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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Das Reiterbildniss Philipp IV.
so war der Grund folgender. Das Gemälde ist eine genau über-
einstimmende, verkleinerte Wiederholung des grossen Reiter-
bildnisses in der Galerie zu Madrid. Nun aber hielt ich damals,
in leichtgläubigem Verlass auf die allgemeine Annahme spani-
scher Kunstscribenten, diess grosse Gemälde für jenes von Pa-
lomino beschriebene Porträt, welches Velazquez nach urkund-
lichen Zeugnissen fast zehn Jahre später, während des Feldzugs
von 1644 in Fraga aufgenommen hatte. Eigne Prüfung, die ich
auf Anlass dieses Buchs anstellte, hat mir die Unrichtigkeit dieser
Annahme zur Gewissheit gemacht. Ich habe mich überzeugt, dass
das von Palomino beschriebene Bildniss von Fraga nicht das
Reiterbild in Madrid sein kann; dass ersteres aber noch exi-
stirt, dass das grosse Reiterbild um 1635 entstanden sein muss,
und also, beziehungsweise die kleine Replik in Florenz der
Statue Tacca's zum Vorbild gedient haben kann.

Nach der durch ein Document des Palastarchivs bestä-
tigten und vervollständigten Erzählung Palomino's (Museo III, 333)
liess sich der König auf seiner Reise von Zaragoza nach dem
belagerten Lerida aufnehmen. Er war dargestellt in dem Gala-
putz (arreo de gala), den er später auch bei seinem Einzug in
Lerida trug.

Die Uebergabe dieser seit 1640 in den Händen der aufstän-
dischen Katalonier und dann der von ihnen ins Land gerufenen
Franzosen befindlichen wichtigen Festung, des Schlüssels von
Aragon, an den spanischen General Felipe de Silva fand am
31. Juli 1644 statt, der Einzug des Königs Sonntag den 7. August.
Dieser reiste seit 1642 alljährlich nach Zaragoza, um dem Kriegs-
schauplatz nahe zu sein, er hatte sich auch im Frühjahr jenes
Jahres mit dem Verstärkungen aus den Niederlanden zuführenden
Cantelmo zu dem Belagerungsheer begeben, und hierbei war es,
in dem vier Meilen diesseits Lerida gelegenen Fraga, wo Velaz-
quez S. M. im Juni in drei Sitzungen malte. Der König war dann
wieder nach Zaragoza zurückgekehrt, um sich erst nach der
Uebergabe der Stadt zum feierlichen Einzug wieder einzufinden.

Nun fand aber jener Einzug nach den gleichzeitigen Be-
richten nicht im Costüm unseres Bildes, d. h. in Rüstung statt,
sondern in rother Gala. Nach der in spanischer Sprache mitge-
theilten Beschreibung des Venezianers Niccolo Sagredo fuhr der
König bis zum Magdalenenthor, bestieg hier einen reichgeschirr-
ten neapolitanischen Kohlfuchs und hielt seinen Einzug nach dem
Ceremoniell der Könige von Aragon, unter dem Baldachin durch

Das Reiterbildniss Philipp IV.
so war der Grund folgender. Das Gemälde ist eine genau über-
einstimmende, verkleinerte Wiederholung des grossen Reiter-
bildnisses in der Galerie zu Madrid. Nun aber hielt ich damals,
in leichtgläubigem Verlass auf die allgemeine Annahme spani-
scher Kunstscribenten, diess grosse Gemälde für jenes von Pa-
lomino beschriebene Porträt, welches Velazquez nach urkund-
lichen Zeugnissen fast zehn Jahre später, während des Feldzugs
von 1644 in Fraga aufgenommen hatte. Eigne Prüfung, die ich
auf Anlass dieses Buchs anstellte, hat mir die Unrichtigkeit dieser
Annahme zur Gewissheit gemacht. Ich habe mich überzeugt, dass
das von Palomino beschriebene Bildniss von Fraga nicht das
Reiterbild in Madrid sein kann; dass ersteres aber noch exi-
stirt, dass das grosse Reiterbild um 1635 entstanden sein muss,
und also, beziehungsweise die kleine Replik in Florenz der
Statue Tacca’s zum Vorbild gedient haben kann.

Nach der durch ein Document des Palastarchivs bestä-
tigten und vervollständigten Erzählung Palomino’s (Museo III, 333)
liess sich der König auf seiner Reise von Zaragoza nach dem
belagerten Lerida aufnehmen. Er war dargestellt in dem Gala-
putz (arreo de gala), den er später auch bei seinem Einzug in
Lerida trug.

Die Uebergabe dieser seit 1640 in den Händen der aufstän-
dischen Katalonier und dann der von ihnen ins Land gerufenen
Franzosen befindlichen wichtigen Festung, des Schlüssels von
Aragon, an den spanischen General Felipe de Silva fand am
31. Juli 1644 statt, der Einzug des Königs Sonntag den 7. August.
Dieser reiste seit 1642 alljährlich nach Zaragoza, um dem Kriegs-
schauplatz nahe zu sein, er hatte sich auch im Frühjahr jenes
Jahres mit dem Verstärkungen aus den Niederlanden zuführenden
Cantelmo zu dem Belagerungsheer begeben, und hierbei war es,
in dem vier Meilen diesseits Lerida gelegenen Fraga, wo Velaz-
quez S. M. im Juni in drei Sitzungen malte. Der König war dann
wieder nach Zaragoza zurückgekehrt, um sich erst nach der
Uebergabe der Stadt zum feierlichen Einzug wieder einzufinden.

Nun fand aber jener Einzug nach den gleichzeitigen Be-
richten nicht im Costüm unseres Bildes, d. h. in Rüstung statt,
sondern in rother Gala. Nach der in spanischer Sprache mitge-
theilten Beschreibung des Venezianers Niccolò Sagredo fuhr der
König bis zum Magdalenenthor, bestieg hier einen reichgeschirr-
ten neapolitanischen Kohlfuchs und hielt seinen Einzug nach dem
Ceremoniell der Könige von Aragon, unter dem Baldachin durch

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[91/0111] Das Reiterbildniss Philipp IV. so war der Grund folgender. Das Gemälde ist eine genau über- einstimmende, verkleinerte Wiederholung des grossen Reiter- bildnisses in der Galerie zu Madrid. Nun aber hielt ich damals, in leichtgläubigem Verlass auf die allgemeine Annahme spani- scher Kunstscribenten, diess grosse Gemälde für jenes von Pa- lomino beschriebene Porträt, welches Velazquez nach urkund- lichen Zeugnissen fast zehn Jahre später, während des Feldzugs von 1644 in Fraga aufgenommen hatte. Eigne Prüfung, die ich auf Anlass dieses Buchs anstellte, hat mir die Unrichtigkeit dieser Annahme zur Gewissheit gemacht. Ich habe mich überzeugt, dass das von Palomino beschriebene Bildniss von Fraga nicht das Reiterbild in Madrid sein kann; dass ersteres aber noch exi- stirt, dass das grosse Reiterbild um 1635 entstanden sein muss, und also, beziehungsweise die kleine Replik in Florenz der Statue Tacca’s zum Vorbild gedient haben kann. Nach der durch ein Document des Palastarchivs bestä- tigten und vervollständigten Erzählung Palomino’s (Museo III, 333) liess sich der König auf seiner Reise von Zaragoza nach dem belagerten Lerida aufnehmen. Er war dargestellt in dem Gala- putz (arreo de gala), den er später auch bei seinem Einzug in Lerida trug. Die Uebergabe dieser seit 1640 in den Händen der aufstän- dischen Katalonier und dann der von ihnen ins Land gerufenen Franzosen befindlichen wichtigen Festung, des Schlüssels von Aragon, an den spanischen General Felipe de Silva fand am 31. Juli 1644 statt, der Einzug des Königs Sonntag den 7. August. Dieser reiste seit 1642 alljährlich nach Zaragoza, um dem Kriegs- schauplatz nahe zu sein, er hatte sich auch im Frühjahr jenes Jahres mit dem Verstärkungen aus den Niederlanden zuführenden Cantelmo zu dem Belagerungsheer begeben, und hierbei war es, in dem vier Meilen diesseits Lerida gelegenen Fraga, wo Velaz- quez S. M. im Juni in drei Sitzungen malte. Der König war dann wieder nach Zaragoza zurückgekehrt, um sich erst nach der Uebergabe der Stadt zum feierlichen Einzug wieder einzufinden. Nun fand aber jener Einzug nach den gleichzeitigen Be- richten nicht im Costüm unseres Bildes, d. h. in Rüstung statt, sondern in rother Gala. Nach der in spanischer Sprache mitge- theilten Beschreibung des Venezianers Niccolò Sagredo fuhr der König bis zum Magdalenenthor, bestieg hier einen reichgeschirr- ten neapolitanischen Kohlfuchs und hielt seinen Einzug nach dem Ceremoniell der Könige von Aragon, unter dem Baldachin durch

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/111>, abgerufen am 23.11.2024.