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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Der Prinz Balthasar Carlos.
ihrer Livree in Feld und Salon sich famos machten", und einen
Ponyhengst, der auch zur Züchtung dienen könne. "Es ist ein
kleiner Satan (diablillo), und man muss ihm die Zügel ordentlich
anziehn und vorher ein halb Dutzend Gertenhiebe geben, damit
er Angst bekommt, sonst wird er übel aufspielen (malos abrazos);
dann aber geht er wie ein Hündchen." Vielleicht ist diess der-
selbe Pony, auf dem wir den Prinzen in der folgenden Scene
seine ersten Probestücke in der hohen Schule ausführen sehn.
Kinder zu Pferd waren besonders in Andalusien etwas ganz
gewöhnliches. Im Guzman de Alfarache lesen wir, dass man
in Cordoba, Sevilla, Xeres die Kinder aus der Wiege aufs Pferd
bringt1).

Zwei Skizzen zeigen Don Balthasar als Elementarschüler
der gineta, in der Reitschule, beide in englischen Sammlungen.
Die erste, kleinere, aber figurenreichere und vorzüglichere ge-
hört Sir Richard Wallace. Sie ist wol als recuerdo seines
ersten Specimens im "Schulen über der Erde" gemalt worden.
Im Grund der Bahn die kahle Wand eines Hauses, vielleicht des
Marstalls am Palastplatz mit thurmartiger Spitze, Taubenschlag,
Balkon; darauf zwei Damen und ein Zwerg. Unten an der Wand
stehen etwa zehn Figuren aufgereiht, zwei zu Pferd, in der Mitte
ein Ding wie eine grosse rothe Sänfte. Rechts eine schmale
Bahn zwischen Brettern mit Zuschauern, ein Reiter gefolgt von
seinem Staffier. Ganz vorn links, als Hauptfigur, und allein aus
dem Schattenhaften der Uebrigen zu voller Körperlichkeit geführt,
der vierjährige Prinz auf dem dicken Ponyrappen, im besten
Anschluss, eine richtige Pesade ausführend. In schwarzem Wäms-
chen und Hut mit grossem weissen Federbusch, Stirn und Augen
beschattend, rother Schärpe, den Arm in der Hüfte, wendet er
sich triumphirend um. Tres-cranement, sagt W. Burger, ganz
wie ein sehr grosser Mann: calme sur un cheval fougueux. Vor
ihm, zur Linken, steht der alte hagere Stallmeister und ein dünner
Zwerg mit der langen Reitpeitsche (?), hinter dem Pferd noch
ein dicker von derselben Statur; sie haben diesem die Hülfen
und Winke zu geben. Zur Erweiterung des Raums nach
vorn steht rechts in der Ecke noch ein Kavalier dem Grund

1) En toda la mayor parte del Andalucia, como Sevilla, Cordoba, Xerez de la Fron-
tera, sacan los ninnos (como dicen) de las cunas a los caballos, de manera que se acostum-
bra en otras partes a darselos de canna; y es cosa de admiracion ver en tan tiernas
edades tan duros aceros y tanta destreza, porque hacerles mal tienen por su ordi-
nario ejercicio. I, 1,8.

Der Prinz Balthasar Carlos.
ihrer Livree in Feld und Salon sich famos machten“, und einen
Ponyhengst, der auch zur Züchtung dienen könne. „Es ist ein
kleiner Satan (diablillo), und man muss ihm die Zügel ordentlich
anziehn und vorher ein halb Dutzend Gertenhiebe geben, damit
er Angst bekommt, sonst wird er übel aufspielen (malos abrazos);
dann aber geht er wie ein Hündchen.“ Vielleicht ist diess der-
selbe Pony, auf dem wir den Prinzen in der folgenden Scene
seine ersten Probestücke in der hohen Schule ausführen sehn.
Kinder zu Pferd waren besonders in Andalusien etwas ganz
gewöhnliches. Im Guzman de Alfarache lesen wir, dass man
in Cordoba, Sevilla, Xeres die Kinder aus der Wiege aufs Pferd
bringt1).

Zwei Skizzen zeigen Don Balthasar als Elementarschüler
der gineta, in der Reitschule, beide in englischen Sammlungen.
Die erste, kleinere, aber figurenreichere und vorzüglichere ge-
hört Sir Richard Wallace. Sie ist wol als recuerdo seines
ersten Specimens im „Schulen über der Erde“ gemalt worden.
Im Grund der Bahn die kahle Wand eines Hauses, vielleicht des
Marstalls am Palastplatz mit thurmartiger Spitze, Taubenschlag,
Balkon; darauf zwei Damen und ein Zwerg. Unten an der Wand
stehen etwa zehn Figuren aufgereiht, zwei zu Pferd, in der Mitte
ein Ding wie eine grosse rothe Sänfte. Rechts eine schmale
Bahn zwischen Brettern mit Zuschauern, ein Reiter gefolgt von
seinem Staffier. Ganz vorn links, als Hauptfigur, und allein aus
dem Schattenhaften der Uebrigen zu voller Körperlichkeit geführt,
der vierjährige Prinz auf dem dicken Ponyrappen, im besten
Anschluss, eine richtige Pesade ausführend. In schwarzem Wäms-
chen und Hut mit grossem weissen Federbusch, Stirn und Augen
beschattend, rother Schärpe, den Arm in der Hüfte, wendet er
sich triumphirend um. Très-crânement, sagt W. Burger, ganz
wie ein sehr grosser Mann: calme sur un cheval fougueux. Vor
ihm, zur Linken, steht der alte hagere Stallmeister und ein dünner
Zwerg mit der langen Reitpeitsche (?), hinter dem Pferd noch
ein dicker von derselben Statur; sie haben diesem die Hülfen
und Winke zu geben. Zur Erweiterung des Raums nach
vorn steht rechts in der Ecke noch ein Kavalier dem Grund

1) En toda la mayor parte del Andalucia, como Sevilla, Córdoba, Xerez de la Fron-
tera, sacan los niños (como dicen) de las cunas á los caballos, de manera que se acostum-
bra en otras partes á dárselos de caña; y es cosa de admiracion ver en tan tiernas
edades tan duros aceros y tanta destreza, porque hacerles mal tienen por su ordi-
nario ejercicio. I, 1,8.
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[131/0151] Der Prinz Balthasar Carlos. ihrer Livree in Feld und Salon sich famos machten“, und einen Ponyhengst, der auch zur Züchtung dienen könne. „Es ist ein kleiner Satan (diablillo), und man muss ihm die Zügel ordentlich anziehn und vorher ein halb Dutzend Gertenhiebe geben, damit er Angst bekommt, sonst wird er übel aufspielen (malos abrazos); dann aber geht er wie ein Hündchen.“ Vielleicht ist diess der- selbe Pony, auf dem wir den Prinzen in der folgenden Scene seine ersten Probestücke in der hohen Schule ausführen sehn. Kinder zu Pferd waren besonders in Andalusien etwas ganz gewöhnliches. Im Guzman de Alfarache lesen wir, dass man in Cordoba, Sevilla, Xeres die Kinder aus der Wiege aufs Pferd bringt 1). Zwei Skizzen zeigen Don Balthasar als Elementarschüler der gineta, in der Reitschule, beide in englischen Sammlungen. Die erste, kleinere, aber figurenreichere und vorzüglichere ge- hört Sir Richard Wallace. Sie ist wol als recuerdo seines ersten Specimens im „Schulen über der Erde“ gemalt worden. Im Grund der Bahn die kahle Wand eines Hauses, vielleicht des Marstalls am Palastplatz mit thurmartiger Spitze, Taubenschlag, Balkon; darauf zwei Damen und ein Zwerg. Unten an der Wand stehen etwa zehn Figuren aufgereiht, zwei zu Pferd, in der Mitte ein Ding wie eine grosse rothe Sänfte. Rechts eine schmale Bahn zwischen Brettern mit Zuschauern, ein Reiter gefolgt von seinem Staffier. Ganz vorn links, als Hauptfigur, und allein aus dem Schattenhaften der Uebrigen zu voller Körperlichkeit geführt, der vierjährige Prinz auf dem dicken Ponyrappen, im besten Anschluss, eine richtige Pesade ausführend. In schwarzem Wäms- chen und Hut mit grossem weissen Federbusch, Stirn und Augen beschattend, rother Schärpe, den Arm in der Hüfte, wendet er sich triumphirend um. Très-crânement, sagt W. Burger, ganz wie ein sehr grosser Mann: calme sur un cheval fougueux. Vor ihm, zur Linken, steht der alte hagere Stallmeister und ein dünner Zwerg mit der langen Reitpeitsche (?), hinter dem Pferd noch ein dicker von derselben Statur; sie haben diesem die Hülfen und Winke zu geben. Zur Erweiterung des Raums nach vorn steht rechts in der Ecke noch ein Kavalier dem Grund 1) En toda la mayor parte del Andalucia, como Sevilla, Córdoba, Xerez de la Fron- tera, sacan los niños (como dicen) de las cunas á los caballos, de manera que se acostum- bra en otras partes á dárselos de caña; y es cosa de admiracion ver en tan tiernas edades tan duros aceros y tanta destreza, porque hacerles mal tienen por su ordi- nario ejercicio. I, 1,8.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/151>, abgerufen am 23.11.2024.