Welten nach zehn Jahren ein Erbe geschenkt sei. Feuerwerk und Mörsergeknall, Comödien und Concerte, Almosen an die Ge- fängnisse und Bettelklöster, Gold und Silber unter das Volk ausgestreut, dreifaches Rennen von Berberhengsten und Büffeln von der Porta del popolo durch die Via del Babuino nach dem Palast Monaldeschi.
Der Maler, welcher vielleicht von einem Balkon des letzte- ren zusah, sollte diesen Prinzen nun bald von Jahr zu Jahr mit der Palette begleiten. Eine lange Reihe aufsteigender Figuren vom zweiten bis zum sechszehnten Jahre; ein Idyll von Eltern- glück und Hoffnung, aber wie umflort durch die Erinnerung an sein Loos, diesen Lebensmorgen ohne Tag. Es war ein muntrer, anstelliger, aufgeweckter Knabe, eine Erquickung fürs Auge unter so vielen blutarmen, trüben Masken. Was für eine Uner- schöpflichkeit wechselnder Erscheinung liegt doch in einem Men- schen, auch dem unbedeutendsten, wenn der Zauberstab der Kunst sie entfesselt! Künstler, denen eine Welt bedeutender Mensch- heit als Stoff gegeben war, haben nur eintönige Wiederho- lungen daraus gemacht: hier ist aus dem Einförmigen eine kleine Welt immer neuer, immer fesselnder Gestalten gezogen worden.
Don Balthasar war ein kräftiges, anfangs rasch sich ent- wickelndes Kind. "Schreiben Sie Ihren Hoheiten, sagte seine Hofmeisterin, die Gräfin Olivares zehn Tage nach der Geburt zu dem savoyischen Minister, dass dieselben hier einen sehr hitzigen und tapfern Vetter bekommen haben."1) --
Das Kind. Als am 7. März 1632 in S. Geronimo del Prado dem Prinzen von den Infanten, dem Clerus, Adel und den Städ- ten Castiliens gehuldigt wurde, hatte er vier Stunden lang in seinem geschlossenen Stühlchen fest und grade gestanden, ohne zu weinen, ohne einzuschlafen oder eine unpassende Geberde zu machen. Von diesem frühen Beweis althispanischer Haltung be- richteten Diplomaten und stellten die besten Prognostika. Diese Ceremonie schildert Calderon in seiner Komödie La banda y la flor.
Nach Cean malte Velazquez das Kind im Jahr nach seiner Rückkehr aus Rom, und in einem Aktenstück von 1634 wird ihm ein solches Bildniss in Rechnung geschrieben2). Aus derselben
1) Escrivalo V. S. a sus altezas, que aqui tienen un pariente muy colerico y bizarro. 27. Nov. 1629.
2) In Zarco del Valle, Documentos ined. T. 55 S. 621: un retrato del principe nuestro sennor.
Fünftes Buch.
Welten nach zehn Jahren ein Erbe geschenkt sei. Feuerwerk und Mörsergeknall, Comödien und Concerte, Almosen an die Ge- fängnisse und Bettelklöster, Gold und Silber unter das Volk ausgestreut, dreifaches Rennen von Berberhengsten und Büffeln von der Porta del popolo durch die Via del Babuino nach dem Palast Monaldeschi.
Der Maler, welcher vielleicht von einem Balkon des letzte- ren zusah, sollte diesen Prinzen nun bald von Jahr zu Jahr mit der Palette begleiten. Eine lange Reihe aufsteigender Figuren vom zweiten bis zum sechszehnten Jahre; ein Idyll von Eltern- glück und Hoffnung, aber wie umflort durch die Erinnerung an sein Loos, diesen Lebensmorgen ohne Tag. Es war ein muntrer, anstelliger, aufgeweckter Knabe, eine Erquickung fürs Auge unter so vielen blutarmen, trüben Masken. Was für eine Uner- schöpflichkeit wechselnder Erscheinung liegt doch in einem Men- schen, auch dem unbedeutendsten, wenn der Zauberstab der Kunst sie entfesselt! Künstler, denen eine Welt bedeutender Mensch- heit als Stoff gegeben war, haben nur eintönige Wiederho- lungen daraus gemacht: hier ist aus dem Einförmigen eine kleine Welt immer neuer, immer fesselnder Gestalten gezogen worden.
Don Balthasar war ein kräftiges, anfangs rasch sich ent- wickelndes Kind. „Schreiben Sie Ihren Hoheiten, sagte seine Hofmeisterin, die Gräfin Olivares zehn Tage nach der Geburt zu dem savoyischen Minister, dass dieselben hier einen sehr hitzigen und tapfern Vetter bekommen haben.“1) —
Das Kind. Als am 7. März 1632 in S. Geronimo del Prado dem Prinzen von den Infanten, dem Clerus, Adel und den Städ- ten Castiliens gehuldigt wurde, hatte er vier Stunden lang in seinem geschlossenen Stühlchen fest und grade gestanden, ohne zu weinen, ohne einzuschlafen oder eine unpassende Geberde zu machen. Von diesem frühen Beweis althispanischer Haltung be- richteten Diplomaten und stellten die besten Prognostika. Diese Ceremonie schildert Calderon in seiner Komödie La banda y la flor.
Nach Cean malte Velazquez das Kind im Jahr nach seiner Rückkehr aus Rom, und in einem Aktenstück von 1634 wird ihm ein solches Bildniss in Rechnung geschrieben2). Aus derselben
1) Escrívalo V. S. á sus altezas, que aquí tienen un pariente muy colérico y bizarro. 27. Nov. 1629.
2) In Zarco del Valle, Documentos inéd. T. 55 S. 621: un retrato del príncipe nuestro señor.
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und Mörsergeknall, Comödien und Concerte, Almosen an die Ge-
fängnisse und Bettelklöster, Gold und Silber unter das Volk
ausgestreut, dreifaches Rennen von Berberhengsten und Büffeln
von der Porta del popolo durch die Via del Babuino nach dem
Palast Monaldeschi.
Der Maler, welcher vielleicht von einem Balkon des letzte-
ren zusah, sollte diesen Prinzen nun bald von Jahr zu Jahr mit
der Palette begleiten. Eine lange Reihe aufsteigender Figuren
vom zweiten bis zum sechszehnten Jahre; ein Idyll von Eltern-
glück und Hoffnung, aber wie umflort durch die Erinnerung an
sein Loos, diesen Lebensmorgen ohne Tag. Es war ein muntrer,
anstelliger, aufgeweckter Knabe, eine Erquickung fürs Auge
unter so vielen blutarmen, trüben Masken. Was für eine Uner-
schöpflichkeit wechselnder Erscheinung liegt doch in einem Men-
schen, auch dem unbedeutendsten, wenn der Zauberstab der Kunst
sie entfesselt! Künstler, denen eine Welt bedeutender Mensch-
heit als Stoff gegeben war, haben nur eintönige Wiederho-
lungen daraus gemacht: hier ist aus dem Einförmigen eine kleine
Welt immer neuer, immer fesselnder Gestalten gezogen worden.
Don Balthasar war ein kräftiges, anfangs rasch sich ent-
wickelndes Kind. „Schreiben Sie Ihren Hoheiten, sagte seine
Hofmeisterin, die Gräfin Olivares zehn Tage nach der Geburt zu
dem savoyischen Minister, dass dieselben hier einen sehr hitzigen
und tapfern Vetter bekommen haben.“ 1) —
Das Kind. Als am 7. März 1632 in S. Geronimo del Prado
dem Prinzen von den Infanten, dem Clerus, Adel und den Städ-
ten Castiliens gehuldigt wurde, hatte er vier Stunden lang in
seinem geschlossenen Stühlchen fest und grade gestanden, ohne
zu weinen, ohne einzuschlafen oder eine unpassende Geberde zu
machen. Von diesem frühen Beweis althispanischer Haltung be-
richteten Diplomaten und stellten die besten Prognostika. Diese
Ceremonie schildert Calderon in seiner Komödie La banda y
la flor.
Nach Cean malte Velazquez das Kind im Jahr nach seiner
Rückkehr aus Rom, und in einem Aktenstück von 1634 wird ihm
ein solches Bildniss in Rechnung geschrieben 2). Aus derselben
1) Escrívalo V. S. á sus altezas, que aquí tienen un pariente muy colérico
y bizarro. 27. Nov. 1629.
2) In Zarco del Valle, Documentos inéd. T. 55 S. 621: un retrato del
príncipe nuestro señor.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/148>, abgerufen am 16.07.2024.
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