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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Drittes Buch.
lazquez dort lebte, so überzeugt man sich doch, dass die Politik
nicht alles verschlungen oder, wie sie pflegt, verdorben hatte.
In dem Augenblick vor dem neuen Ausbruch des unerschöpf-
lichen Kriegkraters im Norden, als Richelieu mit dem Schweden-
könig verhandelte, konnte man in Rom leben wie in einem Ar-
kadien -- für Poeten, Schauspieler und Komponisten, Antiquare
und Literaten, Bildhauer, Architekten und Maler. Die berühmten
Bienen, früher Bremsen, des Barberini'schen Wappens wurden
auf die "attische Biene" gedeutet. Urban VIII verbot auch das
jedenfalls unattische Tabakschnupfen in der Kirche. Es war eigent-
lich eine kleine unverdiente Tücke des Schicksals, dass die Ver-
urtheilung Galilei's und die Geschichte mit dem Pantheon in diese
Regierung fiel. Rom hiess "der Probirstein der Geister". Sah
man genauer zu, so war der allgemeine Ton sehr unpolitisch.
Weder S. Heiligkeit, noch sein geschäftsführender Neffe, weder
der französische, noch der spanische Gesandte waren von Herzen
bei den Geschäften. Eingefleischte Diplomaten wie der Venezianer
Pesaro nannten das la stupidezza di questa corte1). Derselbe aber
meint doch auch, bei dem Genuss, Urban VIII sprechen zu hören,
könne man sich des Wunsches nicht erwehren, man möchte der
Pflicht ihn auf die Politik zu bringen, enthoben sein. Wenn er
im Sommer nach Castel Gandolfo ging, hielt er vorher ein
Consistorium, um den Cardinälen den Mund zu stopfen und sie
zu verhindern, ihm dorthin zu folgen. Hier fand man ihn be-
schäftigt mit der Ausgabe seiner lateinischen Gedichte und den
Plänen des neuen Palastes; er wollte diess Besitzthum der apo-
stolischen Kammer zur Freude seiner Nachfolger verschönern.
Den Cardinalnepoten interessirte seine Bibliothek, Gallerie und die
neuentdeckten Statuen mehr als Montferrat und Casale, und
Monterey ereiferte sich öfter für seine Comödianten, Concerte
und Gemälde als für jene Streitobjekte, über die damals Berge
von Depeschen geschrieben wurden. Das Hauptinteresse des
tiefverschuldeten Mannes war, in Italien zu bleiben, und von Rom,
dessen Luft ihm nicht bekam, nach Sicilien zu kommen.

Wenn des Pabstes Selbstliebe und Familiensinn nicht zu
nahe getreten wurde, so kam auch in der Politik der optimistische
Grundzug seiner kerngesunden Natur zum Vorschein. Im Januar
hatte er von D. Francesco Colonna den alten Familiensitz Pa-
lestrina seinem Hause erworben; als er dort einzog, im Oktober,

1) Ihre "natura aliena dal negotio". 14. Sept. 5. Oktober.

Drittes Buch.
lazquez dort lebte, so überzeugt man sich doch, dass die Politik
nicht alles verschlungen oder, wie sie pflegt, verdorben hatte.
In dem Augenblick vor dem neuen Ausbruch des unerschöpf-
lichen Kriegkraters im Norden, als Richelieu mit dem Schweden-
könig verhandelte, konnte man in Rom leben wie in einem Ar-
kadien — für Poeten, Schauspieler und Komponisten, Antiquare
und Literaten, Bildhauer, Architekten und Maler. Die berühmten
Bienen, früher Bremsen, des Barberini’schen Wappens wurden
auf die „attische Biene“ gedeutet. Urban VIII verbot auch das
jedenfalls unattische Tabakschnupfen in der Kirche. Es war eigent-
lich eine kleine unverdiente Tücke des Schicksals, dass die Ver-
urtheilung Galilei’s und die Geschichte mit dem Pantheon in diese
Regierung fiel. Rom hiess „der Probirstein der Geister“. Sah
man genauer zu, so war der allgemeine Ton sehr unpolitisch.
Weder S. Heiligkeit, noch sein geschäftsführender Neffe, weder
der französische, noch der spanische Gesandte waren von Herzen
bei den Geschäften. Eingefleischte Diplomaten wie der Venezianer
Pesaro nannten das la stupidezza di questa corte1). Derselbe aber
meint doch auch, bei dem Genuss, Urban VIII sprechen zu hören,
könne man sich des Wunsches nicht erwehren, man möchte der
Pflicht ihn auf die Politik zu bringen, enthoben sein. Wenn er
im Sommer nach Castel Gandolfo ging, hielt er vorher ein
Consistorium, um den Cardinälen den Mund zu stopfen und sie
zu verhindern, ihm dorthin zu folgen. Hier fand man ihn be-
schäftigt mit der Ausgabe seiner lateinischen Gedichte und den
Plänen des neuen Palastes; er wollte diess Besitzthum der apo-
stolischen Kammer zur Freude seiner Nachfolger verschönern.
Den Cardinalnepoten interessirte seine Bibliothek, Gallerie und die
neuentdeckten Statuen mehr als Montferrat und Casale, und
Monterey ereiferte sich öfter für seine Comödianten, Concerte
und Gemälde als für jene Streitobjekte, über die damals Berge
von Depeschen geschrieben wurden. Das Hauptinteresse des
tiefverschuldeten Mannes war, in Italien zu bleiben, und von Rom,
dessen Luft ihm nicht bekam, nach Sicilien zu kommen.

Wenn des Pabstes Selbstliebe und Familiensinn nicht zu
nahe getreten wurde, so kam auch in der Politik der optimistische
Grundzug seiner kerngesunden Natur zum Vorschein. Im Januar
hatte er von D. Francesco Colonna den alten Familiensitz Pa-
lestrina seinem Hause erworben; als er dort einzog, im Oktober,

1) Ihre „natura aliena dal negotio“. 14. Sept. 5. Oktober.
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[282/0308] Drittes Buch. lazquez dort lebte, so überzeugt man sich doch, dass die Politik nicht alles verschlungen oder, wie sie pflegt, verdorben hatte. In dem Augenblick vor dem neuen Ausbruch des unerschöpf- lichen Kriegkraters im Norden, als Richelieu mit dem Schweden- könig verhandelte, konnte man in Rom leben wie in einem Ar- kadien — für Poeten, Schauspieler und Komponisten, Antiquare und Literaten, Bildhauer, Architekten und Maler. Die berühmten Bienen, früher Bremsen, des Barberini’schen Wappens wurden auf die „attische Biene“ gedeutet. Urban VIII verbot auch das jedenfalls unattische Tabakschnupfen in der Kirche. Es war eigent- lich eine kleine unverdiente Tücke des Schicksals, dass die Ver- urtheilung Galilei’s und die Geschichte mit dem Pantheon in diese Regierung fiel. Rom hiess „der Probirstein der Geister“. Sah man genauer zu, so war der allgemeine Ton sehr unpolitisch. Weder S. Heiligkeit, noch sein geschäftsführender Neffe, weder der französische, noch der spanische Gesandte waren von Herzen bei den Geschäften. Eingefleischte Diplomaten wie der Venezianer Pesaro nannten das la stupidezza di questa corte 1). Derselbe aber meint doch auch, bei dem Genuss, Urban VIII sprechen zu hören, könne man sich des Wunsches nicht erwehren, man möchte der Pflicht ihn auf die Politik zu bringen, enthoben sein. Wenn er im Sommer nach Castel Gandolfo ging, hielt er vorher ein Consistorium, um den Cardinälen den Mund zu stopfen und sie zu verhindern, ihm dorthin zu folgen. Hier fand man ihn be- schäftigt mit der Ausgabe seiner lateinischen Gedichte und den Plänen des neuen Palastes; er wollte diess Besitzthum der apo- stolischen Kammer zur Freude seiner Nachfolger verschönern. Den Cardinalnepoten interessirte seine Bibliothek, Gallerie und die neuentdeckten Statuen mehr als Montferrat und Casale, und Monterey ereiferte sich öfter für seine Comödianten, Concerte und Gemälde als für jene Streitobjekte, über die damals Berge von Depeschen geschrieben wurden. Das Hauptinteresse des tiefverschuldeten Mannes war, in Italien zu bleiben, und von Rom, dessen Luft ihm nicht bekam, nach Sicilien zu kommen. Wenn des Pabstes Selbstliebe und Familiensinn nicht zu nahe getreten wurde, so kam auch in der Politik der optimistische Grundzug seiner kerngesunden Natur zum Vorschein. Im Januar hatte er von D. Francesco Colonna den alten Familiensitz Pa- lestrina seinem Hause erworben; als er dort einzog, im Oktober, 1) Ihre „natura aliena dal negotio“. 14. Sept. 5. Oktober.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/308>, abgerufen am 23.11.2024.