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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Borrachos.
mondsgesicht, feisten Curven von den Backen nach dem vollen
Kinn, mit einem Grinsen, welches die Augen zusammenkneift, den
Mund öffnet und eine lange Reihe Elfenbeinzähne zum Vorschein
bringt. Er sitzt statt auf dem Fass auf einem Stühlchen, und
ein Laubgewinde mit weissen Blüthen geht wie eine Schärpe
quer über den nackten Oberkörper. Links steht eine grosse
Amphora, rechts ein Fass, auf dem ein Kelchglas mit Rothwein
blinkt.

Der knieende Kerl neben ihm trägt einen rundlichen Kopf
mit kurzer schmaler Stirn, mongolischen Backenknochen und
schielenden Augen, komisch selbst im Zustand der Nüchternheit;
hier noch durch des Rausches seligen Blödsinn. Der folgende
mit dem Kranz sieht aus wie ein rostig gewordener Lebemann,
mit magerem Schnurr- und Kinnbärtchen, und der sauersüsslich
ergebenen Schmarotzermiene. Unter ihm sieht der Negerkopf
hervor, über dem Rücken des Knieenden. Der Dritte (ein Profil)
ist ein gelber Hungerleider, mit zurückliegender Stirn und Kinn,
und hohlen Wangen.

Ist aber die Eigenhändigkeit des Bildchens auch zweifellos?
Das kann man nicht behaupten. In der Malweise spricht zwar
nichts dagegen, man wird aber auch nicht ganz überzeugt. Die
Figuren sind Spanier und gehören nach dem Kostüm in diese
Jahre. Eine Reinigung der Leinwand und besseres Licht könnte
vielleicht zu einem bestimmteren Urtheil verhelfen.

Eine neue Verwicklung bringt die Signatur. A priori ver-
dächtig, sieht sie eigentlich ganz vertrauenerweckend aus,
nach Kalligraphie und unbefangenem Zug; freilich ist der Ver-
gleich mit unzweifelhaften Signaturen des Meisters unmöglich.
Aber die Hauptzahl wird verschieden gelesen. Alle bisherigen
Angaben haben 1624; mir schien es 1634, worin mir W. Bode
beitritt. Die 3 lässt sich an etwas wie eine 2; man scheint das
untere Ende der Figur für das harmlose Zöpfchen einer 2, ein
Ornament genommen zu haben, während es meinem Eindruck
nach ein organisches Gebilde ist, das eine etwas eckige 3 er-
giebt.

Je nachdem würde sich das Urtheil über die "Skizze" ganz
verschieden stellen. 1624 wäre sie ein erster Versuch, vielleicht
der recuerdo eines lustigen Collegiums. Im Fall 1634 könnte man
sich vorstellen, die gentile Zechbruderschaft sei auf die Idee
verfallen, die berühmten Borrachos als lebendes Bild zu stellen
und diesem heiteren Augenblick in einem Gemälde Dauer geben

Die Borrachos.
mondsgesicht, feisten Curven von den Backen nach dem vollen
Kinn, mit einem Grinsen, welches die Augen zusammenkneift, den
Mund öffnet und eine lange Reihe Elfenbeinzähne zum Vorschein
bringt. Er sitzt statt auf dem Fass auf einem Stühlchen, und
ein Laubgewinde mit weissen Blüthen geht wie eine Schärpe
quer über den nackten Oberkörper. Links steht eine grosse
Amphora, rechts ein Fass, auf dem ein Kelchglas mit Rothwein
blinkt.

Der knieende Kerl neben ihm trägt einen rundlichen Kopf
mit kurzer schmaler Stirn, mongolischen Backenknochen und
schielenden Augen, komisch selbst im Zustand der Nüchternheit;
hier noch durch des Rausches seligen Blödsinn. Der folgende
mit dem Kranz sieht aus wie ein rostig gewordener Lebemann,
mit magerem Schnurr- und Kinnbärtchen, und der sauersüsslich
ergebenen Schmarotzermiene. Unter ihm sieht der Negerkopf
hervor, über dem Rücken des Knieenden. Der Dritte (ein Profil)
ist ein gelber Hungerleider, mit zurückliegender Stirn und Kinn,
und hohlen Wangen.

Ist aber die Eigenhändigkeit des Bildchens auch zweifellos?
Das kann man nicht behaupten. In der Malweise spricht zwar
nichts dagegen, man wird aber auch nicht ganz überzeugt. Die
Figuren sind Spanier und gehören nach dem Kostüm in diese
Jahre. Eine Reinigung der Leinwand und besseres Licht könnte
vielleicht zu einem bestimmteren Urtheil verhelfen.

Eine neue Verwicklung bringt die Signatur. A priori ver-
dächtig, sieht sie eigentlich ganz vertrauenerweckend aus,
nach Kalligraphie und unbefangenem Zug; freilich ist der Ver-
gleich mit unzweifelhaften Signaturen des Meisters unmöglich.
Aber die Hauptzahl wird verschieden gelesen. Alle bisherigen
Angaben haben 1624; mir schien es 1634, worin mir W. Bode
beitritt. Die 3 lässt sich an etwas wie eine 2; man scheint das
untere Ende der Figur für das harmlose Zöpfchen einer 2, ein
Ornament genommen zu haben, während es meinem Eindruck
nach ein organisches Gebilde ist, das eine etwas eckige 3 er-
giebt.

Je nachdem würde sich das Urtheil über die „Skizze“ ganz
verschieden stellen. 1624 wäre sie ein erster Versuch, vielleicht
der recuerdo eines lustigen Collegiums. Im Fall 1634 könnte man
sich vorstellen, die gentile Zechbruderschaft sei auf die Idee
verfallen, die berühmten Borrachos als lebendes Bild zu stellen
und diesem heiteren Augenblick in einem Gemälde Dauer geben

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[263/0289] Die Borrachos. mondsgesicht, feisten Curven von den Backen nach dem vollen Kinn, mit einem Grinsen, welches die Augen zusammenkneift, den Mund öffnet und eine lange Reihe Elfenbeinzähne zum Vorschein bringt. Er sitzt statt auf dem Fass auf einem Stühlchen, und ein Laubgewinde mit weissen Blüthen geht wie eine Schärpe quer über den nackten Oberkörper. Links steht eine grosse Amphora, rechts ein Fass, auf dem ein Kelchglas mit Rothwein blinkt. Der knieende Kerl neben ihm trägt einen rundlichen Kopf mit kurzer schmaler Stirn, mongolischen Backenknochen und schielenden Augen, komisch selbst im Zustand der Nüchternheit; hier noch durch des Rausches seligen Blödsinn. Der folgende mit dem Kranz sieht aus wie ein rostig gewordener Lebemann, mit magerem Schnurr- und Kinnbärtchen, und der sauersüsslich ergebenen Schmarotzermiene. Unter ihm sieht der Negerkopf hervor, über dem Rücken des Knieenden. Der Dritte (ein Profil) ist ein gelber Hungerleider, mit zurückliegender Stirn und Kinn, und hohlen Wangen. Ist aber die Eigenhändigkeit des Bildchens auch zweifellos? Das kann man nicht behaupten. In der Malweise spricht zwar nichts dagegen, man wird aber auch nicht ganz überzeugt. Die Figuren sind Spanier und gehören nach dem Kostüm in diese Jahre. Eine Reinigung der Leinwand und besseres Licht könnte vielleicht zu einem bestimmteren Urtheil verhelfen. Eine neue Verwicklung bringt die Signatur. A priori ver- dächtig, sieht sie eigentlich ganz vertrauenerweckend aus, nach Kalligraphie und unbefangenem Zug; freilich ist der Ver- gleich mit unzweifelhaften Signaturen des Meisters unmöglich. Aber die Hauptzahl wird verschieden gelesen. Alle bisherigen Angaben haben 1624; mir schien es 1634, worin mir W. Bode beitritt. Die 3 lässt sich an etwas wie eine 2; man scheint das untere Ende der Figur für das harmlose Zöpfchen einer 2, ein Ornament genommen zu haben, während es meinem Eindruck nach ein organisches Gebilde ist, das eine etwas eckige 3 er- giebt. Je nachdem würde sich das Urtheil über die „Skizze“ ganz verschieden stellen. 1624 wäre sie ein erster Versuch, vielleicht der recuerdo eines lustigen Collegiums. Im Fall 1634 könnte man sich vorstellen, die gentile Zechbruderschaft sei auf die Idee verfallen, die berühmten Borrachos als lebendes Bild zu stellen und diesem heiteren Augenblick in einem Gemälde Dauer geben

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/289>, abgerufen am 25.11.2024.