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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Drittes Buch.
mentlich aber in Künstlerkreisen vernommen hatte, war Rom
damals für Leute wie ihn das gelobte Land. Die Regierung des
geistreichen Florentiners Maffeo Barberini (hiess es) und seines
hochgebildeten, jedem edlen Interesse wohlgeneigten Neffen war
die goldene Zeit aller Bestrebungen des Friedens. Aber das
Schauspiel welches ihm die heilige Stadt bot, musste die Besorg-
niss erwecken, dass das Kriegstheater, das er im oberen Italien
rasch durchflogen und dessen Nähe ihn aus Venedig weggetrie-
ben, demnächst nach Rom verlegt werden würde. Seit drei
Jahren wurde an der Befestigung der Stadt gearbeitet: die En-
gelsburg, die Alexander VI zuerst zur Feste der Vaticanischen
Stadt umgeschaffen hatte, wurde dem Fortschritt der Zeit ge-
mäss verstärkt, mit Basteien umgeben, armirt und verproviantirt:
der Corridor Borgia's, der von der päbstlichen Wohnung dahin
führte, von den angeklebten Häusern befreit. Man musste an
die Gefangenschaft Clemens VII vor hundert Jahren denken.
Die sechs vaticanischen Thore wurden bis auf zwei geschlossen;
Borgo und Lungara befestigt. Unter der Bibliothek war ein
Arsenal angelegt, von dem Evelyn meint, kein Fürst Europa's
könne einer besser ausgestatteten Bibliothek des Mars (für
40000 Mann!) sich rühmen.

Viele spotteten über diesen kriegerischen Eifer S. Heiligkeit
gegen unerfindliche Feinde und Angriffe. Andere führten als
böses Vorzeichen an, dass die Tor de' Conti auf dem Quirinal,
ein Bau Innocenz III, im September 1630 zum Theil eingestürzt
war, und erinnerten an das Wort Wallenstein's, dass Rom seit
hundert Jahren nicht geplündert sei. Die Beraubung des Pan-
theons war gerade im Werk; aber wahrscheinlich hat es Velaz-
quez noch in seinem Bronzeschmuck gesehen, und ohne die
"Eselsohren des Bernini", von dem es die neueste Zeit befreit
hat.

Die Stadt war voll von Kriegsvolk und Waffenlärm. Die
römischen Grossen, die Cardinäle, die Botschafter sassen in ihren
Palästen umgeben von hunderten gewaltthätiger Trabanten, die
sie auf ihren Tages- und Nachtausgängen begleiteten, zuweilen
nach Art der Barone des Mittelalters auf den Strassen rauften
und Leute auf dem Platz liessen.

Noch befremdlicher kam es ihm als gutem Katholiken vor
zu vernehmen, gegen wen diese Feuerschlünde gerichtet sein
sollten, und welcher Ausdrücke man sich unter seinen Lands-
leuten gegen Seine Heiligkeit bediente. In dem Augenblick, wo

Drittes Buch.
mentlich aber in Künstlerkreisen vernommen hatte, war Rom
damals für Leute wie ihn das gelobte Land. Die Regierung des
geistreichen Florentiners Maffeo Barberini (hiess es) und seines
hochgebildeten, jedem edlen Interesse wohlgeneigten Neffen war
die goldene Zeit aller Bestrebungen des Friedens. Aber das
Schauspiel welches ihm die heilige Stadt bot, musste die Besorg-
niss erwecken, dass das Kriegstheater, das er im oberen Italien
rasch durchflogen und dessen Nähe ihn aus Venedig weggetrie-
ben, demnächst nach Rom verlegt werden würde. Seit drei
Jahren wurde an der Befestigung der Stadt gearbeitet: die En-
gelsburg, die Alexander VI zuerst zur Feste der Vaticanischen
Stadt umgeschaffen hatte, wurde dem Fortschritt der Zeit ge-
mäss verstärkt, mit Basteien umgeben, armirt und verproviantirt:
der Corridor Borgia’s, der von der päbstlichen Wohnung dahin
führte, von den angeklebten Häusern befreit. Man musste an
die Gefangenschaft Clemens VII vor hundert Jahren denken.
Die sechs vaticanischen Thore wurden bis auf zwei geschlossen;
Borgo und Lungara befestigt. Unter der Bibliothek war ein
Arsenal angelegt, von dem Evelyn meint, kein Fürst Europa’s
könne einer besser ausgestatteten Bibliothek des Mars (für
40000 Mann!) sich rühmen.

Viele spotteten über diesen kriegerischen Eifer S. Heiligkeit
gegen unerfindliche Feinde und Angriffe. Andere führten als
böses Vorzeichen an, dass die Tor de’ Conti auf dem Quirinal,
ein Bau Innocenz III, im September 1630 zum Theil eingestürzt
war, und erinnerten an das Wort Wallenstein’s, dass Rom seit
hundert Jahren nicht geplündert sei. Die Beraubung des Pan-
theons war gerade im Werk; aber wahrscheinlich hat es Velaz-
quez noch in seinem Bronzeschmuck gesehen, und ohne die
„Eselsohren des Bernini“, von dem es die neueste Zeit befreit
hat.

Die Stadt war voll von Kriegsvolk und Waffenlärm. Die
römischen Grossen, die Cardinäle, die Botschafter sassen in ihren
Palästen umgeben von hunderten gewaltthätiger Trabanten, die
sie auf ihren Tages- und Nachtausgängen begleiteten, zuweilen
nach Art der Barone des Mittelalters auf den Strassen rauften
und Leute auf dem Platz liessen.

Noch befremdlicher kam es ihm als gutem Katholiken vor
zu vernehmen, gegen wen diese Feuerschlünde gerichtet sein
sollten, und welcher Ausdrücke man sich unter seinen Lands-
leuten gegen Seine Heiligkeit bediente. In dem Augenblick, wo

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[280/0306] Drittes Buch. mentlich aber in Künstlerkreisen vernommen hatte, war Rom damals für Leute wie ihn das gelobte Land. Die Regierung des geistreichen Florentiners Maffeo Barberini (hiess es) und seines hochgebildeten, jedem edlen Interesse wohlgeneigten Neffen war die goldene Zeit aller Bestrebungen des Friedens. Aber das Schauspiel welches ihm die heilige Stadt bot, musste die Besorg- niss erwecken, dass das Kriegstheater, das er im oberen Italien rasch durchflogen und dessen Nähe ihn aus Venedig weggetrie- ben, demnächst nach Rom verlegt werden würde. Seit drei Jahren wurde an der Befestigung der Stadt gearbeitet: die En- gelsburg, die Alexander VI zuerst zur Feste der Vaticanischen Stadt umgeschaffen hatte, wurde dem Fortschritt der Zeit ge- mäss verstärkt, mit Basteien umgeben, armirt und verproviantirt: der Corridor Borgia’s, der von der päbstlichen Wohnung dahin führte, von den angeklebten Häusern befreit. Man musste an die Gefangenschaft Clemens VII vor hundert Jahren denken. Die sechs vaticanischen Thore wurden bis auf zwei geschlossen; Borgo und Lungara befestigt. Unter der Bibliothek war ein Arsenal angelegt, von dem Evelyn meint, kein Fürst Europa’s könne einer besser ausgestatteten Bibliothek des Mars (für 40000 Mann!) sich rühmen. Viele spotteten über diesen kriegerischen Eifer S. Heiligkeit gegen unerfindliche Feinde und Angriffe. Andere führten als böses Vorzeichen an, dass die Tor de’ Conti auf dem Quirinal, ein Bau Innocenz III, im September 1630 zum Theil eingestürzt war, und erinnerten an das Wort Wallenstein’s, dass Rom seit hundert Jahren nicht geplündert sei. Die Beraubung des Pan- theons war gerade im Werk; aber wahrscheinlich hat es Velaz- quez noch in seinem Bronzeschmuck gesehen, und ohne die „Eselsohren des Bernini“, von dem es die neueste Zeit befreit hat. Die Stadt war voll von Kriegsvolk und Waffenlärm. Die römischen Grossen, die Cardinäle, die Botschafter sassen in ihren Palästen umgeben von hunderten gewaltthätiger Trabanten, die sie auf ihren Tages- und Nachtausgängen begleiteten, zuweilen nach Art der Barone des Mittelalters auf den Strassen rauften und Leute auf dem Platz liessen. Noch befremdlicher kam es ihm als gutem Katholiken vor zu vernehmen, gegen wen diese Feuerschlünde gerichtet sein sollten, und welcher Ausdrücke man sich unter seinen Lands- leuten gegen Seine Heiligkeit bediente. In dem Augenblick, wo

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/306>, abgerufen am 23.11.2024.