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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Erstes Buch.
ders von Seiten seiner Gesuchtheit und Langweiligkeit. Sein
Schicksal war die "grosse Manier", mit der Rom es ihm angethan
hatte. Als ihr gläubiger Adept hat er nach tiefen Studien
nichtssagende Geberden und Gesichter von öder Allgemeinheit
kunstvoll zusammengestellt, während er der Natur gewissenhaft
aus dem Wege ging. "Weisst du denn nicht, dass ein Bildniss
nicht ähnlich sein darf? Es genügt, dass man einen kunstge-
rechten Kopf gemacht hat." Das Lob einer prächtigen Vase
in seiner Cena verdross ihn so, dass er sie kassirte, vielleicht
fühlte er, dass der unvorsichtige Bewunderer eine bittere Wahr-
heit gesagt hatte.

Cespedes zeigt uns diese spanischen Cinquecentisten in
ihren Tugenden und Schwächen. Ihre Studien waren gründlich
und wissenschaftlich, ihre Kunstideale hoch, ihre Bildung uni-
versell und fein. Aber das Allgemeine nahm ihre ganze Kraft
in Anspruch, und für den Blick ins Leben blieb ihnen keine Zeit
übrig. Ihre Physiognomien, ihre Mimik, ihre Gruppirung ist nach-
geahmt, gemacht, prätentiös, und meist ohne einen Hauch von
Natur. Ihre Heimath war Rom: das volksmässige Wesen war ihnen
abhanden gekommen. Den Späteren erschienen sie in höherem Licht
als die Genossen des glorreichen Zeitalters Karl V; in der That
passten sie an den Hof des Kaisers, der umgeben von italienischen,
deutschen und spanischen Staatsmännern und Generalen in seinem
Weltreich allgegenwärtig war, in dessen Gefolge man Boscan
und Garcilaso sah, unter dem Machuca einen plumpen Renaissance-
palast in die Alhambra gepflanzt, und Berruguete eine solche
Rolle spielte, dass man die Ornamentik dieser Zeit nach ihm
benannt hat. --

Es fehlt jedoch auch nicht an Spuren, dass die "gute Manier"
bei den Zeitgenossen doch nur getheilten Beifall fand. Er-
zählungen von Aufträgen, deren Ausführung nicht befriedigte,
und die mit tieferer Berücksichtigung des heiligen Gegenstandes
wiederholt werden mussten, wie Becerra's Soledad, Juan Macip's
Concepcion; der Streit Berruguete's mit den Benediktinern in
Valladolid, Greco's mit dem Kapitel von Toledo, die ascetischen
Uebungen, mit denen man sich auf die Arbeit vorbereitete --
diess alles deutet darauf hin, dass es den aus den entkirchlichten
Schulen Welschlands Heimkehrenden Mühe kostete, den Weg zum
Herzen ihrer Landsleute zu finden.

In diese Zeit fallen jene Namen, die ebenso berühmt ge-
worden sind durch einige unvergängliche Werke, wie durch Ver-

Erstes Buch.
ders von Seiten seiner Gesuchtheit und Langweiligkeit. Sein
Schicksal war die „grosse Manier“, mit der Rom es ihm angethan
hatte. Als ihr gläubiger Adept hat er nach tiefen Studien
nichtssagende Geberden und Gesichter von öder Allgemeinheit
kunstvoll zusammengestellt, während er der Natur gewissenhaft
aus dem Wege ging. „Weisst du denn nicht, dass ein Bildniss
nicht ähnlich sein darf? Es genügt, dass man einen kunstge-
rechten Kopf gemacht hat.“ Das Lob einer prächtigen Vase
in seiner Cena verdross ihn so, dass er sie kassirte, vielleicht
fühlte er, dass der unvorsichtige Bewunderer eine bittere Wahr-
heit gesagt hatte.

Céspedes zeigt uns diese spanischen Cinquecentisten in
ihren Tugenden und Schwächen. Ihre Studien waren gründlich
und wissenschaftlich, ihre Kunstideale hoch, ihre Bildung uni-
versell und fein. Aber das Allgemeine nahm ihre ganze Kraft
in Anspruch, und für den Blick ins Leben blieb ihnen keine Zeit
übrig. Ihre Physiognomien, ihre Mimik, ihre Gruppirung ist nach-
geahmt, gemacht, prätentiös, und meist ohne einen Hauch von
Natur. Ihre Heimath war Rom: das volksmässige Wesen war ihnen
abhanden gekommen. Den Späteren erschienen sie in höherem Licht
als die Genossen des glorreichen Zeitalters Karl V; in der That
passten sie an den Hof des Kaisers, der umgeben von italienischen,
deutschen und spanischen Staatsmännern und Generalen in seinem
Weltreich allgegenwärtig war, in dessen Gefolge man Boscan
und Garcilaso sah, unter dem Machuca einen plumpen Renaissance-
palast in die Alhambra gepflanzt, und Berruguete eine solche
Rolle spielte, dass man die Ornamentik dieser Zeit nach ihm
benannt hat. —

Es fehlt jedoch auch nicht an Spuren, dass die „gute Manier“
bei den Zeitgenossen doch nur getheilten Beifall fand. Er-
zählungen von Aufträgen, deren Ausführung nicht befriedigte,
und die mit tieferer Berücksichtigung des heiligen Gegenstandes
wiederholt werden mussten, wie Becerra’s Soledad, Juan Macip’s
Concepcion; der Streit Berruguete’s mit den Benediktinern in
Valladolid, Greco’s mit dem Kapitel von Toledo, die ascetischen
Uebungen, mit denen man sich auf die Arbeit vorbereitete —
diess alles deutet darauf hin, dass es den aus den entkirchlichten
Schulen Welschlands Heimkehrenden Mühe kostete, den Weg zum
Herzen ihrer Landsleute zu finden.

In diese Zeit fallen jene Namen, die ebenso berühmt ge-
worden sind durch einige unvergängliche Werke, wie durch Ver-

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[50/0070] Erstes Buch. ders von Seiten seiner Gesuchtheit und Langweiligkeit. Sein Schicksal war die „grosse Manier“, mit der Rom es ihm angethan hatte. Als ihr gläubiger Adept hat er nach tiefen Studien nichtssagende Geberden und Gesichter von öder Allgemeinheit kunstvoll zusammengestellt, während er der Natur gewissenhaft aus dem Wege ging. „Weisst du denn nicht, dass ein Bildniss nicht ähnlich sein darf? Es genügt, dass man einen kunstge- rechten Kopf gemacht hat.“ Das Lob einer prächtigen Vase in seiner Cena verdross ihn so, dass er sie kassirte, vielleicht fühlte er, dass der unvorsichtige Bewunderer eine bittere Wahr- heit gesagt hatte. Céspedes zeigt uns diese spanischen Cinquecentisten in ihren Tugenden und Schwächen. Ihre Studien waren gründlich und wissenschaftlich, ihre Kunstideale hoch, ihre Bildung uni- versell und fein. Aber das Allgemeine nahm ihre ganze Kraft in Anspruch, und für den Blick ins Leben blieb ihnen keine Zeit übrig. Ihre Physiognomien, ihre Mimik, ihre Gruppirung ist nach- geahmt, gemacht, prätentiös, und meist ohne einen Hauch von Natur. Ihre Heimath war Rom: das volksmässige Wesen war ihnen abhanden gekommen. Den Späteren erschienen sie in höherem Licht als die Genossen des glorreichen Zeitalters Karl V; in der That passten sie an den Hof des Kaisers, der umgeben von italienischen, deutschen und spanischen Staatsmännern und Generalen in seinem Weltreich allgegenwärtig war, in dessen Gefolge man Boscan und Garcilaso sah, unter dem Machuca einen plumpen Renaissance- palast in die Alhambra gepflanzt, und Berruguete eine solche Rolle spielte, dass man die Ornamentik dieser Zeit nach ihm benannt hat. — Es fehlt jedoch auch nicht an Spuren, dass die „gute Manier“ bei den Zeitgenossen doch nur getheilten Beifall fand. Er- zählungen von Aufträgen, deren Ausführung nicht befriedigte, und die mit tieferer Berücksichtigung des heiligen Gegenstandes wiederholt werden mussten, wie Becerra’s Soledad, Juan Macip’s Concepcion; der Streit Berruguete’s mit den Benediktinern in Valladolid, Greco’s mit dem Kapitel von Toledo, die ascetischen Uebungen, mit denen man sich auf die Arbeit vorbereitete — diess alles deutet darauf hin, dass es den aus den entkirchlichten Schulen Welschlands Heimkehrenden Mühe kostete, den Weg zum Herzen ihrer Landsleute zu finden. In diese Zeit fallen jene Namen, die ebenso berühmt ge- worden sind durch einige unvergängliche Werke, wie durch Ver-

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/70>, abgerufen am 24.11.2024.