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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
Diess Farbengefühl war ernst, fast düster, und insofern national-
spanisch, obwol die Schriftsteller im siebzehnten Jahrhundert ihren
Landsleuten eine Vorliebe für schöne Farben zuschreiben 1). Unter
seinen Lieblingstönen findet sich kaum eine heitre, reine Farbe.
Sie sind meist kalt und gebrochen. Die einzige warme Farbe,
die er zuweilen in gesättigter Brillanz angewandt hat und in
einem Bilde (des Pabstes) zur dominirenden gemacht, ist karmesin-
roth, das wenigstens den Charakter vornehmer Pracht hat. Roth
nimmt in seinen Bildnissen wohl die grössten Flächen ein, aber
fast immer in den ernsten Uebergängen nach blau hin, von küh-
len Rosa- bis zu tiefen Purpurtönen. Sein Kobaltblau hat in
Himmel, Fernen und Gewandstoffen einen Stich ins Grüne, reines
helles Blau kennt er kaum. Ebensowenig helles Grün: sein blatt-
grün hat einen staubigen Ton, wie die Blätter des Oelbaums.
Für Braun wählt er gern ein lichtschwaches Orange; dagegen
kommt jener leuchtende Ton, der in Rembrandts Schatten eine
so grosse Rolle spielt, kaum in kleinen Dosen vor.

Gewiss ist es ganz in seinem Sinn, wenn Palomino (II, 44)
sagt: "Die Farbe ist die rechtmässige und wahre, welche die
beabsichtigte Wirkung macht, und wenn sie aus Gassenstaub be-
stünde; wie der Hieb gut ist welcher sitzt, wie er auch geführt
sein mag."

Nur in Werken der ersten Zeit hat er zuweilen reiche Far-
benzusammenstellungen, obwol sie wegen der dunklen Haltung
kaum zur Wirkung kommen, in einigen Beispielen nicht zum
Schaden des Bilds. In der Epiphanie trägt der vorderste König
über dem grünen Rock einen dunkelgelben Mantel; ein Farben-
paar das nur erträglich wird, wenn man es durch Hinzunahme des
Karmin bei dem Mohren dahinter zu einer Trias macht. Auch die
Verbindung von Orangebraun mit Dunkelcarmesin (Christus an der
Säule) ist ungefällig. Ja einmal hat er durch Violett, Blau und
Purpur aus einer himmlischen Scene eine wahre Trauerfeier ge-
macht. Obwol er die Venezianer so gründlich studirte, hat er ihre
Art, den warmen Ton der Haut durch das Weiss des Kragens
und die satten Farben der Umgebung zu betonen nicht nachge-
ahmt. Auf solche Beobachtungen gründet Charles Blanc das vor-
eilige Urtheil, dass er die Orchestrirung der Farbe nicht verstehe,

1) Als Don Juan de Austria in der Galerie des Erzherzogs Leopold zu
Brüssel einige ausgeschiedene Gemälde sieht und nach deren Bestimmung fragt,
wird ihm gesagt, die gingen nach Spanien, wo die meisten Herrn gustan mas de
las bellas colores, que no del arte
. J. Martinez, Discursos 196.

Siebentes Buch.
Diess Farbengefühl war ernst, fast düster, und insofern national-
spanisch, obwol die Schriftsteller im siebzehnten Jahrhundert ihren
Landsleuten eine Vorliebe für schöne Farben zuschreiben 1). Unter
seinen Lieblingstönen findet sich kaum eine heitre, reine Farbe.
Sie sind meist kalt und gebrochen. Die einzige warme Farbe,
die er zuweilen in gesättigter Brillanz angewandt hat und in
einem Bilde (des Pabstes) zur dominirenden gemacht, ist karmesin-
roth, das wenigstens den Charakter vornehmer Pracht hat. Roth
nimmt in seinen Bildnissen wohl die grössten Flächen ein, aber
fast immer in den ernsten Uebergängen nach blau hin, von küh-
len Rosa- bis zu tiefen Purpurtönen. Sein Kobaltblau hat in
Himmel, Fernen und Gewandstoffen einen Stich ins Grüne, reines
helles Blau kennt er kaum. Ebensowenig helles Grün: sein blatt-
grün hat einen staubigen Ton, wie die Blätter des Oelbaums.
Für Braun wählt er gern ein lichtschwaches Orange; dagegen
kommt jener leuchtende Ton, der in Rembrandts Schatten eine
so grosse Rolle spielt, kaum in kleinen Dosen vor.

Gewiss ist es ganz in seinem Sinn, wenn Palomino (II, 44)
sagt: „Die Farbe ist die rechtmässige und wahre, welche die
beabsichtigte Wirkung macht, und wenn sie aus Gassenstaub be-
stünde; wie der Hieb gut ist welcher sitzt, wie er auch geführt
sein mag.“

Nur in Werken der ersten Zeit hat er zuweilen reiche Far-
benzusammenstellungen, obwol sie wegen der dunklen Haltung
kaum zur Wirkung kommen, in einigen Beispielen nicht zum
Schaden des Bilds. In der Epiphanie trägt der vorderste König
über dem grünen Rock einen dunkelgelben Mantel; ein Farben-
paar das nur erträglich wird, wenn man es durch Hinzunahme des
Karmin bei dem Mohren dahinter zu einer Trias macht. Auch die
Verbindung von Orangebraun mit Dunkelcarmesin (Christus an der
Säule) ist ungefällig. Ja einmal hat er durch Violett, Blau und
Purpur aus einer himmlischen Scene eine wahre Trauerfeier ge-
macht. Obwol er die Venezianer so gründlich studirte, hat er ihre
Art, den warmen Ton der Haut durch das Weiss des Kragens
und die satten Farben der Umgebung zu betonen nicht nachge-
ahmt. Auf solche Beobachtungen gründet Charles Blanc das vor-
eilige Urtheil, dass er die Orchestrirung der Farbe nicht verstehe,

1) Als Don Juan de Austria in der Galerie des Erzherzogs Leopold zu
Brüssel einige ausgeschiedene Gemälde sieht und nach deren Bestimmung fragt,
wird ihm gesagt, die gingen nach Spanien, wo die meisten Herrn gustan mas de
las bellas colores, que no del arte
. J. Martinez, Discursos 196.
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[280/0300] Siebentes Buch. Diess Farbengefühl war ernst, fast düster, und insofern national- spanisch, obwol die Schriftsteller im siebzehnten Jahrhundert ihren Landsleuten eine Vorliebe für schöne Farben zuschreiben 1). Unter seinen Lieblingstönen findet sich kaum eine heitre, reine Farbe. Sie sind meist kalt und gebrochen. Die einzige warme Farbe, die er zuweilen in gesättigter Brillanz angewandt hat und in einem Bilde (des Pabstes) zur dominirenden gemacht, ist karmesin- roth, das wenigstens den Charakter vornehmer Pracht hat. Roth nimmt in seinen Bildnissen wohl die grössten Flächen ein, aber fast immer in den ernsten Uebergängen nach blau hin, von küh- len Rosa- bis zu tiefen Purpurtönen. Sein Kobaltblau hat in Himmel, Fernen und Gewandstoffen einen Stich ins Grüne, reines helles Blau kennt er kaum. Ebensowenig helles Grün: sein blatt- grün hat einen staubigen Ton, wie die Blätter des Oelbaums. Für Braun wählt er gern ein lichtschwaches Orange; dagegen kommt jener leuchtende Ton, der in Rembrandts Schatten eine so grosse Rolle spielt, kaum in kleinen Dosen vor. Gewiss ist es ganz in seinem Sinn, wenn Palomino (II, 44) sagt: „Die Farbe ist die rechtmässige und wahre, welche die beabsichtigte Wirkung macht, und wenn sie aus Gassenstaub be- stünde; wie der Hieb gut ist welcher sitzt, wie er auch geführt sein mag.“ Nur in Werken der ersten Zeit hat er zuweilen reiche Far- benzusammenstellungen, obwol sie wegen der dunklen Haltung kaum zur Wirkung kommen, in einigen Beispielen nicht zum Schaden des Bilds. In der Epiphanie trägt der vorderste König über dem grünen Rock einen dunkelgelben Mantel; ein Farben- paar das nur erträglich wird, wenn man es durch Hinzunahme des Karmin bei dem Mohren dahinter zu einer Trias macht. Auch die Verbindung von Orangebraun mit Dunkelcarmesin (Christus an der Säule) ist ungefällig. Ja einmal hat er durch Violett, Blau und Purpur aus einer himmlischen Scene eine wahre Trauerfeier ge- macht. Obwol er die Venezianer so gründlich studirte, hat er ihre Art, den warmen Ton der Haut durch das Weiss des Kragens und die satten Farben der Umgebung zu betonen nicht nachge- ahmt. Auf solche Beobachtungen gründet Charles Blanc das vor- eilige Urtheil, dass er die Orchestrirung der Farbe nicht verstehe, 1) Als Don Juan de Austria in der Galerie des Erzherzogs Leopold zu Brüssel einige ausgeschiedene Gemälde sieht und nach deren Bestimmung fragt, wird ihm gesagt, die gingen nach Spanien, wo die meisten Herrn gustan mas de las bellas colores, que no del arte. J. Martinez, Discursos 196.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/300>, abgerufen am 28.03.2024.