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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Das Schlossmarschallamt.

Auch die monatlichen Rechnungen sind erhalten; sie zer-
fallen in ordentliche und ausserordentliche. Die ordentlichen Aus-
gaben bestanden in der Auszahlung der Gehalte der ihm unter-
stellten niedern Beamten, der Kehrer der Kammern, der Höfe,
Küchen, Gänge (21/2 Realen täglich), des Anbläsers (sollinador)
der Kamine, des Dreckkarrenführers (chirrionero); ferner der
Gehalte ihrer Witwen u. a.; in den Zahlungen der Holzfuhrleute,
den Ausgaben für die Kohlen der Wachen und Thürhüter, für
die Besen zum Abkehren der Möbel und Reinigung der Zimmer,
für das Anzünden der Lampen, die Gläser und Dochte, für die
Betten und Nachttöpfe und das Waschen der Tücher zum Ab-
wischen dieser Möbel des königlichen retrete. Diese ordentlichen
Ausgaben beliefen sich im ersten Monat seiner Amtsführung, dem
März 1652 auf 101,7051/2 maravedis.

Die ausserordentlichen Ausgaben waren viel beträchtlicher,
sie betrugen in demselben Monat 690,945 m. Das meiste kam
auf die königlichen Reisen und Jagdausflüge; ausserdem Palmen
für den Palmsonntag u. dgl.

Der Mayordomo mayor, Graf von Montalban, der sein
Hauptquälgeist gewesen zu sein scheint, sorgte dafür, dass er
über dem Stolz seiner neuen Würde deren bescheidene Pflichten
nicht vergass. Das erste uns vorliegende Schriftstück (3. März
1653) bezieht sich auf die Reinlichkeit des Palasts. Danach
hätte das Haus Seiner Majestät in diesem Punkt der Stadt
Madrid (die eines europäischen Rufes genoss) wenig vorzuwerfen
gehabt. Höfe, Hausflur (zaguan), Gänge waren voll Unrath,
und die allerhöchste Nase hatte es beim täglichen Gang zur
Frühmesse zu erfahren. Die dem Nachtdienst obliegenden Sol-
daten verunreinigten alle Corridore und den Gang hinter der
Kapelle. Der Schlossmarschall entfernt in Folge davon den
bisherigen, nachlässigen Guardamea (Pisswart) Vicunda und be-
ruft einen Velasco, der seine Kräfte ausschliesslich diesem Beruf
zu widmen hat. Was die Wache betrifft, so sollten die Kor-
porale avisirt werden; in der Folge wird beschlossen, dass die
Fähndriche (alferez) Strafen ansetzen.

Ein halbes Jahr später kommt von derselben Stelle folgende
Erinnerung. Das Kettenthor (genannt von einer an Pfosten
befestigten Sperrkette), durch welches die Räthe in ihre Bureaus
im Erdgeschoss gehn, führt auch zur Hofküche. In Folge da-
von halten sich hier die Pferde und Maulesel der Schaffner
(procuradores) und Wasserträger des Schenkamts und der Küche

Das Schlossmarschallamt.

Auch die monatlichen Rechnungen sind erhalten; sie zer-
fallen in ordentliche und ausserordentliche. Die ordentlichen Aus-
gaben bestanden in der Auszahlung der Gehalte der ihm unter-
stellten niedern Beamten, der Kehrer der Kammern, der Höfe,
Küchen, Gänge (2½ Realen täglich), des Anbläsers (sollinador)
der Kamine, des Dreckkarrenführers (chirrionero); ferner der
Gehalte ihrer Witwen u. a.; in den Zahlungen der Holzfuhrleute,
den Ausgaben für die Kohlen der Wachen und Thürhüter, für
die Besen zum Abkehren der Möbel und Reinigung der Zimmer,
für das Anzünden der Lampen, die Gläser und Dochte, für die
Betten und Nachttöpfe und das Waschen der Tücher zum Ab-
wischen dieser Möbel des königlichen retrete. Diese ordentlichen
Ausgaben beliefen sich im ersten Monat seiner Amtsführung, dem
März 1652 auf 101,705½ maravedís.

Die ausserordentlichen Ausgaben waren viel beträchtlicher,
sie betrugen in demselben Monat 690,945 m. Das meiste kam
auf die königlichen Reisen und Jagdausflüge; ausserdem Palmen
für den Palmsonntag u. dgl.

Der Mayordomo mayor, Graf von Montalban, der sein
Hauptquälgeist gewesen zu sein scheint, sorgte dafür, dass er
über dem Stolz seiner neuen Würde deren bescheidene Pflichten
nicht vergass. Das erste uns vorliegende Schriftstück (3. März
1653) bezieht sich auf die Reinlichkeit des Palasts. Danach
hätte das Haus Seiner Majestät in diesem Punkt der Stadt
Madrid (die eines europäischen Rufes genoss) wenig vorzuwerfen
gehabt. Höfe, Hausflur (zaguan), Gänge waren voll Unrath,
und die allerhöchste Nase hatte es beim täglichen Gang zur
Frühmesse zu erfahren. Die dem Nachtdienst obliegenden Sol-
daten verunreinigten alle Corridore und den Gang hinter der
Kapelle. Der Schlossmarschall entfernt in Folge davon den
bisherigen, nachlässigen Guardamea (Pisswart) Vicuña und be-
ruft einen Velasco, der seine Kräfte ausschliesslich diesem Beruf
zu widmen hat. Was die Wache betrifft, so sollten die Kor-
porale avisirt werden; in der Folge wird beschlossen, dass die
Fähndriche (alferez) Strafen ansetzen.

Ein halbes Jahr später kommt von derselben Stelle folgende
Erinnerung. Das Kettenthor (genannt von einer an Pfosten
befestigten Sperrkette), durch welches die Räthe in ihre Bureaus
im Erdgeschoss gehn, führt auch zur Hofküche. In Folge da-
von halten sich hier die Pferde und Maulesel der Schaffner
(procuradores) und Wasserträger des Schenkamts und der Küche

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[219/0239] Das Schlossmarschallamt. Auch die monatlichen Rechnungen sind erhalten; sie zer- fallen in ordentliche und ausserordentliche. Die ordentlichen Aus- gaben bestanden in der Auszahlung der Gehalte der ihm unter- stellten niedern Beamten, der Kehrer der Kammern, der Höfe, Küchen, Gänge (2½ Realen täglich), des Anbläsers (sollinador) der Kamine, des Dreckkarrenführers (chirrionero); ferner der Gehalte ihrer Witwen u. a.; in den Zahlungen der Holzfuhrleute, den Ausgaben für die Kohlen der Wachen und Thürhüter, für die Besen zum Abkehren der Möbel und Reinigung der Zimmer, für das Anzünden der Lampen, die Gläser und Dochte, für die Betten und Nachttöpfe und das Waschen der Tücher zum Ab- wischen dieser Möbel des königlichen retrete. Diese ordentlichen Ausgaben beliefen sich im ersten Monat seiner Amtsführung, dem März 1652 auf 101,705½ maravedís. Die ausserordentlichen Ausgaben waren viel beträchtlicher, sie betrugen in demselben Monat 690,945 m. Das meiste kam auf die königlichen Reisen und Jagdausflüge; ausserdem Palmen für den Palmsonntag u. dgl. Der Mayordomo mayor, Graf von Montalban, der sein Hauptquälgeist gewesen zu sein scheint, sorgte dafür, dass er über dem Stolz seiner neuen Würde deren bescheidene Pflichten nicht vergass. Das erste uns vorliegende Schriftstück (3. März 1653) bezieht sich auf die Reinlichkeit des Palasts. Danach hätte das Haus Seiner Majestät in diesem Punkt der Stadt Madrid (die eines europäischen Rufes genoss) wenig vorzuwerfen gehabt. Höfe, Hausflur (zaguan), Gänge waren voll Unrath, und die allerhöchste Nase hatte es beim täglichen Gang zur Frühmesse zu erfahren. Die dem Nachtdienst obliegenden Sol- daten verunreinigten alle Corridore und den Gang hinter der Kapelle. Der Schlossmarschall entfernt in Folge davon den bisherigen, nachlässigen Guardamea (Pisswart) Vicuña und be- ruft einen Velasco, der seine Kräfte ausschliesslich diesem Beruf zu widmen hat. Was die Wache betrifft, so sollten die Kor- porale avisirt werden; in der Folge wird beschlossen, dass die Fähndriche (alferez) Strafen ansetzen. Ein halbes Jahr später kommt von derselben Stelle folgende Erinnerung. Das Kettenthor (genannt von einer an Pfosten befestigten Sperrkette), durch welches die Räthe in ihre Bureaus im Erdgeschoss gehn, führt auch zur Hofküche. In Folge da- von halten sich hier die Pferde und Maulesel der Schaffner (procuradores) und Wasserträger des Schenkamts und der Küche

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/239>, abgerufen am 26.04.2024.