checo erzählt, dass Rubens seine Bescheidenheit gefiel. Diese Tugend ist eine der weniger geschätzten; doch sollen auch grosse Männer zuweilen bescheiden gewesen sein, Condivi nennt sogar Michelangelo modestissimo. Wahrscheinlich weil sie, auch wenn sie sich beschieden haben Fachmänner zu sein, doch immer etwas über ihr Fach hinaussehn und daher andere Grössenmassstäbe kennen, als die in ihr Fach eingeengten, denen die gütige Natur aber zum Ersatz Selbstgefühl gegeben hat:
Whatever nature has in worth denied, it gives in large recruits of needful pride. (Pope.)
Dieses Bewusstsein höherer Maassstäbe äussert sich gern in einem Anflug von Humor und Ironie, die ja der Form nach Be- scheidenheit ist. Der Beschränktheit fehlt diess attische Salz: sie ist immer pathetisch und voll von Gefühl ihrer Wichtigkeit, auch wenn sie Kleinigkeiten treibt.
Der wirkliche Einfluss des Rubens scheint sich also auf das zu beschränken, was auch die alten Biographen angegeben haben. Seine Unterhaltung fachte den alten Wunsch neu an, Italien zu sehen, seine eifrige Copierthätigkeit befestigte die Ueberzeugung, dass er die venezianische Kunst an der Quelle studiren müsse: der König erkannte seine Gründe an, er gewährte den Urlaub.
Doch nein, es giebt ja noch eine andere Art von Einfluss als diejenige, deren Constatirung man jetzt als Hauptaufgabe einer Künstlergeschichte betrachtet. Das sind jene Begegnungen, wo man durch eine grosse Persönlichkeit gezwungen wird, sich ihrer zu erwehren, wo das Gefühl der Fremdartigkeit den Instinkt der Eigenartigkeit weckt, und da wo andere sich selbst ver- lieren, den Muth eigenen Wegs und eigener Ueberzeugung fasst. Das war der Fall des Velazquez.
Vielleicht gerade weil beide so verschieden waren, in Be- gabung und Naturgefühl, wie in Temperament und Moral der Kunst, haben sie Gefallen aneinander gefunden und, wie Pacheco versichert, Freundschaft geschlossen. Velazquez als künstleri- schem Leiter bei der Ausstattung der königlichen Häuser konnte es nur freuen, mit solchem Material zu arbeiten, wie das, welches man von Rubens erhielt. Neid war dem Charakter beider fremd, einen Zusammenstoss im "Kampf um den Raum" gab es für sie im Grunde nicht.
Velazquez war eigentlich ein Maler ohne Publicum, da er nur für Philipp IV malte. Er war somit, wie es scheint, sehr abhängig; auf der andern Seite aber auch wieder frei vom Dienst
Rubens Einfluss auf Velazquez.
checo erzählt, dass Rubens seine Bescheidenheit gefiel. Diese Tugend ist eine der weniger geschätzten; doch sollen auch grosse Männer zuweilen bescheiden gewesen sein, Condivi nennt sogar Michelangelo modestissimo. Wahrscheinlich weil sie, auch wenn sie sich beschieden haben Fachmänner zu sein, doch immer etwas über ihr Fach hinaussehn und daher andere Grössenmassstäbe kennen, als die in ihr Fach eingeengten, denen die gütige Natur aber zum Ersatz Selbstgefühl gegeben hat:
Whatever nature has in worth denied, it gives in large recruits of needful pride. (Pope.)
Dieses Bewusstsein höherer Maassstäbe äussert sich gern in einem Anflug von Humor und Ironie, die ja der Form nach Be- scheidenheit ist. Der Beschränktheit fehlt diess attische Salz: sie ist immer pathetisch und voll von Gefühl ihrer Wichtigkeit, auch wenn sie Kleinigkeiten treibt.
Der wirkliche Einfluss des Rubens scheint sich also auf das zu beschränken, was auch die alten Biographen angegeben haben. Seine Unterhaltung fachte den alten Wunsch neu an, Italien zu sehen, seine eifrige Copierthätigkeit befestigte die Ueberzeugung, dass er die venezianische Kunst an der Quelle studiren müsse: der König erkannte seine Gründe an, er gewährte den Urlaub.
Doch nein, es giebt ja noch eine andere Art von Einfluss als diejenige, deren Constatirung man jetzt als Hauptaufgabe einer Künstlergeschichte betrachtet. Das sind jene Begegnungen, wo man durch eine grosse Persönlichkeit gezwungen wird, sich ihrer zu erwehren, wo das Gefühl der Fremdartigkeit den Instinkt der Eigenartigkeit weckt, und da wo andere sich selbst ver- lieren, den Muth eigenen Wegs und eigener Ueberzeugung fasst. Das war der Fall des Velazquez.
Vielleicht gerade weil beide so verschieden waren, in Be- gabung und Naturgefühl, wie in Temperament und Moral der Kunst, haben sie Gefallen aneinander gefunden und, wie Pacheco versichert, Freundschaft geschlossen. Velazquez als künstleri- schem Leiter bei der Ausstattung der königlichen Häuser konnte es nur freuen, mit solchem Material zu arbeiten, wie das, welches man von Rubens erhielt. Neid war dem Charakter beider fremd, einen Zusammenstoss im „Kampf um den Raum“ gab es für sie im Grunde nicht.
Velazquez war eigentlich ein Maler ohne Publicum, da er nur für Philipp IV malte. Er war somit, wie es scheint, sehr abhängig; auf der andern Seite aber auch wieder frei vom Dienst
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Rubens Einfluss auf Velazquez.
checo erzählt, dass Rubens seine Bescheidenheit gefiel. Diese
Tugend ist eine der weniger geschätzten; doch sollen auch grosse
Männer zuweilen bescheiden gewesen sein, Condivi nennt sogar
Michelangelo modestissimo. Wahrscheinlich weil sie, auch wenn
sie sich beschieden haben Fachmänner zu sein, doch immer etwas
über ihr Fach hinaussehn und daher andere Grössenmassstäbe
kennen, als die in ihr Fach eingeengten, denen die gütige Natur
aber zum Ersatz Selbstgefühl gegeben hat:
Whatever nature has in worth denied,
it gives in large recruits of needful pride. (Pope.)
Dieses Bewusstsein höherer Maassstäbe äussert sich gern in
einem Anflug von Humor und Ironie, die ja der Form nach Be-
scheidenheit ist. Der Beschränktheit fehlt diess attische Salz:
sie ist immer pathetisch und voll von Gefühl ihrer Wichtigkeit,
auch wenn sie Kleinigkeiten treibt.
Der wirkliche Einfluss des Rubens scheint sich also auf das
zu beschränken, was auch die alten Biographen angegeben haben.
Seine Unterhaltung fachte den alten Wunsch neu an, Italien zu
sehen, seine eifrige Copierthätigkeit befestigte die Ueberzeugung,
dass er die venezianische Kunst an der Quelle studiren müsse:
der König erkannte seine Gründe an, er gewährte den Urlaub.
Doch nein, es giebt ja noch eine andere Art von Einfluss
als diejenige, deren Constatirung man jetzt als Hauptaufgabe
einer Künstlergeschichte betrachtet. Das sind jene Begegnungen,
wo man durch eine grosse Persönlichkeit gezwungen wird, sich
ihrer zu erwehren, wo das Gefühl der Fremdartigkeit den Instinkt
der Eigenartigkeit weckt, und da wo andere sich selbst ver-
lieren, den Muth eigenen Wegs und eigener Ueberzeugung fasst.
Das war der Fall des Velazquez.
Vielleicht gerade weil beide so verschieden waren, in Be-
gabung und Naturgefühl, wie in Temperament und Moral der
Kunst, haben sie Gefallen aneinander gefunden und, wie Pacheco
versichert, Freundschaft geschlossen. Velazquez als künstleri-
schem Leiter bei der Ausstattung der königlichen Häuser konnte
es nur freuen, mit solchem Material zu arbeiten, wie das, welches
man von Rubens erhielt. Neid war dem Charakter beider fremd,
einen Zusammenstoss im „Kampf um den Raum“ gab es für sie
im Grunde nicht.
Velazquez war eigentlich ein Maler ohne Publicum, da er
nur für Philipp IV malte. Er war somit, wie es scheint, sehr
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/277>, abgerufen am 17.07.2024.
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