heute geben manche Kirchen Andalusiens hiervon einen Eindruck, auch nachdem der Churriguerismus, diese Kirchenpest, mehr als ein Jahrhundert dort getobt hat.
Bereits dreizehn Jahre nach Vollendung des Genter Altar- werkes taucht in Barcelona der Retablo Luis de Dalmau's auf (1445), des treuen und ältesten Nachahmers Jan van Eyck's, das frühste Oelgemälde Spaniens. Bald darauf tritt in Zamora und Salamanca Fernan Gallegos auf; und in Andalusien Juan de Cordova, dessen Verkündigung in der dortigen Moschee (1475) mit morgenländischer Pracht ausgestattet ist.
Isabella die Katholische hat drei niederländische Maler an ihrem Hof gehabt; sie bestimmte einen Theil ihrer Andachtsbilder der Kirche von Granada; noch ist in der Capilla Real das Triptychon des Dierick Bouts, die Kreuzigung, übrig geblieben. Noch andere Niederländer kamen über die Pyrenäen und liessen sich bleibend nieder; in ihren Tafeln findet man bei der bewahrten heimischen Malführung spanische Typen und Trachten, Land- schaften und Bauten. In Palencia malte Juan de Flandes den Hochaltar; er hatte vorher mit Meister Miguel lange im Dienst Isabellas gearbeitet. In Andalusien finden wir wenn nicht ihn selbst, doch einen ihm verwandten Stammgenossen der Schule von Brügge in dem Maler der merkwürdigen acht Tafeln der Johanniterkirche zu Marchena, der Stadt der Ponce de Leon. Noch später hat der Minister Carls V, Francisco de los Cobos, die von ihm gegründete Kirche S. Salvador zu Ubeda mit sechs flandrischen Triptychen bedacht; sie sind jetzt in der Sacristei vereinigt.
Durch die Entdeckung eines wolbezeugten Retablo in der Kirche S. Julian zu Sevilla im Jahre 1878, von der Hand des Juan Sanchez de Castro, ist wahrscheinlich geworden, dass die Anfänge der Schule von Sevilla auf niederländische Anregung zurück- gehen. In richtiger Ahnung hatte ihn Stirling den Morgen- stern der Schule genannt. Neuerdings haben Gelehrte die Zu- lässigkeit letzteren Begriffs bestreiten wollen; aber Schule be- deutet ja nichts als die Angehörigkeit einer stetigen Reihe an eine Stadt oder Landschaft, und durchaus keine unvermischte Descendenz. Vor Sanchez wäre es freilich gewagt, aus zerstreu- ten Denkmälern, deren Ursprung theils dunkel ist, theils in weite Ferne weist, Etappen einer städtischen Kunstschule her- stellen zu wollen.
Nach jenem Triptychon der Madonna mit S. Petrus und Hie-
Erstes Buch.
heute geben manche Kirchen Andalusiens hiervon einen Eindruck, auch nachdem der Churriguerismus, diese Kirchenpest, mehr als ein Jahrhundert dort getobt hat.
Bereits dreizehn Jahre nach Vollendung des Genter Altar- werkes taucht in Barcelona der Retablo Luis de Dalmau’s auf (1445), des treuen und ältesten Nachahmers Jan van Eyck’s, das frühste Oelgemälde Spaniens. Bald darauf tritt in Zamora und Salamanca Fernan Gallegos auf; und in Andalusien Juan de Cordova, dessen Verkündigung in der dortigen Moschee (1475) mit morgenländischer Pracht ausgestattet ist.
Isabella die Katholische hat drei niederländische Maler an ihrem Hof gehabt; sie bestimmte einen Theil ihrer Andachtsbilder der Kirche von Granada; noch ist in der Capilla Real das Triptychon des Dierick Bouts, die Kreuzigung, übrig geblieben. Noch andere Niederländer kamen über die Pyrenäen und liessen sich bleibend nieder; in ihren Tafeln findet man bei der bewahrten heimischen Malführung spanische Typen und Trachten, Land- schaften und Bauten. In Palencia malte Juan de Flandes den Hochaltar; er hatte vorher mit Meister Miguel lange im Dienst Isabellas gearbeitet. In Andalusien finden wir wenn nicht ihn selbst, doch einen ihm verwandten Stammgenossen der Schule von Brügge in dem Maler der merkwürdigen acht Tafeln der Johanniterkirche zu Marchena, der Stadt der Ponce de Leon. Noch später hat der Minister Carls V, Francisco de los Cobos, die von ihm gegründete Kirche S. Salvador zu Ubeda mit sechs flandrischen Triptychen bedacht; sie sind jetzt in der Sacristei vereinigt.
Durch die Entdeckung eines wolbezeugten Retablo in der Kirche S. Julian zu Sevilla im Jahre 1878, von der Hand des Juan Sanchez de Castro, ist wahrscheinlich geworden, dass die Anfänge der Schule von Sevilla auf niederländische Anregung zurück- gehen. In richtiger Ahnung hatte ihn Stirling den Morgen- stern der Schule genannt. Neuerdings haben Gelehrte die Zu- lässigkeit letzteren Begriffs bestreiten wollen; aber Schule be- deutet ja nichts als die Angehörigkeit einer stetigen Reihe an eine Stadt oder Landschaft, und durchaus keine unvermischte Descendenz. Vor Sanchez wäre es freilich gewagt, aus zerstreu- ten Denkmälern, deren Ursprung theils dunkel ist, theils in weite Ferne weist, Etappen einer städtischen Kunstschule her- stellen zu wollen.
Nach jenem Triptychon der Madonna mit S. Petrus und Hie-
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Erstes Buch.
heute geben manche Kirchen Andalusiens hiervon einen Eindruck,
auch nachdem der Churriguerismus, diese Kirchenpest, mehr als
ein Jahrhundert dort getobt hat.
Bereits dreizehn Jahre nach Vollendung des Genter Altar-
werkes taucht in Barcelona der Retablo Luis de Dalmau’s auf
(1445), des treuen und ältesten Nachahmers Jan van Eyck’s, das
frühste Oelgemälde Spaniens. Bald darauf tritt in Zamora und
Salamanca Fernan Gallegos auf; und in Andalusien Juan de
Cordova, dessen Verkündigung in der dortigen Moschee (1475)
mit morgenländischer Pracht ausgestattet ist.
Isabella die Katholische hat drei niederländische Maler an
ihrem Hof gehabt; sie bestimmte einen Theil ihrer Andachtsbilder
der Kirche von Granada; noch ist in der Capilla Real das
Triptychon des Dierick Bouts, die Kreuzigung, übrig geblieben.
Noch andere Niederländer kamen über die Pyrenäen und liessen
sich bleibend nieder; in ihren Tafeln findet man bei der bewahrten
heimischen Malführung spanische Typen und Trachten, Land-
schaften und Bauten. In Palencia malte Juan de Flandes den
Hochaltar; er hatte vorher mit Meister Miguel lange im Dienst
Isabellas gearbeitet. In Andalusien finden wir wenn nicht ihn
selbst, doch einen ihm verwandten Stammgenossen der Schule
von Brügge in dem Maler der merkwürdigen acht Tafeln der
Johanniterkirche zu Marchena, der Stadt der Ponce de Leon.
Noch später hat der Minister Carls V, Francisco de los Cobos,
die von ihm gegründete Kirche S. Salvador zu Ubeda mit sechs
flandrischen Triptychen bedacht; sie sind jetzt in der Sacristei
vereinigt.
Durch die Entdeckung eines wolbezeugten Retablo in der
Kirche S. Julian zu Sevilla im Jahre 1878, von der Hand des Juan
Sanchez de Castro, ist wahrscheinlich geworden, dass die Anfänge
der Schule von Sevilla auf niederländische Anregung zurück-
gehen. In richtiger Ahnung hatte ihn Stirling den Morgen-
stern der Schule genannt. Neuerdings haben Gelehrte die Zu-
lässigkeit letzteren Begriffs bestreiten wollen; aber Schule be-
deutet ja nichts als die Angehörigkeit einer stetigen Reihe an
eine Stadt oder Landschaft, und durchaus keine unvermischte
Descendenz. Vor Sanchez wäre es freilich gewagt, aus zerstreu-
ten Denkmälern, deren Ursprung theils dunkel ist, theils in
weite Ferne weist, Etappen einer städtischen Kunstschule her-
stellen zu wollen.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/58>, abgerufen am 23.11.2024.
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