--479); im ersten Saal die Geschichte des Apostels Paulus
(Nr. 447--451), im folgenden nach ferraresischen Kartons die
"Poesien": Fall des Icarus, Perseus und Andromeda, Raub des
Ganymed, Achilles der die Polyxene opfert, und Marsyas'
Strafe (Nr. 480--483), im dritten die kostbare Tapisserie der
Sphären, die aus Portugal kam (Nr. 465--467). In dem schmalen
Corridor die Geschichte des Romulus und Remus (Nr. 493--498),
in dem geheimen Kabinet die Passion (Nr. 488--492); endlich
im grossen Saal die Gesichte der Offenbarung S. Johannis
(Nr. 429--437) -- Bilder grausiger Strafgerichte zum Theil, hier
an die Adresse derer gerichtet, durch die Gottes Zorn sie über
die Völker zu verhängen pflegte.

Am 7. Juni fand die Uebergabe (Entrega) der Infantin statt.
"Velazquez, sagt Palomino, war bei allen Funktionen zugegen".
Die Geschenke des königlichen Bräutigams an seinen Schwieger-
vater, ein Vliess von Diamanten und eine mit solchen geschmückte
goldene Uhr wurden dem Schlossmarschall eingehändigt, um sie
in den Palast Carl V zu Fuenterrabia zu bringen.

"D. Diego Velazquez, lesen wir, war nicht der letzte, der
an jenem Tage seine loyale Freude (afecto) an den Tag legte
in der Eleganz, der Noblesse und dem Staat seiner Person:
seine Kunst und sein feiner Takt (gentileza) (welcher der eines
Hofmanns war, abgesehen von natürlicher Anmuth und Haltung)
zeigte sich in Anordnung der zahlreichen Diamanten und Edel-
steine; auch in der Farbe der Stoffe erschien er vortheilhafter
als viele, natürlich, ragte er doch in dieser Kenntniss hervor,
und bewies darin stets besondern Geschmack. Sein Anzug war
durchaus besetzt mit mailänder Silberspitzen, nach dem Stil
jener Zeit (welche die golilla selbst bei farbiger Tracht und auf
der Reise beibehielt); auf dem Mantel das rothe Ordenskreuz;
ein sehr schöner kurzer Staatsdegen, Stichblatt und Ortband
von Silber, mit vorzüglichen Reliefs italienischer Arbeit; an
der schweren goldnen Halskette hing das Schildchen, eingefasst
von vielen Diamanten, mit dem Abito von Santiago in Email;
die übrigen Stücke entsprachen dem kostbaren Anzug." So be-
richtet in erhobener Stimmung Palomino von diesem Triumph,

Siebentes Buch.
Sie sind noch alle erhalten. Die meisten sind nach Cartons
italianisirender Niederländer des sechzehnten Jahrhunderts ge-
arbeitet. In der grossen Galerie (102 Fuss Länge) sah man „die
Triumphe der Tugenden, in der Eitelkeit und Scheusslichkeit
der Sünden“ (Laurent Nr. 511—520) und die Geschichte Noah’s
(Nr. 476—479); im ersten Saal die Geschichte des Apostels Paulus
(Nr. 447—451), im folgenden nach ferraresischen Kartons die
„Poesien“: Fall des Icarus, Perseus und Andromeda, Raub des
Ganymed, Achilles der die Polyxene opfert, und Marsyas’
Strafe (Nr. 480—483), im dritten die kostbare Tapisserie der
Sphären, die aus Portugal kam (Nr. 465—467). In dem schmalen
Corridor die Geschichte des Romulus und Remus (Nr. 493—498),
in dem geheimen Kabinet die Passion (Nr. 488—492); endlich
im grossen Saal die Gesichte der Offenbarung S. Johannis
(Nr. 429—437) — Bilder grausiger Strafgerichte zum Theil, hier
an die Adresse derer gerichtet, durch die Gottes Zorn sie über
die Völker zu verhängen pflegte.

Am 7. Juni fand die Uebergabe (Entrega) der Infantin statt.
„Velazquez, sagt Palomino, war bei allen Funktionen zugegen“.
Die Geschenke des königlichen Bräutigams an seinen Schwieger-
vater, ein Vliess von Diamanten und eine mit solchen geschmückte
goldene Uhr wurden dem Schlossmarschall eingehändigt, um sie
in den Palast Carl V zu Fuenterrabia zu bringen.

„D. Diego Velazquez, lesen wir, war nicht der letzte, der
an jenem Tage seine loyale Freude (afecto) an den Tag legte
in der Eleganz, der Noblesse und dem Staat seiner Person:
seine Kunst und sein feiner Takt (gentileza) (welcher der eines
Hofmanns war, abgesehen von natürlicher Anmuth und Haltung)
zeigte sich in Anordnung der zahlreichen Diamanten und Edel-
steine; auch in der Farbe der Stoffe erschien er vortheilhafter
als viele, natürlich, ragte er doch in dieser Kenntniss hervor,
und bewies darin stets besondern Geschmack. Sein Anzug war
durchaus besetzt mit mailänder Silberspitzen, nach dem Stil
jener Zeit (welche die golilla selbst bei farbiger Tracht und auf
der Reise beibehielt); auf dem Mantel das rothe Ordenskreuz;
ein sehr schöner kurzer Staatsdegen, Stichblatt und Ortband
von Silber, mit vorzüglichen Reliefs italienischer Arbeit; an
der schweren goldnen Halskette hing das Schildchen, eingefasst
von vielen Diamanten, mit dem Abito von Santiago in Email;
die übrigen Stücke entsprachen dem kostbaren Anzug.“ So be-
richtet in erhobener Stimmung Palomino von diesem Triumph,

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[386/0412] Siebentes Buch. Sie sind noch alle erhalten. Die meisten sind nach Cartons italianisirender Niederländer des sechzehnten Jahrhunderts ge- arbeitet. In der grossen Galerie (102 Fuss Länge) sah man „die Triumphe der Tugenden, in der Eitelkeit und Scheusslichkeit der Sünden“ (Laurent Nr. 511—520) und die Geschichte Noah’s (Nr. 476—479); im ersten Saal die Geschichte des Apostels Paulus (Nr. 447—451), im folgenden nach ferraresischen Kartons die „Poesien“: Fall des Icarus, Perseus und Andromeda, Raub des Ganymed, Achilles der die Polyxene opfert, und Marsyas’ Strafe (Nr. 480—483), im dritten die kostbare Tapisserie der Sphären, die aus Portugal kam (Nr. 465—467). In dem schmalen Corridor die Geschichte des Romulus und Remus (Nr. 493—498), in dem geheimen Kabinet die Passion (Nr. 488—492); endlich im grossen Saal die Gesichte der Offenbarung S. Johannis (Nr. 429—437) — Bilder grausiger Strafgerichte zum Theil, hier an die Adresse derer gerichtet, durch die Gottes Zorn sie über die Völker zu verhängen pflegte. Am 7. Juni fand die Uebergabe (Entrega) der Infantin statt. „Velazquez, sagt Palomino, war bei allen Funktionen zugegen“. Die Geschenke des königlichen Bräutigams an seinen Schwieger- vater, ein Vliess von Diamanten und eine mit solchen geschmückte goldene Uhr wurden dem Schlossmarschall eingehändigt, um sie in den Palast Carl V zu Fuenterrabia zu bringen. „D. Diego Velazquez, lesen wir, war nicht der letzte, der an jenem Tage seine loyale Freude (afecto) an den Tag legte in der Eleganz, der Noblesse und dem Staat seiner Person: seine Kunst und sein feiner Takt (gentileza) (welcher der eines Hofmanns war, abgesehen von natürlicher Anmuth und Haltung) zeigte sich in Anordnung der zahlreichen Diamanten und Edel- steine; auch in der Farbe der Stoffe erschien er vortheilhafter als viele, natürlich, ragte er doch in dieser Kenntniss hervor, und bewies darin stets besondern Geschmack. Sein Anzug war durchaus besetzt mit mailänder Silberspitzen, nach dem Stil jener Zeit (welche die golilla selbst bei farbiger Tracht und auf der Reise beibehielt); auf dem Mantel das rothe Ordenskreuz; ein sehr schöner kurzer Staatsdegen, Stichblatt und Ortband von Silber, mit vorzüglichen Reliefs italienischer Arbeit; an der schweren goldnen Halskette hing das Schildchen, eingefasst von vielen Diamanten, mit dem Abito von Santiago in Email; die übrigen Stücke entsprachen dem kostbaren Anzug.“ So be- richtet in erhobener Stimmung Palomino von diesem Triumph,

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/412>, abgerufen am 22.11.2024.