Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.Sechstes Buch. Curtis, genannt il Dentone, sie zur Kunst erhob. Als seine Ge-hülfen haben sich Metelli und Colonna gebildet. Der Stamm- baum einzelner Motive lässt sich natürlich weiter zurückverfol- gen: auf die Galerie Farnese Annibale's, der für den Ersten galt in gemalter Plastik, auf die Decke der sixtinischen Kapelle (z. B. die aufgehängten Medaillons), ja auf Mantegna's Camera de' sposi in Mantua. Das Ganze war indess neu. Der Grund- gedanke dieser Malerei, die Metelli selbst nur veduta nennen wollte, weil er von der Einheit des Augenpunktes absah, ist eine discrete Oeffnung der Wände und der Decke durch Schein- architektur, in der aber die Glieder der wirklichen wie oscillirend fortklingen. Es sind schmale, mehr andeutende als offenbarende Durchblicke in helle Zimmerräume, Säulenhallen, Treppenhäuser, Höfe, alles in Marmorfarben, meist schräg gestellt auf die Wandfläche. Darüber niedrige bedeckte Galerien. So gleichen die vier Wände einem Cortile, nach dem sich Prunkgemächer öffnen; die Decke aber wird, nach Vorbereitung durch reiches, starkprofilirtes Simswerk, in eine hoch über dem Raume schwe- bende Kuppel verwandelt, mit weiter, elliptischer Oeffnung, wie im Pantheon. Die Scheinarchitektur der Wände schmücken Nischen mit Marmor- und Bronzetafeln, Medaillons mit Reliefs, in welchen Dentone die Lichter mit Gold aufzusetzen gelehrt hatte. Die Erfordernisse des Quadraturmalers waren Beherr- schung der Vignola'schen Ordnungen (Metelli wurde selbst von Architekten um Zeichnungen angegangen), der Perspektive und des Reliefs (l'anima della quadratura, Lanzi). Der Ein- druck dieser Flächen hätte indess den Betrachter schwerlich erwärmt ohne die reichliche und doch fein abgetönte Spendung des Lichts. Dafür schuf sich Metelli eine höchst solide, pastose und dauerhafte Freskotechnik, wobei z. B. Selenitpulver (wie in Pompeji) unter den Kalk gemischt wurde. Er galt in Bologna und sonst für den ersten Freskomaler seiner Zeit1). Zur Belebung und selbst zur Vollendung der (selbstver- 1) Los primeros que dieron luz del manejo galante al fresco. Palomino,
Museo I, 40. Sechstes Buch. Curtis, genannt il Dentone, sie zur Kunst erhob. Als seine Ge-hülfen haben sich Metelli und Colonna gebildet. Der Stamm- baum einzelner Motive lässt sich natürlich weiter zurückverfol- gen: auf die Galerie Farnese Annibale’s, der für den Ersten galt in gemalter Plastik, auf die Decke der sixtinischen Kapelle (z. B. die aufgehängten Medaillons), ja auf Mantegna’s Camera de’ sposi in Mantua. Das Ganze war indess neu. Der Grund- gedanke dieser Malerei, die Metelli selbst nur veduta nennen wollte, weil er von der Einheit des Augenpunktes absah, ist eine discrete Oeffnung der Wände und der Decke durch Schein- architektur, in der aber die Glieder der wirklichen wie oscillirend fortklingen. Es sind schmale, mehr andeutende als offenbarende Durchblicke in helle Zimmerräume, Säulenhallen, Treppenhäuser, Höfe, alles in Marmorfarben, meist schräg gestellt auf die Wandfläche. Darüber niedrige bedeckte Galerien. So gleichen die vier Wände einem Cortile, nach dem sich Prunkgemächer öffnen; die Decke aber wird, nach Vorbereitung durch reiches, starkprofilirtes Simswerk, in eine hoch über dem Raume schwe- bende Kuppel verwandelt, mit weiter, elliptischer Oeffnung, wie im Pantheon. Die Scheinarchitektur der Wände schmücken Nischen mit Marmor- und Bronzetafeln, Medaillons mit Reliefs, in welchen Dentone die Lichter mit Gold aufzusetzen gelehrt hatte. Die Erfordernisse des Quadraturmalers waren Beherr- schung der Vignola’schen Ordnungen (Metelli wurde selbst von Architekten um Zeichnungen angegangen), der Perspektive und des Reliefs (l’anima della quadratura, Lanzi). Der Ein- druck dieser Flächen hätte indess den Betrachter schwerlich erwärmt ohne die reichliche und doch fein abgetönte Spendung des Lichts. Dafür schuf sich Metelli eine höchst solide, pastose und dauerhafte Freskotechnik, wobei z. B. Selenitpulver (wie in Pompeji) unter den Kalk gemischt wurde. Er galt in Bologna und sonst für den ersten Freskomaler seiner Zeit1). Zur Belebung und selbst zur Vollendung der (selbstver- 1) Los primeros que dieron luz del manejo galante al fresco. Palomino,
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Sechstes Buch.
Curtis, genannt il Dentone, sie zur Kunst erhob. Als seine Ge-
hülfen haben sich Metelli und Colonna gebildet. Der Stamm-
baum einzelner Motive lässt sich natürlich weiter zurückverfol-
gen: auf die Galerie Farnese Annibale’s, der für den Ersten galt
in gemalter Plastik, auf die Decke der sixtinischen Kapelle
(z. B. die aufgehängten Medaillons), ja auf Mantegna’s Camera
de’ sposi in Mantua. Das Ganze war indess neu. Der Grund-
gedanke dieser Malerei, die Metelli selbst nur veduta nennen
wollte, weil er von der Einheit des Augenpunktes absah, ist eine
discrete Oeffnung der Wände und der Decke durch Schein-
architektur, in der aber die Glieder der wirklichen wie oscillirend
fortklingen. Es sind schmale, mehr andeutende als offenbarende
Durchblicke in helle Zimmerräume, Säulenhallen, Treppenhäuser,
Höfe, alles in Marmorfarben, meist schräg gestellt auf die
Wandfläche. Darüber niedrige bedeckte Galerien. So gleichen
die vier Wände einem Cortile, nach dem sich Prunkgemächer
öffnen; die Decke aber wird, nach Vorbereitung durch reiches,
starkprofilirtes Simswerk, in eine hoch über dem Raume schwe-
bende Kuppel verwandelt, mit weiter, elliptischer Oeffnung, wie
im Pantheon. Die Scheinarchitektur der Wände schmücken
Nischen mit Marmor- und Bronzetafeln, Medaillons mit Reliefs,
in welchen Dentone die Lichter mit Gold aufzusetzen gelehrt
hatte. Die Erfordernisse des Quadraturmalers waren Beherr-
schung der Vignola’schen Ordnungen (Metelli wurde selbst von
Architekten um Zeichnungen angegangen), der Perspektive
und des Reliefs (l’anima della quadratura, Lanzi). Der Ein-
druck dieser Flächen hätte indess den Betrachter schwerlich
erwärmt ohne die reichliche und doch fein abgetönte Spendung
des Lichts. Dafür schuf sich Metelli eine höchst solide, pastose
und dauerhafte Freskotechnik, wobei z. B. Selenitpulver (wie in
Pompeji) unter den Kalk gemischt wurde. Er galt in Bologna
und sonst für den ersten Freskomaler seiner Zeit 1).
Zur Belebung und selbst zur Vollendung der (selbstver-
ständlich poetischen) Illusion konnte man lebendige Figuren nicht
ganz entbehren; sie wurden sparsam an ausgewählte Stellen ver-
theilt. Auch darin treffen sie mit dem System der Zimmermalerei
römischer Kaiserzeit zusammen. Ein Page der die Treppe
hinabeilt, eine Dame die aus dem mächtigen Strauss der Vase
1) Los primeros que dieron luz del manejo galante al fresco. Palomino,
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