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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
der König aus Spanien mitgebracht habe1); es wird also wohl
von Philipp IV dem Prinzen von Wales im Jahre 1623 zum Ge-
schenk gemacht sein. In dem Verzeichniss der von Cardenas ge-
kauften Gemälde fehlt es. --

Das vorgelegte, für jeden Unbefangenen erdrückende Be-
weismaterial gegen die Echtheit der Memoria reicht gleichwol zu
einem Endurtheil nicht hin. Dazu fehlt der Nachweis, dass jenes
Unicum des alten Druckes eine moderne Fälschung ist. Leider
ist es mir nicht vergönnt gewesen, das Büchlein zu sehen. Die
Möglichkeit besteht, dass kompetente Fachmänner, unparteiische
und unbestochene natürlich, seine Echtheit konstatirten. Ist aber
der Druck wirklich alt, von 1658, so kann natürlich der Text
nur von Velazquez herrühren.

Sollte sich aber die Echtheit wirklich herausstellen, in wel-
chem Lichte würden dann die ausgesprochenen Zweifel erschei-
nen? Würde der Kritiker sich nicht etwas schämen müssen? Ich
glaube nicht. Wie es unbedeutende Künstler gegeben hat, die
sehr gut über ihre Kunst zu sprechen und zu schreiben wussten,
so hat es auch bedeutende gegeben, die wenig Glück hatten,
wenn sie den Pinsel mit der Feder vertauschten. Manchen hat
es nicht beliebt, das mitzutheilen, worüber wir am liebsten von
ihnen belehrt werden möchten und nur von ihnen belehrt werden
konnten. Einige gefielen sich in ästhetisch-metaphysischem Wust,
der nicht einmal dem eignen Garten entsprossenes Kraut war.
Dieselben, die unter ihres gleichen kernige Sprüche von sich
gaben, wurden banal, wo sie populär schreiben wollten.

Man kann also überzeugt sein, dass Velazquez noch in an-
dern Ausdrücken von Gemälden zu sprechen pflegte. Aber diese
41 Stücke waren ein Geschenk, ein Geschenk von unschätz-
barem Werth, mehr werth als die hunderte Quadratmeter, welche
Philipp II mit Fresko- und Oelfarben hatte bedecken lassen.
"Diess heilige Haus majestätisch auszustatten, hat der König sich
nicht bedacht, das Haus, welches er selbst bewohnt, seiner köst-
lichsten Habe zu berauben." Einem solchen Geschenk gegen-
über kann man nicht nüchtern bleiben. Unter dem Eindruck
dieser hochherzigen That wäre die Denkschrift aufgesetzt worden.
Ihr Stil ist der einer Festrede bei einer Eröffnungsfeier. Der

1) Item, The Emperor Charles V., brought by the King from Spain, being
done at length, with a big white Irish dog, -- in a curved gilded frame. Titian.
(6 1/2", 4'). Catalog der Sammlung Carl I, S. 86.

Siebentes Buch.
der König aus Spanien mitgebracht habe1); es wird also wohl
von Philipp IV dem Prinzen von Wales im Jahre 1623 zum Ge-
schenk gemacht sein. In dem Verzeichniss der von Cárdenas ge-
kauften Gemälde fehlt es. —

Das vorgelegte, für jeden Unbefangenen erdrückende Be-
weismaterial gegen die Echtheit der Memoria reicht gleichwol zu
einem Endurtheil nicht hin. Dazu fehlt der Nachweis, dass jenes
Unicum des alten Druckes eine moderne Fälschung ist. Leider
ist es mir nicht vergönnt gewesen, das Büchlein zu sehen. Die
Möglichkeit besteht, dass kompetente Fachmänner, unparteiische
und unbestochene natürlich, seine Echtheit konstatirten. Ist aber
der Druck wirklich alt, von 1658, so kann natürlich der Text
nur von Velazquez herrühren.

Sollte sich aber die Echtheit wirklich herausstellen, in wel-
chem Lichte würden dann die ausgesprochenen Zweifel erschei-
nen? Würde der Kritiker sich nicht etwas schämen müssen? Ich
glaube nicht. Wie es unbedeutende Künstler gegeben hat, die
sehr gut über ihre Kunst zu sprechen und zu schreiben wussten,
so hat es auch bedeutende gegeben, die wenig Glück hatten,
wenn sie den Pinsel mit der Feder vertauschten. Manchen hat
es nicht beliebt, das mitzutheilen, worüber wir am liebsten von
ihnen belehrt werden möchten und nur von ihnen belehrt werden
konnten. Einige gefielen sich in ästhetisch-metaphysischem Wust,
der nicht einmal dem eignen Garten entsprossenes Kraut war.
Dieselben, die unter ihres gleichen kernige Sprüche von sich
gaben, wurden banal, wo sie populär schreiben wollten.

Man kann also überzeugt sein, dass Velazquez noch in an-
dern Ausdrücken von Gemälden zu sprechen pflegte. Aber diese
41 Stücke waren ein Geschenk, ein Geschenk von unschätz-
barem Werth, mehr werth als die hunderte Quadratmeter, welche
Philipp II mit Fresko- und Oelfarben hatte bedecken lassen.
„Diess heilige Haus majestätisch auszustatten, hat der König sich
nicht bedacht, das Haus, welches er selbst bewohnt, seiner köst-
lichsten Habe zu berauben.“ Einem solchen Geschenk gegen-
über kann man nicht nüchtern bleiben. Unter dem Eindruck
dieser hochherzigen That wäre die Denkschrift aufgesetzt worden.
Ihr Stil ist der einer Festrede bei einer Eröffnungsfeier. Der

1) Item, The Emperor Charles V., brought by the King from Spain, being
done at length, with a big white Irish dog, — in a curved gilded frame. Titian.
(6 ½″, 4'). Catalog der Sammlung Carl I, S. 86.
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[260/0280] Siebentes Buch. der König aus Spanien mitgebracht habe 1); es wird also wohl von Philipp IV dem Prinzen von Wales im Jahre 1623 zum Ge- schenk gemacht sein. In dem Verzeichniss der von Cárdenas ge- kauften Gemälde fehlt es. — Das vorgelegte, für jeden Unbefangenen erdrückende Be- weismaterial gegen die Echtheit der Memoria reicht gleichwol zu einem Endurtheil nicht hin. Dazu fehlt der Nachweis, dass jenes Unicum des alten Druckes eine moderne Fälschung ist. Leider ist es mir nicht vergönnt gewesen, das Büchlein zu sehen. Die Möglichkeit besteht, dass kompetente Fachmänner, unparteiische und unbestochene natürlich, seine Echtheit konstatirten. Ist aber der Druck wirklich alt, von 1658, so kann natürlich der Text nur von Velazquez herrühren. Sollte sich aber die Echtheit wirklich herausstellen, in wel- chem Lichte würden dann die ausgesprochenen Zweifel erschei- nen? Würde der Kritiker sich nicht etwas schämen müssen? Ich glaube nicht. Wie es unbedeutende Künstler gegeben hat, die sehr gut über ihre Kunst zu sprechen und zu schreiben wussten, so hat es auch bedeutende gegeben, die wenig Glück hatten, wenn sie den Pinsel mit der Feder vertauschten. Manchen hat es nicht beliebt, das mitzutheilen, worüber wir am liebsten von ihnen belehrt werden möchten und nur von ihnen belehrt werden konnten. Einige gefielen sich in ästhetisch-metaphysischem Wust, der nicht einmal dem eignen Garten entsprossenes Kraut war. Dieselben, die unter ihres gleichen kernige Sprüche von sich gaben, wurden banal, wo sie populär schreiben wollten. Man kann also überzeugt sein, dass Velazquez noch in an- dern Ausdrücken von Gemälden zu sprechen pflegte. Aber diese 41 Stücke waren ein Geschenk, ein Geschenk von unschätz- barem Werth, mehr werth als die hunderte Quadratmeter, welche Philipp II mit Fresko- und Oelfarben hatte bedecken lassen. „Diess heilige Haus majestätisch auszustatten, hat der König sich nicht bedacht, das Haus, welches er selbst bewohnt, seiner köst- lichsten Habe zu berauben.“ Einem solchen Geschenk gegen- über kann man nicht nüchtern bleiben. Unter dem Eindruck dieser hochherzigen That wäre die Denkschrift aufgesetzt worden. Ihr Stil ist der einer Festrede bei einer Eröffnungsfeier. Der 1) Item, The Emperor Charles V., brought by the King from Spain, being done at length, with a big white Irish dog, — in a curved gilded frame. Titian. (6 ½″, 4'). Catalog der Sammlung Carl I, S. 86.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/280>, abgerufen am 29.03.2024.