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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Die Memoria.
in einem Druckstück, einem Unicum. Nach diesem ist sie in den
Memorias der Academia Espannola, August 1872 von Cannete, und
später 1874 zu Paris von Ch. Davillier mit französischer Ueber-
setzung und Noten herausgegeben worden, nebst einem radirten
Bildniss des Malers von Fortuny 1).

Die Memoria besteht aus zwei Theilen. In dem ersten wer-
den die neuen Bilder beschrieben, nach der Ordnung der Geber;
im zweiten Theil wird ihre Aufstellung beschrieben.

Der Jubel der Freunde des Velazquez über ein solches Ge-
schenk -- 32 Druckseiten von seiner Hand und mit Auslassungen
über die grössten Meister Italiens -- wurde indess sofort etwas er-
mässigt durch die Wahrnehmung, dass das Werkchen nach Inhalt
und Form so gut als nichts Neues enthielt. Alles war seit mehr
als zweihundert Jahren bereits gedruckt, mehrmals aufgelegt
worden, aus einem Werk in das andere übergegangen und von
Tausenden zu Hause und dort gegenüber den Bildern gelesen
worden.

Der Pater Fray Francisco de los Santos nämlich, Lector
der Heil. Schrift im Kolleg des Escorial, hatte in seiner 1657 er-
schienenen "Kurzen Beschreibung des Klosters von S. Lorenzo
el Real", ohne seine Quelle anzuführen, den ganzen Inhalt der
Memoria, und bis auf wenige unbedeutende Weglassungen,
Aenderungen der Ausdrucksweise und Einschaltungen, vollkom-
men wörtlich seinem Werke einverleibt, so gewandt zwar, dass
bisher Niemand die Spuren einer fremden Hand darin bemerkt
hatte. --

Der uns nun vorliegende Druck der Memoria mit dem
Namen des wahren Verfassers auf dem Titel war jedoch nicht von
diesem selbst veranstaltet worden. Ein Schüler und Verehrer,
der achtzehnjährige D. Juan de Alfaro, ein Cordobese von vor-
nehmer Familie, wurde durch das Erscheinen der Descripcion des
Paters in solche Entrüstung versetzt, dass er, eifersüchtiger auf
den Schriftstellerruhm seines Meisters als dieser selbst, dessen
Rettung vor der Nachwelt unternahm, vielleicht auch, den

1) Memoire de Velazquez sur 41 tableaux, par le Baron Ch. Davillier. Paris
1874. Der Titel des Originals lautet: Memoria | de las pinturas, | que la magestad
Catho- lica del Rey nuestro Sennor Don Philipe | IV. embia al Monasterio . . . .
del Escurial, este anno de M. D. C. LVI. | descriptas, y colocadas, | por Diego de
Sylva Velazquez, -- -- la ofreece, dedica, y consagra | a la Posteridad, | D. Juan
de Alfaro. | Impresa en Roma, en la Oficina de Ludouico | Grignano, anno de
M. D. C. LVIII. 16 Bl. 80.

Die Memoria.
in einem Druckstück, einem Unicum. Nach diesem ist sie in den
Memorias der Academia Española, August 1872 von Cañete, und
später 1874 zu Paris von Ch. Davillier mit französischer Ueber-
setzung und Noten herausgegeben worden, nebst einem radirten
Bildniss des Malers von Fortuny 1).

Die Memoria besteht aus zwei Theilen. In dem ersten wer-
den die neuen Bilder beschrieben, nach der Ordnung der Geber;
im zweiten Theil wird ihre Aufstellung beschrieben.

Der Jubel der Freunde des Velazquez über ein solches Ge-
schenk — 32 Druckseiten von seiner Hand und mit Auslassungen
über die grössten Meister Italiens — wurde indess sofort etwas er-
mässigt durch die Wahrnehmung, dass das Werkchen nach Inhalt
und Form so gut als nichts Neues enthielt. Alles war seit mehr
als zweihundert Jahren bereits gedruckt, mehrmals aufgelegt
worden, aus einem Werk in das andere übergegangen und von
Tausenden zu Hause und dort gegenüber den Bildern gelesen
worden.

Der Pater Fray Francisco de los Santos nämlich, Lector
der Heil. Schrift im Kolleg des Escorial, hatte in seiner 1657 er-
schienenen „Kurzen Beschreibung des Klosters von S. Lorenzo
el Real“, ohne seine Quelle anzuführen, den ganzen Inhalt der
Memoria, und bis auf wenige unbedeutende Weglassungen,
Aenderungen der Ausdrucksweise und Einschaltungen, vollkom-
men wörtlich seinem Werke einverleibt, so gewandt zwar, dass
bisher Niemand die Spuren einer fremden Hand darin bemerkt
hatte. —

Der uns nun vorliegende Druck der Memoria mit dem
Namen des wahren Verfassers auf dem Titel war jedoch nicht von
diesem selbst veranstaltet worden. Ein Schüler und Verehrer,
der achtzehnjährige D. Juan de Alfaro, ein Cordobese von vor-
nehmer Familie, wurde durch das Erscheinen der Descripcion des
Paters in solche Entrüstung versetzt, dass er, eifersüchtiger auf
den Schriftstellerruhm seines Meisters als dieser selbst, dessen
Rettung vor der Nachwelt unternahm, vielleicht auch, den

1) Mémoire de Velazquez sur 41 tableaux, par le Baron Ch. Davillier. Paris
1874. Der Titel des Originals lautet: Memoria | de las pinturas, | que la magestad
Catho- lica del Rey nuestro Señor Don Philipe | IV. embia al Monasterio . . . .
del Escurial, este año de M. D. C. LVI. | descriptas, y colocadas, | por Diego de
Sylva Velazquez, — — la ofreece, dedica, y consagra | a la Posteridad, | D. Juan
de Alfaro. | Impresa en Roma, en la Oficina de Ludouico | Grignano, año de
M. D. C. LVIII. 16 Bl. 80.
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[245/0265] Die Memoria. in einem Druckstück, einem Unicum. Nach diesem ist sie in den Memorias der Academia Española, August 1872 von Cañete, und später 1874 zu Paris von Ch. Davillier mit französischer Ueber- setzung und Noten herausgegeben worden, nebst einem radirten Bildniss des Malers von Fortuny 1). Die Memoria besteht aus zwei Theilen. In dem ersten wer- den die neuen Bilder beschrieben, nach der Ordnung der Geber; im zweiten Theil wird ihre Aufstellung beschrieben. Der Jubel der Freunde des Velazquez über ein solches Ge- schenk — 32 Druckseiten von seiner Hand und mit Auslassungen über die grössten Meister Italiens — wurde indess sofort etwas er- mässigt durch die Wahrnehmung, dass das Werkchen nach Inhalt und Form so gut als nichts Neues enthielt. Alles war seit mehr als zweihundert Jahren bereits gedruckt, mehrmals aufgelegt worden, aus einem Werk in das andere übergegangen und von Tausenden zu Hause und dort gegenüber den Bildern gelesen worden. Der Pater Fray Francisco de los Santos nämlich, Lector der Heil. Schrift im Kolleg des Escorial, hatte in seiner 1657 er- schienenen „Kurzen Beschreibung des Klosters von S. Lorenzo el Real“, ohne seine Quelle anzuführen, den ganzen Inhalt der Memoria, und bis auf wenige unbedeutende Weglassungen, Aenderungen der Ausdrucksweise und Einschaltungen, vollkom- men wörtlich seinem Werke einverleibt, so gewandt zwar, dass bisher Niemand die Spuren einer fremden Hand darin bemerkt hatte. — Der uns nun vorliegende Druck der Memoria mit dem Namen des wahren Verfassers auf dem Titel war jedoch nicht von diesem selbst veranstaltet worden. Ein Schüler und Verehrer, der achtzehnjährige D. Juan de Alfaro, ein Cordobese von vor- nehmer Familie, wurde durch das Erscheinen der Descripcion des Paters in solche Entrüstung versetzt, dass er, eifersüchtiger auf den Schriftstellerruhm seines Meisters als dieser selbst, dessen Rettung vor der Nachwelt unternahm, vielleicht auch, den 1) Mémoire de Velazquez sur 41 tableaux, par le Baron Ch. Davillier. Paris 1874. Der Titel des Originals lautet: Memoria | de las pinturas, | que la magestad Catho- lica del Rey nuestro Señor Don Philipe | IV. embia al Monasterio . . . . del Escurial, este año de M. D. C. LVI. | descriptas, y colocadas, | por Diego de Sylva Velazquez, — — la ofreece, dedica, y consagra | a la Posteridad, | D. Juan de Alfaro. | Impresa en Roma, en la Oficina de Ludouico | Grignano, año de M. D. C. LVIII. 16 Bl. 80.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/265>, abgerufen am 16.04.2024.