einem "Kranz" von Fürsten und adligen Offizieren 1); und dieser erschien mit seiner Familie, Verwandten und vornehmen Zöglin- gen der Kriegsakademie, die bei der Belagerung mit einge- schlossen worden waren. Spinola begrüsste und umarmte den Kommandanten mit freundlichem Blick (humaniter salutans) und mit noch freundlicheren Worten, in welchen er die Tapferkeit und Standhaftigkeit der langen Vertheidigung rühmte.
Und nun sehe man diese Gestalt hoch zu Ross, die dem im Staub knienden Manne, einem Bilde der Demüthigung, die Hand über den Hals des Pferdes zustreckt, mit der echt kastilischen, aber bei dem genuesischen Edelmann übel angebrachten Miene eisig kalten Stolzes; wie kein siegreicher Feldherr, auch ein Alba nicht, einem besiegten gegenüber tritt.
Was besonders den Spott der Madrider herausgefordert haben muss, war die Erscheinung des Leganes als des einzigen Auser- wählten neben Spinola, eine Ehre die er wol nur dem Umstand verdankte, dass er kurz darauf dessen Tochter geheirathet hatte. Des Leganes, dem man nachsagte, dass er gar kein Soldat sei, was er denn auch später, als ihm wichtige Führerrollen anver- traut wurden, zum Schaden seines Landes bewiesen hat. --
Alle diese Ausstellungen hätten nun doch wol keine ver- besserte Edition der "Uebergabe von Breda" bewirkt, wenn nicht noch besondre persönliche Antriebe dazu gekommen wären. Auf jener Seefahrt von Barcelona nach Genua im Jahre 1629 war Velazquez dem Spinola nahegetreten; die gleich nachher erfolgte tragische Katastrophe, die Belagerung von Casale, muss ihm näher gegangen sein, als anderen Zeitgenossen, die uns nicht ohne Bewegung schildern, wie Spinola schmählich preisgegeben wurde, und in seiner Feldherrnehre gekränkt, mit umdüstertem Geiste unterging. Wahr empfunden ist Quevedo's Sonett:
En Flandes dijo tu valor tu ausencia, En Italia tu muerte; y nos dejaste, Spinola, Dolor sin resistencia.
Auch der Maler wollte ihm, an seinem bescheidenen Theil, ein Denkmal setzen, indem er der wahren Gestalt des edlen Man- nes, eines der humansten Führer seiner Zeit, so wie nur er es konnte, Dauer gab. Die Verfälschung seines Andenkens durch jene steife, essigsaure Figur Leonardo's war, weil unritterlich, doch
1) Insigni nobilitatis corona stipatus. H. Hugo 120.
Viertes Buch.
einem „Kranz“ von Fürsten und adligen Offizieren 1); und dieser erschien mit seiner Familie, Verwandten und vornehmen Zöglin- gen der Kriegsakademie, die bei der Belagerung mit einge- schlossen worden waren. Spinola begrüsste und umarmte den Kommandanten mit freundlichem Blick (humaniter salutans) und mit noch freundlicheren Worten, in welchen er die Tapferkeit und Standhaftigkeit der langen Vertheidigung rühmte.
Und nun sehe man diese Gestalt hoch zu Ross, die dem im Staub knienden Manne, einem Bilde der Demüthigung, die Hand über den Hals des Pferdes zustreckt, mit der echt kastilischen, aber bei dem genuesischen Edelmann übel angebrachten Miene eisig kalten Stolzes; wie kein siegreicher Feldherr, auch ein Alba nicht, einem besiegten gegenüber tritt.
Was besonders den Spott der Madrider herausgefordert haben muss, war die Erscheinung des Leganés als des einzigen Auser- wählten neben Spinola, eine Ehre die er wol nur dem Umstand verdankte, dass er kurz darauf dessen Tochter geheirathet hatte. Des Leganés, dem man nachsagte, dass er gar kein Soldat sei, was er denn auch später, als ihm wichtige Führerrollen anver- traut wurden, zum Schaden seines Landes bewiesen hat. —
Alle diese Ausstellungen hätten nun doch wol keine ver- besserte Edition der „Uebergabe von Breda“ bewirkt, wenn nicht noch besondre persönliche Antriebe dazu gekommen wären. Auf jener Seefahrt von Barcelona nach Genua im Jahre 1629 war Velazquez dem Spinola nahegetreten; die gleich nachher erfolgte tragische Katastrophe, die Belagerung von Casale, muss ihm näher gegangen sein, als anderen Zeitgenossen, die uns nicht ohne Bewegung schildern, wie Spinola schmählich preisgegeben wurde, und in seiner Feldherrnehre gekränkt, mit umdüstertem Geiste unterging. Wahr empfunden ist Quevedo’s Sonett:
En Flandes dijo tu valor tu ausencia, En Italia tu muerte; y nos dejaste, Spínola, Dolor sin resistencia.
Auch der Maler wollte ihm, an seinem bescheidenen Theil, ein Denkmal setzen, indem er der wahren Gestalt des edlen Man- nes, eines der humansten Führer seiner Zeit, so wie nur er es konnte, Dauer gab. Die Verfälschung seines Andenkens durch jene steife, essigsaure Figur Leonardo’s war, weil unritterlich, doch
1) Insigni nobilitatis coronâ stipatus. H. Hugo 120.
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Viertes Buch.
einem „Kranz“ von Fürsten und adligen Offizieren 1); und dieser
erschien mit seiner Familie, Verwandten und vornehmen Zöglin-
gen der Kriegsakademie, die bei der Belagerung mit einge-
schlossen worden waren. Spinola begrüsste und umarmte den
Kommandanten mit freundlichem Blick (humaniter salutans) und
mit noch freundlicheren Worten, in welchen er die Tapferkeit und
Standhaftigkeit der langen Vertheidigung rühmte.
Und nun sehe man diese Gestalt hoch zu Ross, die dem
im Staub knienden Manne, einem Bilde der Demüthigung, die Hand
über den Hals des Pferdes zustreckt, mit der echt kastilischen,
aber bei dem genuesischen Edelmann übel angebrachten Miene
eisig kalten Stolzes; wie kein siegreicher Feldherr, auch ein Alba
nicht, einem besiegten gegenüber tritt.
Was besonders den Spott der Madrider herausgefordert haben
muss, war die Erscheinung des Leganés als des einzigen Auser-
wählten neben Spinola, eine Ehre die er wol nur dem Umstand
verdankte, dass er kurz darauf dessen Tochter geheirathet hatte.
Des Leganés, dem man nachsagte, dass er gar kein Soldat sei,
was er denn auch später, als ihm wichtige Führerrollen anver-
traut wurden, zum Schaden seines Landes bewiesen hat. —
Alle diese Ausstellungen hätten nun doch wol keine ver-
besserte Edition der „Uebergabe von Breda“ bewirkt, wenn
nicht noch besondre persönliche Antriebe dazu gekommen wären.
Auf jener Seefahrt von Barcelona nach Genua im Jahre 1629
war Velazquez dem Spinola nahegetreten; die gleich nachher
erfolgte tragische Katastrophe, die Belagerung von Casale, muss
ihm näher gegangen sein, als anderen Zeitgenossen, die uns nicht
ohne Bewegung schildern, wie Spinola schmählich preisgegeben
wurde, und in seiner Feldherrnehre gekränkt, mit umdüstertem
Geiste unterging. Wahr empfunden ist Quevedo’s Sonett:
En Flandes dijo tu valor tu ausencia,
En Italia tu muerte; y nos dejaste, Spínola,
Dolor sin resistencia.
Auch der Maler wollte ihm, an seinem bescheidenen Theil,
ein Denkmal setzen, indem er der wahren Gestalt des edlen Man-
nes, eines der humansten Führer seiner Zeit, so wie nur er es
konnte, Dauer gab. Die Verfälschung seines Andenkens durch
jene steife, essigsaure Figur Leonardo’s war, weil unritterlich, doch
1) Insigni nobilitatis coronâ stipatus. H. Hugo 120.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/386>, abgerufen am 01.07.2024.
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