Gegensatz zum Zeitgeschmack auf das Studium des Alterthums zu gründen suchten.
Aus dem Cardinalscolleg stand keiner in engeren Bezie- hungen zum spanischen Hof wie Girolamo Colonna (1604 + 1666; seine Büste in der Galerie Colonna zu Rom). Von Philipp IV war er als junger Abate an den Hof gezogen worden und hatte sich in Alcala den Magistergrad erworben. Später berief ihn der König noch einmal nach Spanien, um die mit Kaiser Leopold vermählte Infantin Margarita nach Deutschland zu geleiten, er starb als er die Küste Spaniens betrat. Man weiss nicht, ob er bei dieser letzten Gelegenheit oder jetzt Philipp IV die berühmte bisher im Palast Colonna aufbewahrte "Apotheose des Claudius" verehrt hat, das Hauptoriginal, welches dieser Monarch von Antiken besass. --
Wie weit Velazquez selbst seine Kommission in Rom ge- fördert hat, darüber gehn die Nachrichten auseinander. Nach Bellori (Vita di A. Algardi S. 399) hätte er nicht nur die Ab- formungen, sondern auch die Abgüsse in Bronze und Gyps in Rom besorgt, Malvasia giebt auch die Kosten an: 30,000 Scudi (Felsina II, 409); nach Palomino nur die ersteren, während die letzteren erst in Madrid gemacht wurden, und zwar durch die aus Rom mitgekommenen Geronimo Ferrer und Domingo de la Rioja. Dazu passt theilweise auch Passeri's Angabe (S. 161).
Die besten wurden in den neugeschaffenen Sälen des Schlosses aufgestellt, dem achteckigen Saal und dem Salon grande; andere auf der Treppe des Rubinejo, durch welche die Majestäten nach der neuen Einrichtung bequemer und direkter als bisher zu den Wagen gelangten. Mehrere kamen in die Bobeda del tigre und in die untere Nordgalerie (galeria baja del cierzo). Der am Ende dieser Galerie gelegene Nordwestthurm hiess der Thurm des "Hermaphroditen". Auf dem Bildniss der Königin Witwe Marianne in Castle Howard sieht man die Statue des tanzenden Satyr. Näheres über die Aufstellung ist nicht bekannt.
Das Palastinventar von 1686 weist, freilich ohne nähere Bezeichnung 26 Statuen und 12 Köpfe von Bronze auf, elf Statuen und zehn Köpfe von Marmor, 31 Reliefs; 31 Statuen und 34 Köpfe von Gyps und Thon, 18 Statuen und Historien von Bacchanten und Planeten von Thon, und die zwölf Löwen. Die Bronzen der beiden Leoni befanden sich damals wol grossentheils in Buen Retiro.
Sechstes Buch.
Gegensatz zum Zeitgeschmack auf das Studium des Alterthums zu gründen suchten.
Aus dem Cardinalscolleg stand keiner in engeren Bezie- hungen zum spanischen Hof wie Girolamo Colonna (1604 † 1666; seine Büste in der Galerie Colonna zu Rom). Von Philipp IV war er als junger Abate an den Hof gezogen worden und hatte sich in Alcalá den Magistergrad erworben. Später berief ihn der König noch einmal nach Spanien, um die mit Kaiser Leopold vermählte Infantin Margarita nach Deutschland zu geleiten, er starb als er die Küste Spaniens betrat. Man weiss nicht, ob er bei dieser letzten Gelegenheit oder jetzt Philipp IV die berühmte bisher im Palast Colonna aufbewahrte „Apotheose des Claudius“ verehrt hat, das Hauptoriginal, welches dieser Monarch von Antiken besass. —
Wie weit Velazquez selbst seine Kommission in Rom ge- fördert hat, darüber gehn die Nachrichten auseinander. Nach Bellori (Vita di A. Algardi S. 399) hätte er nicht nur die Ab- formungen, sondern auch die Abgüsse in Bronze und Gyps in Rom besorgt, Malvasia giebt auch die Kosten an: 30,000 Scudi (Felsina II, 409); nach Palomino nur die ersteren, während die letzteren erst in Madrid gemacht wurden, und zwar durch die aus Rom mitgekommenen Gerónimo Ferrer und Domingo de la Rioja. Dazu passt theilweise auch Passeri’s Angabe (S. 161).
Die besten wurden in den neugeschaffenen Sälen des Schlosses aufgestellt, dem achteckigen Saal und dem Salon grande; andere auf der Treppe des Rubinejo, durch welche die Majestäten nach der neuen Einrichtung bequemer und direkter als bisher zu den Wagen gelangten. Mehrere kamen in die Bóbeda del tigre und in die untere Nordgalerie (galeria baja del cierzo). Der am Ende dieser Galerie gelegene Nordwestthurm hiess der Thurm des „Hermaphroditen“. Auf dem Bildniss der Königin Witwe Marianne in Castle Howard sieht man die Statue des tanzenden Satyr. Näheres über die Aufstellung ist nicht bekannt.
Das Palastinventar von 1686 weist, freilich ohne nähere Bezeichnung 26 Statuen und 12 Köpfe von Bronze auf, elf Statuen und zehn Köpfe von Marmor, 31 Reliefs; 31 Statuen und 34 Köpfe von Gyps und Thon, 18 Statuen und Historien von Bacchanten und Planeten von Thon, und die zwölf Löwen. Die Bronzen der beiden Leoni befanden sich damals wol grossentheils in Buen Retiro.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0216"n="196"/><fwplace="top"type="header">Sechstes Buch.</fw><lb/>
Gegensatz zum Zeitgeschmack auf das Studium des Alterthums<lb/>
zu gründen suchten.</p><lb/><p>Aus dem Cardinalscolleg stand keiner in engeren Bezie-<lb/>
hungen zum spanischen Hof wie Girolamo Colonna (1604 † 1666;<lb/>
seine Büste in der Galerie Colonna zu Rom). Von Philipp IV<lb/>
war er als junger Abate an den Hof gezogen worden und<lb/>
hatte sich in Alcalá den Magistergrad erworben. Später<lb/>
berief ihn der König noch einmal nach Spanien, um die mit<lb/>
Kaiser Leopold vermählte Infantin Margarita nach Deutschland<lb/>
zu geleiten, er starb als er die Küste Spaniens betrat. Man<lb/>
weiss nicht, ob er bei dieser letzten Gelegenheit oder jetzt<lb/>
Philipp IV die berühmte bisher im Palast Colonna aufbewahrte<lb/>„Apotheose des Claudius“ verehrt hat, das Hauptoriginal, welches<lb/>
dieser Monarch von Antiken besass. —</p><lb/><p>Wie weit Velazquez selbst seine Kommission in Rom ge-<lb/>
fördert hat, darüber gehn die Nachrichten auseinander. Nach<lb/>
Bellori (Vita di A. Algardi S. 399) hätte er nicht nur die Ab-<lb/>
formungen, sondern auch die Abgüsse in Bronze und Gyps in<lb/>
Rom besorgt, Malvasia giebt auch die Kosten an: 30,000 Scudi<lb/>
(Felsina II, 409); nach Palomino nur die ersteren, während die<lb/>
letzteren erst in Madrid gemacht wurden, und zwar durch die<lb/>
aus Rom mitgekommenen Gerónimo Ferrer und Domingo de<lb/>
la Rioja. Dazu passt theilweise auch Passeri’s Angabe (S. 161).</p><lb/><p>Die besten wurden in den neugeschaffenen Sälen des<lb/>
Schlosses aufgestellt, dem achteckigen Saal und dem Salon<lb/>
grande; andere auf der Treppe des Rubinejo, durch welche die<lb/>
Majestäten nach der neuen Einrichtung bequemer und direkter<lb/>
als bisher zu den Wagen gelangten. Mehrere kamen in die<lb/><hirendition="#i">Bóbeda del tigre</hi> und in die untere Nordgalerie (<hirendition="#i">galeria baja del<lb/>
cierzo</hi>). Der am Ende dieser Galerie gelegene Nordwestthurm<lb/>
hiess der Thurm des „Hermaphroditen“. Auf dem Bildniss der<lb/>
Königin Witwe Marianne in Castle Howard sieht man die Statue<lb/>
des tanzenden Satyr. Näheres über die Aufstellung ist nicht<lb/>
bekannt.</p><lb/><p>Das Palastinventar von 1686 weist, freilich ohne nähere<lb/>
Bezeichnung 26 Statuen und 12 Köpfe von Bronze auf, elf Statuen<lb/>
und zehn Köpfe von Marmor, 31 Reliefs; 31 Statuen und 34 Köpfe<lb/>
von Gyps und Thon, 18 Statuen und Historien von Bacchanten<lb/>
und Planeten von Thon, und die zwölf Löwen. Die Bronzen<lb/>
der beiden Leoni befanden sich damals wol grossentheils in<lb/>
Buen Retiro.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[196/0216]
Sechstes Buch.
Gegensatz zum Zeitgeschmack auf das Studium des Alterthums
zu gründen suchten.
Aus dem Cardinalscolleg stand keiner in engeren Bezie-
hungen zum spanischen Hof wie Girolamo Colonna (1604 † 1666;
seine Büste in der Galerie Colonna zu Rom). Von Philipp IV
war er als junger Abate an den Hof gezogen worden und
hatte sich in Alcalá den Magistergrad erworben. Später
berief ihn der König noch einmal nach Spanien, um die mit
Kaiser Leopold vermählte Infantin Margarita nach Deutschland
zu geleiten, er starb als er die Küste Spaniens betrat. Man
weiss nicht, ob er bei dieser letzten Gelegenheit oder jetzt
Philipp IV die berühmte bisher im Palast Colonna aufbewahrte
„Apotheose des Claudius“ verehrt hat, das Hauptoriginal, welches
dieser Monarch von Antiken besass. —
Wie weit Velazquez selbst seine Kommission in Rom ge-
fördert hat, darüber gehn die Nachrichten auseinander. Nach
Bellori (Vita di A. Algardi S. 399) hätte er nicht nur die Ab-
formungen, sondern auch die Abgüsse in Bronze und Gyps in
Rom besorgt, Malvasia giebt auch die Kosten an: 30,000 Scudi
(Felsina II, 409); nach Palomino nur die ersteren, während die
letzteren erst in Madrid gemacht wurden, und zwar durch die
aus Rom mitgekommenen Gerónimo Ferrer und Domingo de
la Rioja. Dazu passt theilweise auch Passeri’s Angabe (S. 161).
Die besten wurden in den neugeschaffenen Sälen des
Schlosses aufgestellt, dem achteckigen Saal und dem Salon
grande; andere auf der Treppe des Rubinejo, durch welche die
Majestäten nach der neuen Einrichtung bequemer und direkter
als bisher zu den Wagen gelangten. Mehrere kamen in die
Bóbeda del tigre und in die untere Nordgalerie (galeria baja del
cierzo). Der am Ende dieser Galerie gelegene Nordwestthurm
hiess der Thurm des „Hermaphroditen“. Auf dem Bildniss der
Königin Witwe Marianne in Castle Howard sieht man die Statue
des tanzenden Satyr. Näheres über die Aufstellung ist nicht
bekannt.
Das Palastinventar von 1686 weist, freilich ohne nähere
Bezeichnung 26 Statuen und 12 Köpfe von Bronze auf, elf Statuen
und zehn Köpfe von Marmor, 31 Reliefs; 31 Statuen und 34 Köpfe
von Gyps und Thon, 18 Statuen und Historien von Bacchanten
und Planeten von Thon, und die zwölf Löwen. Die Bronzen
der beiden Leoni befanden sich damals wol grossentheils in
Buen Retiro.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/216>, abgerufen am 03.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.