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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Der Prinz Philipp Prosper.
sie ist auf dem Weg ihre liebliche Kinderschönheit zu verlieren.
Diesen Process frühzeitiger Verhässlichung sehn wir vollendet in
ihrem Bildniss von Mazo (Prado 790). Der seitliche Scheitel
mit der über die Stirn waagrecht fallenden Querlocke, unter der
Perrücke, findet sich bei ihr noch als Kaiserin. Auf der Wiener
Replik trägt sie als Busenschmuck den österreichischen Doppel-
adler auf brennendrothem Band. Wenn nun auch schon sehr
früh für die Vermählung Maria Theresiens mit Kaiser Leopold
gearbeitet worden ist, so würde man ihr doch schwerlich vor der
förmlichen Verlobung das kaiserliche Wappen als hervorragendstes
Schmuckstück gegeben haben. Zudem waren seit lange die
Verhandlungen mit dem französischen Hof in Gang, und die In-
fantin hatte eine entschiedene Neigung für die Lilien.

Die Verlobung Margarethens mit dem Kaiser fand 1664 statt,
als sie dreizehn Jahre alt war; der Wiener Catalog schätzt das
Alter unsres Bildnisses auf beiläufig zwölf Jahre. Da aber im
Jahre 1664 Velazquez nicht mehr unter den Lebenden war, so
würde man annehmen müssen, dass entweder das Bild von einem
seiner Schüler nach dem Vorbild ähnlicher Infantenbildnisse ge-
malt sei, oder was wahrscheinlicher ist, auf einem Bild seiner
Hand ist das Gesicht retouchirt worden, um den in drei oder
vier Jahren eingetretenen Veränderungen Rechnung zu tragen.
Die vergnügte Miene der Dame, das hübsche Sträusschen passt
übrigens zu der glücklichen Braut.

Der Prinz Philipp Prosper.

Das oben erwähnte Bild der kleinen Margaretha, gemalt
für den Kaiser, war begleitet von dem Porträt ihres Brüderchens,
des zweijährigen Philipp Prosper. Es ist derselbe, bei dessen
Geburt (28. November 1657) Calderon den "Lorbeer des Apollo"
schrieb, wo der Refrain gesungen wurde:

hoy con prospero arrebol
para todos nace el sol.

Man darf wol vermuthen, dass diess Geschenk zweier mit be-
sondrer Liebe komponirter reizender Kinderbilder in Madrid
nicht ohne tiefere Absichten ausgedacht worden war. Sie sollten
vielleicht ein Pflaster sein für die durch Don Luis de Haro's
bourbonische Verlobung der Wiener Empfindlichkeit geschlagene
Wunde. Das eine war die in die Augen leuchtende Garantie

Der Prinz Philipp Prosper.
sie ist auf dem Weg ihre liebliche Kinderschönheit zu verlieren.
Diesen Process frühzeitiger Verhässlichung sehn wir vollendet in
ihrem Bildniss von Mazo (Prado 790). Der seitliche Scheitel
mit der über die Stirn waagrecht fallenden Querlocke, unter der
Perrücke, findet sich bei ihr noch als Kaiserin. Auf der Wiener
Replik trägt sie als Busenschmuck den österreichischen Doppel-
adler auf brennendrothem Band. Wenn nun auch schon sehr
früh für die Vermählung Maria Theresiens mit Kaiser Leopold
gearbeitet worden ist, so würde man ihr doch schwerlich vor der
förmlichen Verlobung das kaiserliche Wappen als hervorragendstes
Schmuckstück gegeben haben. Zudem waren seit lange die
Verhandlungen mit dem französischen Hof in Gang, und die In-
fantin hatte eine entschiedene Neigung für die Lilien.

Die Verlobung Margarethens mit dem Kaiser fand 1664 statt,
als sie dreizehn Jahre alt war; der Wiener Catalog schätzt das
Alter unsres Bildnisses auf beiläufig zwölf Jahre. Da aber im
Jahre 1664 Velazquez nicht mehr unter den Lebenden war, so
würde man annehmen müssen, dass entweder das Bild von einem
seiner Schüler nach dem Vorbild ähnlicher Infantenbildnisse ge-
malt sei, oder was wahrscheinlicher ist, auf einem Bild seiner
Hand ist das Gesicht retouchirt worden, um den in drei oder
vier Jahren eingetretenen Veränderungen Rechnung zu tragen.
Die vergnügte Miene der Dame, das hübsche Sträusschen passt
übrigens zu der glücklichen Braut.

Der Prinz Philipp Prosper.

Das oben erwähnte Bild der kleinen Margaretha, gemalt
für den Kaiser, war begleitet von dem Porträt ihres Brüderchens,
des zweijährigen Philipp Prosper. Es ist derselbe, bei dessen
Geburt (28. November 1657) Calderon den „Lorbeer des Apollo“
schrieb, wo der Refrain gesungen wurde:

hoy con próspero arrebol
para todos nace el sol.

Man darf wol vermuthen, dass diess Geschenk zweier mit be-
sondrer Liebe komponirter reizender Kinderbilder in Madrid
nicht ohne tiefere Absichten ausgedacht worden war. Sie sollten
vielleicht ein Pflaster sein für die durch Don Luis de Haro’s
bourbonische Verlobung der Wiener Empfindlichkeit geschlagene
Wunde. Das eine war die in die Augen leuchtende Garantie

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[307/0327] Der Prinz Philipp Prosper. sie ist auf dem Weg ihre liebliche Kinderschönheit zu verlieren. Diesen Process frühzeitiger Verhässlichung sehn wir vollendet in ihrem Bildniss von Mazo (Prado 790). Der seitliche Scheitel mit der über die Stirn waagrecht fallenden Querlocke, unter der Perrücke, findet sich bei ihr noch als Kaiserin. Auf der Wiener Replik trägt sie als Busenschmuck den österreichischen Doppel- adler auf brennendrothem Band. Wenn nun auch schon sehr früh für die Vermählung Maria Theresiens mit Kaiser Leopold gearbeitet worden ist, so würde man ihr doch schwerlich vor der förmlichen Verlobung das kaiserliche Wappen als hervorragendstes Schmuckstück gegeben haben. Zudem waren seit lange die Verhandlungen mit dem französischen Hof in Gang, und die In- fantin hatte eine entschiedene Neigung für die Lilien. Die Verlobung Margarethens mit dem Kaiser fand 1664 statt, als sie dreizehn Jahre alt war; der Wiener Catalog schätzt das Alter unsres Bildnisses auf beiläufig zwölf Jahre. Da aber im Jahre 1664 Velazquez nicht mehr unter den Lebenden war, so würde man annehmen müssen, dass entweder das Bild von einem seiner Schüler nach dem Vorbild ähnlicher Infantenbildnisse ge- malt sei, oder was wahrscheinlicher ist, auf einem Bild seiner Hand ist das Gesicht retouchirt worden, um den in drei oder vier Jahren eingetretenen Veränderungen Rechnung zu tragen. Die vergnügte Miene der Dame, das hübsche Sträusschen passt übrigens zu der glücklichen Braut. Der Prinz Philipp Prosper. Das oben erwähnte Bild der kleinen Margaretha, gemalt für den Kaiser, war begleitet von dem Porträt ihres Brüderchens, des zweijährigen Philipp Prosper. Es ist derselbe, bei dessen Geburt (28. November 1657) Calderon den „Lorbeer des Apollo“ schrieb, wo der Refrain gesungen wurde: hoy con próspero arrebol para todos nace el sol. Man darf wol vermuthen, dass diess Geschenk zweier mit be- sondrer Liebe komponirter reizender Kinderbilder in Madrid nicht ohne tiefere Absichten ausgedacht worden war. Sie sollten vielleicht ein Pflaster sein für die durch Don Luis de Haro’s bourbonische Verlobung der Wiener Empfindlichkeit geschlagene Wunde. Das eine war die in die Augen leuchtende Garantie

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/327>, abgerufen am 18.04.2024.