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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Uebergabe von Breda.
vorbeimarschirende Besatzung. Hinter ihnen ragen wieder die
Lanzen der spalierbildenden Spanier. Den Mittelgrund schliesst
ab eine Schanze der innern Enceinte. Die links davon aufqual-
mende Rauchmasse entsteigt einem grossen Brande, vor dem Ge-
stalten, Fahnen, sich bewegen; diese Dampfsäulen, die auch sonst
die Quartiere bezeichnen, rühren von Freudenfeuern und Sal-
ven her.

Die in der dunstigen Atmosphäre dieses wässerigen Tief-
landes etwas verschwimmenden Einzelheiten der Ferne sind topo-
graphisch richtig disponirt, ganz so wie in der grossen Lein-
wand von Snayers. Der Punkt in der Mitte ist die Station des
Paul Baglioni. Die Wasserfläche zur Linken mit dem durchschnei-
denden Damm (dem "schwarzen Damm") ist ein Theil der künst-
lichen Ueberschwemmung, durch welche Spinola sich vor der
umschwärmenden Entsatzarmee Ruhe verschaffen wollte. In
der Ebene dahinter sieht man die Silberschlange der Merka,
die in der Stadt das Flüsschen Aa aufnimmt. Die mehr als
zehn Meilen entfernte See ist natürlich nicht sichtbar.

Alles ist wie ein Aufathmen die Natur selbst scheint, im
Wehen der Morgenlüfte, ein neues Leben des Friedens, der
Hoffnung zu verheissen. --

Noch ein Blick auf das Künstlerische! "Das Werk, sagt
Mengs, enthält alle die Vollkommenheit, deren der Stoff fähig
war, und alles ist mit der höchsten Meisterschaft ausgedrückt"1).
Der Eindruck grosser Massen ist mit wenigen Figuren, der
einer unermesslichen Ausdehnung auf sehr beengter Fläche ge-
wonnen. Der geniale Kolorist hat hierzu soviel beigetragen wie
der Zeichner. Die Komposition vereinigt crystallklare Durchsich-
tigkeit der Erzählung mit allen Eigenschaften malerischer Grup-
pirung: Gleichgewicht der Massen bei Aufhebung der Ein-
förmigkeit durch die Diagonale, Concentration des Interesses
in der Hauptperson und abgestufte Unterordnung der übrigen.


1) Mengs fand in den Lanzen den einzigen Fehler: no hay cosa, exeep-
tuando las hastas de las lanzas, que no este expresado con el mayor magisterio.
Carta a Ponz, Viage VI, 201. Bossuet nennt diese carres espagnols -- carres
vivants, semblables a des tours, mais a des tours qui sauraient reparer leurs breches.
M. Lucien Solvay versteht mehr von Komposition als Mengs. In seinem durch
originelle Schreibweise spanischer Künstlernamen bemerkenswerthen Werke L'art
espagnol, Paris 1887 heisst es p. 190: Breda, tres-defectueuse au point de vue de
la composition; p. 184 Breda peche evidemment -- par le manque d'effet dans la
distribution de la lumiere et la resonnance des tons.

Die Uebergabe von Breda.
vorbeimarschirende Besatzung. Hinter ihnen ragen wieder die
Lanzen der spalierbildenden Spanier. Den Mittelgrund schliesst
ab eine Schanze der innern Enceinte. Die links davon aufqual-
mende Rauchmasse entsteigt einem grossen Brande, vor dem Ge-
stalten, Fahnen, sich bewegen; diese Dampfsäulen, die auch sonst
die Quartiere bezeichnen, rühren von Freudenfeuern und Sal-
ven her.

Die in der dunstigen Atmosphäre dieses wässerigen Tief-
landes etwas verschwimmenden Einzelheiten der Ferne sind topo-
graphisch richtig disponirt, ganz so wie in der grossen Lein-
wand von Snayers. Der Punkt in der Mitte ist die Station des
Paul Baglioni. Die Wasserfläche zur Linken mit dem durchschnei-
denden Damm (dem „schwarzen Damm“) ist ein Theil der künst-
lichen Ueberschwemmung, durch welche Spinola sich vor der
umschwärmenden Entsatzarmee Ruhe verschaffen wollte. In
der Ebene dahinter sieht man die Silberschlange der Merka,
die in der Stadt das Flüsschen Aa aufnimmt. Die mehr als
zehn Meilen entfernte See ist natürlich nicht sichtbar.

Alles ist wie ein Aufathmen die Natur selbst scheint, im
Wehen der Morgenlüfte, ein neues Leben des Friedens, der
Hoffnung zu verheissen. —

Noch ein Blick auf das Künstlerische! „Das Werk, sagt
Mengs, enthält alle die Vollkommenheit, deren der Stoff fähig
war, und alles ist mit der höchsten Meisterschaft ausgedrückt“1).
Der Eindruck grosser Massen ist mit wenigen Figuren, der
einer unermesslichen Ausdehnung auf sehr beengter Fläche ge-
wonnen. Der geniale Kolorist hat hierzu soviel beigetragen wie
der Zeichner. Die Komposition vereinigt crystallklare Durchsich-
tigkeit der Erzählung mit allen Eigenschaften malerischer Grup-
pirung: Gleichgewicht der Massen bei Aufhebung der Ein-
förmigkeit durch die Diagonale, Concentration des Interesses
in der Hauptperson und abgestufte Unterordnung der übrigen.


1) Mengs fand in den Lanzen den einzigen Fehler: no hay cosa, exeep-
tuando las hastas de las lanzas, que no este expresado con el mayor magisterio.
Carta à Ponz, Viage VI, 201. Bossuet nennt diese carrés espagnols — carrés
vivants, semblables à des tours, mais à des tours qui sauraient réparer leurs brèches.
M. Lucien Solvay versteht mehr von Komposition als Mengs. In seinem durch
originelle Schreibweise spanischer Künstlernamen bemerkenswerthen Werke L’art
espagnol, Paris 1887 heisst es p. 190: Breda, très-défectueuse au point de vue de
la composition; p. 184 Breda pèche évidemment — par le manque d’effet dans la
distribution de la lumière et la résonnance des tons.
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[365/0393] Die Uebergabe von Breda. vorbeimarschirende Besatzung. Hinter ihnen ragen wieder die Lanzen der spalierbildenden Spanier. Den Mittelgrund schliesst ab eine Schanze der innern Enceinte. Die links davon aufqual- mende Rauchmasse entsteigt einem grossen Brande, vor dem Ge- stalten, Fahnen, sich bewegen; diese Dampfsäulen, die auch sonst die Quartiere bezeichnen, rühren von Freudenfeuern und Sal- ven her. Die in der dunstigen Atmosphäre dieses wässerigen Tief- landes etwas verschwimmenden Einzelheiten der Ferne sind topo- graphisch richtig disponirt, ganz so wie in der grossen Lein- wand von Snayers. Der Punkt in der Mitte ist die Station des Paul Baglioni. Die Wasserfläche zur Linken mit dem durchschnei- denden Damm (dem „schwarzen Damm“) ist ein Theil der künst- lichen Ueberschwemmung, durch welche Spinola sich vor der umschwärmenden Entsatzarmee Ruhe verschaffen wollte. In der Ebene dahinter sieht man die Silberschlange der Merka, die in der Stadt das Flüsschen Aa aufnimmt. Die mehr als zehn Meilen entfernte See ist natürlich nicht sichtbar. Alles ist wie ein Aufathmen die Natur selbst scheint, im Wehen der Morgenlüfte, ein neues Leben des Friedens, der Hoffnung zu verheissen. — Noch ein Blick auf das Künstlerische! „Das Werk, sagt Mengs, enthält alle die Vollkommenheit, deren der Stoff fähig war, und alles ist mit der höchsten Meisterschaft ausgedrückt“ 1). Der Eindruck grosser Massen ist mit wenigen Figuren, der einer unermesslichen Ausdehnung auf sehr beengter Fläche ge- wonnen. Der geniale Kolorist hat hierzu soviel beigetragen wie der Zeichner. Die Komposition vereinigt crystallklare Durchsich- tigkeit der Erzählung mit allen Eigenschaften malerischer Grup- pirung: Gleichgewicht der Massen bei Aufhebung der Ein- förmigkeit durch die Diagonale, Concentration des Interesses in der Hauptperson und abgestufte Unterordnung der übrigen. 1) Mengs fand in den Lanzen den einzigen Fehler: no hay cosa, exeep- tuando las hastas de las lanzas, que no este expresado con el mayor magisterio. Carta à Ponz, Viage VI, 201. Bossuet nennt diese carrés espagnols — carrés vivants, semblables à des tours, mais à des tours qui sauraient réparer leurs brèches. M. Lucien Solvay versteht mehr von Komposition als Mengs. In seinem durch originelle Schreibweise spanischer Künstlernamen bemerkenswerthen Werke L’art espagnol, Paris 1887 heisst es p. 190: Breda, très-défectueuse au point de vue de la composition; p. 184 Breda pèche évidemment — par le manque d’effet dans la distribution de la lumière et la résonnance des tons.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/393>, abgerufen am 27.11.2024.