Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.Mars. Hiernach dürfte sowol Motiv wie Formsprache mehr im Der tiefgehende [Abbildung]
gestützte Arm mit der Hand an der Wange, die herabhän-Mars. gende Rechte, findet sich ähnlich in Michelangelo's düsterm Pen- sieroso. -- Die klassischen Stoffe sind eben heute in einer schlimmen Mars. Hiernach dürfte sowol Motiv wie Formsprache mehr im Der tiefgehende [Abbildung]
gestützte Arm mit der Hand an der Wange, die herabhän-Mars. gende Rechte, findet sich ähnlich in Michelangelo’s düsterm Pen- sieroso. — Die klassischen Stoffe sind eben heute in einer schlimmen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0389" n="365"/> <fw place="top" type="header">Mars.</fw><lb/> <p>Hiernach dürfte sowol Motiv wie Formsprache mehr im<lb/> Sinn der Antike sein, als man sich einbildet. Das Aergerniss<lb/> bleibt auf dem Gesicht haften und dessen von dem Idealismus<lb/> antiker Götterbilder abweichendem Bildnisscharakter. Zwar<lb/> „kleine Augen und stärker geöffnete Nase“ gehörten auch zum<lb/> Signalement des Ares; und so kommen wir schliesslich auf den<lb/> Schnauzbart, der frei-<lb/> lich unwiderstehlich<lb/> parodistisch wirkt.<lb/> Man erkennt darin<lb/> wieder seine Sorg-<lb/> losigkeit in der Aus-<lb/> merzung störender<lb/> Details des Modells.<lb/> Ein Grieche würde<lb/> ihn wahrscheinlich<lb/> für einen Ares der<lb/> Barbaren erklärt ha-<lb/> ben.</p><lb/> <p>Der tiefgehende<lb/> Helm bechattet die<lb/> Züge, sein Goldglanz<lb/> kontrastirt mit den<lb/> glanzlosen Augen;<lb/> man sieht nicht recht,<lb/> blicken sie Ueber-<lb/> muth oder Drohung?<lb/> Sollte dadurch das<lb/> Unheimliche dieses<lb/> unberechenbaren<lb/> Dämons angedeutet<lb/> werden? Die Ver-<lb/> dunkelung des Ge-<lb/> sichts durch den<lb/> Helm, der aufs Knie<lb/><figure><p>Mars.</p></figure><lb/> gestützte Arm mit der Hand an der Wange, die herabhän-<lb/> gende Rechte, findet sich ähnlich in Michelangelo’s düsterm Pen-<lb/> sieroso. —</p><lb/> <p>Die klassischen Stoffe sind eben heute in einer schlimmen<lb/> Lage. Im siebzehnten Jahrhundert der Pedanterie, als selbst<lb/> in Madrid „der Lakai latinisirte“ (Quevedo), arbeiteten schon<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [365/0389]
Mars.
Hiernach dürfte sowol Motiv wie Formsprache mehr im
Sinn der Antike sein, als man sich einbildet. Das Aergerniss
bleibt auf dem Gesicht haften und dessen von dem Idealismus
antiker Götterbilder abweichendem Bildnisscharakter. Zwar
„kleine Augen und stärker geöffnete Nase“ gehörten auch zum
Signalement des Ares; und so kommen wir schliesslich auf den
Schnauzbart, der frei-
lich unwiderstehlich
parodistisch wirkt.
Man erkennt darin
wieder seine Sorg-
losigkeit in der Aus-
merzung störender
Details des Modells.
Ein Grieche würde
ihn wahrscheinlich
für einen Ares der
Barbaren erklärt ha-
ben.
Der tiefgehende
Helm bechattet die
Züge, sein Goldglanz
kontrastirt mit den
glanzlosen Augen;
man sieht nicht recht,
blicken sie Ueber-
muth oder Drohung?
Sollte dadurch das
Unheimliche dieses
unberechenbaren
Dämons angedeutet
werden? Die Ver-
dunkelung des Ge-
sichts durch den
Helm, der aufs Knie
[Abbildung Mars.]
gestützte Arm mit der Hand an der Wange, die herabhän-
gende Rechte, findet sich ähnlich in Michelangelo’s düsterm Pen-
sieroso. —
Die klassischen Stoffe sind eben heute in einer schlimmen
Lage. Im siebzehnten Jahrhundert der Pedanterie, als selbst
in Madrid „der Lakai latinisirte“ (Quevedo), arbeiteten schon
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Zitationshilfe: | Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/389>, abgerufen am 16.07.2024. |